TumorDiagnostik & Therapie 2022; 43(01): 14-16
DOI: 10.1055/a-1711-0007
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Kommentar zu „Tumore der Speicheldrüsen: Langzeiterfahrungen eines tertiären Krebszentrums“

Contributor(s):
Achim Franzen

Maligne Speicheldrüsenkarzinome sind selten. Der Erkenntnisgewinn über klinische und therapeutische Parameter ist zusätzlich dadurch erschwert, dass die WHO in ihrer 2017 aufgelegten 8. Auflage 20 Tumorentitäten unterscheidet. Außerdem können glanduläre Tumore sowohl die kleinen als auch die großen Speicheldrüsen und somit vollkommen unterschiedliche Situationen betreffen. Im Falle der Glandula parotidea kommt hinzu, dass es neben glandulären Primärtumoren aufgrund des intra- und paraglandulären lymphatischen Gewebes zur Entwicklung von malignen Lymphomen und metastatischen Tumoren kommt. Letztere haben mittlerweile auch in Mitteleuropa eine erheblich zunehmende Bedeutung.

Die dargelegten Merkmale sind u.a. Grund dafür, dass es (bisher) weder allgemein anerkannte noch evidenzbasierte Standards für eine Therapie dieser Tumoren gibt und auch hochwertige (multizentrisch-prospektiv etc.) Studien fehlen. Die vorliegenden Kenntnisse resultieren vielmehr aus retrospektiven Untersuchungen, die in der Regel das Patientengut einer einzelnen Institution aufarbeiten.

Die vorgelegte Arbeit von Jens von der Grün und 11 Co-Autoren stellt einen weiteren Beitrag zu dem bunten Strauß der vorliegenden Studien dar. 127 eingeschlossene Patienten aus 15 Jahren deuten die Seltenheit der Erkrankungen auch in einem Universitätsklinikum an, zumal alle Tumormanifestationen, also kleine und alle großen Speicheldrüsen, eingeschlossen werden. Angesichts der je nach Lokalisation sehr unterschiedlichen klinischen, prognostischen und Therapiebedingungen verkleinert sich die Basis, auf der Ergebnisse abgeleitet werden, also nochmals.

Die Majorität der vorgestellten Primärtumoren liegt in der Glandula parotidea (72,4%), die häufigste histologische Entität sind Adenokarzinome (n.o.s). Auffällig ist die Häufigkeit von Plattenepithelkarzinomen, die in der Parotis wahrscheinlich 15% (Wert nur indirekt erschließbar) betragen dürfte. Wie auch von den Autoren vermutet, dürfte es sich dabei im Wesentlichen um metastatische Tumoren handeln: dies wäre ggf. bei der Therapieplanung berücksichtigt worden und hat sicher Einfluss auf die beobachteten Ergebnisse.

Die Therapieplanung der Autoren richtet sich nach üblichen Standards und berücksichtigt nicht zuletzt Merkmale des Primärtumors (Histologie!) und die Ergebnisse des Stagings (z.B. Halslymphknotenstatus). Die Operation des Primärtumors (121/127) mit oder ohne Lymphbahnsanierung ist die wichtigste Therapiemodalität. Die Indikation für eine adjuvante Therapie richtet sich, abgesehen von der Tumorentität, vor allem nach dem endgültigen Pathologiebefund. Abgesehen davon, dass aufgrund der Heterogenität der Tumoren eine Zuordnung schwierig ist, wird die aus anderen Studien bekannte individuelle Konzeption der Therapie der Speicheldrüsenkarzinome auch in der vorgelegten Untersuchung deutlich.

Der Outcome der vorgestellten Patienten entspricht insgesamt dem aus anderen Studien bekannten – auch hier stellt die Heterogenität der Primärtumorlokalisation sicher ein Interpretationsproblem dar. Interessant ist die Feststellung der Autoren, dass die Bedeutung einer (simultanen) Chemotherapie zumindest kontrovers zu diskutieren ist.

Zusammenfassend unterstreicht die Arbeit die aus der gegebenen Seltenheit und Heterogenität sowie der Studienlage resultierende Individualität der Therapieplanung. Sie bestätigt die Ergebnisse vorliegender, ebenfalls i.d.R. unizentrisch-retrospektiver Studien und die Notwendigkeit multizentrischer Untersuchungen.



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Article published online:
26 January 2022

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