Aktuelle Dermatologie 2022; 48(01/02): 11-12
DOI: 10.1055/a-1667-4540
Interview

„Es ist ein großes Glück, heute als Dermatologe/in tätig sein zu dürfen“

Prof. Christiane Bayerl im Gespräch mit Prof. Percy Lehmann
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Prof. Dr. Percy Lehmann

Warum haben Sie die Dermatologie als Fachgebiet gewählt?

Aufgrund der Breite des Faches, die in der Medizin einzigartig ist. Sie können sich als geschickter, beherzter Chirurg genauso einbringen und am Patienten arbeiten wie als zurückhaltender, eher internistisch denkender Mensch, der gerne den Sachen auf den Grund geht und sich tiefsinnige Gedanken über schwerwiegende Probleme macht.Weiterhin gehören die Immunologie, Allergologie, Infektiologie, Fotobiologie als weitere wichtige Säulen und die Diversität des Faches ausdrückend zu diesem Fachgebiet.

Von wem haben Sie besonders viel gelernt?

Drei Persönlichkeiten haben mich besonders geprägt: Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Otto Braun-Falco. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Albert Montgomery Kligmann, MD, PhD, und Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Gerd Plewig, in dieser zeitlichen Reihenfolge.Der äußerst charismatische und mitreißende Prof. Otto Braun-Falco begeisterte mich schon in der Hauptvorlesung Dermatologie für dieses Fach. Seine Vorlesungen waren bei allen Studenten hoch im Kurs und immer voll. Er war immer laut, auch im persönlichen Gespräch, gut gelaunt und von unglaublicher natürlicher Autorität. Unvergesslich bleibt mir mein Vorstellungsgespräch bei ihm, als er mir vorschlug, bevor ich eine Weiterbildungsstelle antrete, mich wissenschaftlich, am besten in den USA mit einem Forschungsstipendium weiterzuentwickeln. Auf Empfehlung von Prof. Plewig kam ich so 1980 mit einem DFG-Stipendium an die renommierte University of Pennsylvania nach Philadelphia.Als ich noch in München vor der Abreise Prof. Kligman nach dem Forschungsvorhaben fragte und wie ich mich vorbereiten solle, schrieb er mir zurück: Ich solle überhaupt nichts vorher lesen, das meiste Geschriebene sei Mist und präjudizierend, er benötige einen unverbrauchten, frischen Geist. „When you come here, all you need is a bathing suit and the willingness to play hard and work hard. I will make sure, that your stay here will be a most interesting, inspiring and wonderful adventure.“ So kam es dann auch!Prof. Kligman war auch im Alter von 65 jung und vital-neugierig geblieben. Er spürte immer die neuesten, vielversprechenden Entwicklungen des Faches auf. So kam ich mit der damals neuen und aufstrebenden Subspezialität der Fotodermatologie in Berührung, die mich mein ganzes Berufsleben weiterhin faszinieren sollte und die ich intensiv beforscht habe.Bei Prof. Plewig absolvierte ich meine Facharztausbildung, wurde Oberarzt, habilitierte mich und wurde schließlich Professor. Von ihm erhielt ich den klinischen Schliff. Seine geradezu pedantische Genauigkeit und sein enzyklopädisches Wissen waren/sind beeindruckend und färbten ab. Er hatte um sich ein Team von Spitzenexperten (u. a. die Professoren Görz, Hölzle, Kind, Melnik, Megahed, Ruzicka) versammelt, deren klinisches, histopathologisches und experimentelles Wissen ich in mir aufgesogen hatte.

Welcher Fall ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Dies war sicherlich der Fall einer progressiven nodulären Histiozytose (Hilker O, Kovnerski A, Burgdorf W et al. Die progressive noduläre Histiozytose. JDDG 2013; 11: 301–308).Dies war ein damals 28-jähriger armenischer Patient, der aus Ungarn zu uns kam, da man ihm dort nicht helfen konnte. Er war übersät von kiloschweren Tumoren am gesamten Integument. Wir alle hatten einen derartigen Befund noch nie gesehen. Der Befund war so ausgeprägt, dass die JDDG anlässlich der Publikation das klinische Bild auf der Titelseite plazierte. Wir haben alle Tumoren reseziert, sie waren eisenbeladen, was eine schwere mikrozytäre Anämie bei dem Patienten bedingte, die wir mit Erythrozyten-Konzentraten behandelten. Erwartungsgemäß rezidivierten die Tumoren immer wieder, sodass der Patient sich bis heute im 2-jährlichen Abstand zur operativen Sanierung in Intubationsnarkose in Wuppertal vorstellt.

Was ist momentan die wichtigste Entwicklung der Dermatologie?

Die Entwicklung der zielgerichteten Therapien, Biologicals, Jak-Inhibitoren. Es ist ein großes Glück, heute als Dermatologe/in tätig sein zu dürfen, da wir heute zunehmend schwere Krankheiten behandeln können, die vor wenigen Jahren als aussichtslos therapierefraktär galten. Dies betrifft sowohl fortgeschrittene Tumorerkrankungen, die früher unheilbar waren und zum sicheren Tod führten, als auch schwerwiegende entzündliche Erkrankungen, die für die Lebensqualität eine Katastrophe bedeuteten und die wir heute durch Eingreifen in die Signaltransduktionswege unter Kontrolle bringen können, wobei die Haut dann zu 100 % erscheinungsfrei wird. Eine echte Revolution, und die Dermatologie ist hier der Schrittmacher für alle anderen Disziplinen der Medizin.

Was sind, neben Ihrem Beruf, Ihre sonstigen Interessen und Hobbies?

Ich habe das große Glück, eine fachlich hochkompetente Nachfolgerin als Direktorin der Dermatologie am Helios Universitätsklinikum Wuppertal zu haben, mit der ich mich hervorragend verstehe und die es befürwortete, dass ich noch regelmäßig meine Privat-Sprechstunde am Klinikum halten darf. Zu interessanten Fällen lädt sie mich regelmäßig in die Mittagsvisite ein, sodass ich nach wie vor sehr guten Kontakt zu allen Mitarbeitern habe. Ich lerne dabei nach wie vor sehr viel und hoffe, dass ich bei den interessanten Fällen auch einiges weitergeben kann aus meiner langjährigen und reichhaltigen Erfahrung. So hat Frau Prof. Hofmann mich gerade gestern in die Mittagsvisite eingeladen, wo ein Patient mit schwerster Akne fulminans vorgestellt wurde, ein Krankheitsbild, das mir seit meiner Lehrzeit bei Prof. Plewig sehr vertraut ist, ich sämtliche Tipps und Kniffe der Therapie kenne und diese weitergeben kann. So ist mein Beruf gleichzeitig mein Hobby, das mir nach wie vor großen Spaß macht.Daneben spiele ich seit 60 Jahren leidenschaftlich Tennis, früher als Leistungssportler (Münchener Jugend-Vize-Meister). Heute spiele ich immer noch in einer Altherrenmannschaft und bestreite regelmäßig Medenspiele. Da ich jetzt mehr Zeit habe, habe ich auch mit dem Golfen begonnen, das ich v. a. im Chiemgau betreibe (Chiemseer Golf Club), wo wir in Aschau in einem 500 Jahre alten Bauernhof die obere Etage besitzen und dort herrliche Zeiten beim Bergwandern, Schwimmen und Golfen verbringen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Percy Lehmann
Abteilung für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie
Helios Universtätsklinikum Wuppertal
Heusnerstraße 40
42283 Wuppertal
Deutschland
percy.lehmann@helios-gesundheit.de



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Article published online:
22 February 2022

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