Aktuelle Dermatologie 2022; 48(05): 196-197
DOI: 10.1055/a-1697-0083
Interview

„Eine faszinierende Vielzahl an Differenzialdiagnosen und vielfältige Möglichkeiten zur persönlichen Schwerpunktbildung“

Prof. Christiane Bayerl im Gespräch mit Prof. Dr. Lutz Kowalzick
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Prof. Dr. Lutz Kowalzick. Quelle: Helios Vogtland-Klinikum Plauen

Warum haben Sie die Dermatologie als Fachgebiet gewählt?

Sie ist ein visuelles Fach mit unmittelbarem klinischen Zugang zu den Symptomen. Sie bietet vielfältige interdisziplinäre Schnittstellen, eine faszinierende Vielzahl an Differenzialdiagnosen und vielfältige Möglichkeiten zur persönlichen Schwerpunktbildung. Mich persönlich haben die Differenzialdiagnostik und Differenzialtherapie besonders interessiert.

Von wem haben Sie besonders viel gelernt?

Folgende Persönlichkeiten haben mich besonders geprägt: Prof. Dr. Theodor Nasemann, Prof. Dr. Michael Jänner, Prof. Dr. Eckard Breitbart und Prof. Dr. Dr. Johannnes Ring.In dieser zeitlichen Reihenfolge: Prof Dr. Theodor Nasemann begeisterte mich schon in der Hauptvorlesung Dermatologie für dieses Fach. Seine Vorlesungen waren bei allen Studenten hoch im Kurs und immer voll. Ihm wurde, wohl erstmals nach dem Krieg, bei seiner Emeritierung von den Studenten ein Fackelzug bereitet. Die Lehre war ihm ein herausragendes Anliegen, das alle seine Mitarbeiter unterstützen mussten. Die Hauptvorlesung dauerte drei Stunden mit mindestens 6–9 Falldemonstrationen mit Live-Patienten. Er stellte mich mit meiner virologisch-molekularbiologischen Dissertation und nach dem praktischen Jahr in seiner Klinik später als Assistenzarzt ein und ermöglichte mir den Einstieg in die Dermatologie. Prof. Dr. Michael Jänner war mein Oberarzt in der Poliklinik der Hamburger Universitäts-Hautklinik, von ihm erlernte ich die klinische Dermatologie, und er begeisterte mich für die Differenzialdiagnostik. Er war ein extrem erfahrener Kliniker, der „alles schon mal gesehen“ hatte.Von Prof. Dr. Eckhard Breitbart wurde ich in die operative und onkologische Dermatologie eingeführt. Er ist ein geradezu fanatischer Bekämpfer des Hautkrebses, der nie einen Patienten aufgeben wollte und stets nach innovativen Ansätzen suchte. Die seinerzeit sehr beschränkten Möglichkeiten in der palliativen Therapie des Melanoms führten ihn schließlich zur Schwerpunktbildung in der Prävention.Bei Prof. Dr. Dr. Johannnes Ring konnte ich meine unter Prof. Dr. Karl-Heinz Schulz erhaltene allergologische Ausbildung weiter fortentwickeln, Erfahrungen in Leitungsfunktion als Oberarzt und in der Hochschulpolitik sammeln und meine Habilitation schreiben. Nach dem bekennenden Monarchisten und Hohenzollern-Verehrer Nasemann war Ring als bekennender „Ludwig II-Fan“ mein zweiter Chef mit einer eindrucksvollen, etwas barocken Persönlichkeit.

Welcher Fall ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Dies war der Fall einer Epidermodysplasia verruciformis Lewandowsky-Lutz bei einem jungen Schwarzafrikaner (Kowalzick L, Mensing H. Failure of etritinate in epidermodysplasia verruciformis. Dermatologica 1986; 173: 75–78).Der Patient, ein junger Flüchtling aus Ghana, mit ausgedehnten multipen Hautläsionen vom Typ der planen juvenilen Warzen (Gesicht) und der Pityriasis versicilor (Stamm), bei dem wir bei Frau Prof. Dr. DeVilliers im DKFZ Heidelberg den onkogenen, EV-spezifischen HPV Typ 5 nachweisen lassen konnten, erwies sich auch bei Off-Label-Behandlungen mit Retinoiden und Interferonen als therapierefraktär, entwickelte aber nach Aufklärung über die Natur der Erkrankung und Beratung zum konsequenten Lichtschutz über mindestens 15 Jahre keine epidermalen Hautkrebse.

Was ist momentan die wichtigste Entwicklung der Dermatologie?

Die Entwicklung der zielgerichteten Therapien mit kleinen Moleküklen, mit Biologika und zuletzt Jak-Inhibitoren. Gegen Ende des Berufslebens als Dermatologe, in dem es viele schwere Krankheiten gab, die nur wenig effektiv behandelbar waren, sind nun in den letzten zehn Jahren viel neue wirksame Therapieverfahren entwickelt worden. Dies betrifft sowohl die fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, die früher unheilbar waren und zum sicheren Tod führten, als auch schwerwiegende entzündliche Erkrankungen, die für die Lebensqualität eine Katastrophe bedeuteten. Hier war die Dermatologie auch ein Vorreiter für andere Disziplinen der Medizin. Die von mir sehr geschätzte und mit weiterentwickelte UV-Therapie von Hautkrankheiten und die konventionellen topischen Therapien werden dagegen wohl an Bedeutung verlieren.

Was sind, neben Ihrem Beruf, Ihre sonstigen Interessen und Hobbies?

Als Chefarzt der Plauener Hautklinik bin ich vor zwei Jahren ausgeschieden. Gelegentlich mache ich noch Hautkrebs-Screenings und schreibe Gutachten. Ich bin Mandatsträger in der Kommunalpolitik und Mitglied mehrerer Aufsichtsgremien, u. a. stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Theater Plauen-Zwickau GmbH. Der Sicherung unseres kommunalen Vierspartenhauses gilt meine besondere Aufmerksamkeit. Daneben habe ich mittlerweile sechs Bücher zu kunst-, zeit- und marinegeschichtlichen Themen geschrieben und veröffentlicht. Als Reserve-Sanitäts-Stabsoffizier werde ich demnächst verabschiedet werden. Ein Hobby von mir ist der Modellbau, zuletzt auch unter Verwendung von Modellen, die im 3D-Druckverfahren hergestellt wurden. Etwa drei- bis viertausend Marineschiffsmodelle im Maßstab 1:1250 nenne ich mein Eigen. Jährliche Besuche bei den Bayreuther Festspielen und Kreuzfahrten werden hoffentlich nach dem Ende der Pandemie wieder uneingeschränkt möglich sein.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Lutz Kowalzick
Windmühlenstr. 20
08523 Plauen
Deutschland
lutz.kowalzick@web.de



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Article published online:
19 May 2022

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