Pneumologie 2022; 76(01): 64-65
DOI: 10.1055/a-1718-9635
DGP-News

Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V.

Außerklinische Intensivpflege wird neu aufgestellt

Verordnung des G-BA erschienen

Jährlich werden in Deutschland viele tausend Menschen außerhalb von Krankenhäusern intensivmedizinisch betreut. Für 2019 weisen Statistiken der Krankenkassen über 22 000 Fälle aus. Jährlich wird zudem bei über 1000 Menschen neu eine außerklinische invasive Beatmung eingeleitet. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) hat sich bereits in der Vergangenheit insbesondere auch auf politischer Ebene für eine professionelle und qualitätsgestützte Versorgung der Betroffenen eingesetzt.

Hierbei steht für die DGP eine ethische und bedarfsgerechte Versorgung im Vordergrund, die sich nicht allein an der Gewinnmaximierung einzelner Anbieter orientieren darf. Ebenso ist eine optimale Verzahnung der Sektoren dringend gefordert, um Patienten mit außerklinischer Beatmung mit hoher Behandlungsqualität versorgen zu können, ohne die ökonomi-schen Grenzen des Systems zu sprengen.

Intensiv eingebracht hat sich unsere Fachgesellschaft in die Entwicklung des 2020 im Bundestag verabschiedeten Gesetzes zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-IPReG). Das GKV-IPReG will Fehlanreize beseitigen und die außerklinische Versorgung insgesamt verbessern. Mit der praktischen Umsetzung des Gesetzes wurde der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beauftragt, der im ersten Schritt eine Richtlinie zur Verordnung von außerklinischer Intensivpflege erarbeitete. Hier hatte die DGP im Anhörungsverfahren des G-BA ebenfalls Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Richtlinie zur Verordnung von außerklinischer Intensivpflege ist nun mittlerweile online veröffentlicht und wir möchten eine Einschätzung zu den vorgelegten Festlegungen geben:

Ein aus unserer Sicht wesentlicher Fortschritt im Vergleich zum bisherigen Leistungsanspruch ist, dass bei als beatmungspflichtig eingestuften Patientinnen und Patienten das Weaning-Potenzial sowohl vor Verlegung in die außerklinische Versorgung als auch regelmäßig im Verlauf zunächst in 3- bis 6-monatigen Intervallen evaluiert werden muss. Damit wurde eine Kernforderung der DGP umgesetzt. Die Erhebung des Potenzials soll hierbei von besonders qualifizierten Vertragsärztinnen und Vertragsärzten erfolgen. Hierzu gehören auch Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin und Pneumologie. Aus Sicht der DGP sollten die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Krankenhäuser und somit insbesondere die spezialisierten Zentren regelhaft in die außerklinische Versorgung eingebunden werden, um auch im ambulanten Sektor eine hochqualifizierte Versorgung zu gewährleisten.

Bedauerlicherweise wurde der äußerst wichtige Aspekt der Qualifizierung der teilnehmenden Vertragsärzte entgegen der Empfehlung der DGP um die Möglichkeit der Verordnung durch Hausärztinnen und Hausärzte erweitert, wenn diese über Kompetenzen im Umgang mit beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten verfügen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen beabsichtigen entsprechende Fortbildungsveranstaltungen anzubieten. Dies ersetzt nach unserer Auffassung nicht die klinische Erfahrung im Umgang mit beatmeten Patientinnen und Patienten. Die regelmäßige Erhebung des Potenzials ist allerdings nicht durch Hausärzte erfassbar, wohl aber durch die zuvor genannten spezialisierten Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, bspw. auch per Tele-Konsil. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass ein Tracheostoma allein nicht zur Verordnung von außerklinischer Intensivpflege ausreicht. Hierzu muss zusätzlich ein hohes, akutes Komplikationsrisiko bestehen. Auch hierbei muss regelmäßig das Potenzial einer Dekanülierung alle 6 Monate erhoben werden.

Die DGP hatte zudem Anforderungen an die neuen sog. „Wohneinheiten“ formu-liert, in denen beatmungspflichtige Patientinnen und Patienten betreut werden. Die Festlegung auf diese Regelungen haben wir auch im Gesetzgebungsverfahren gefordert: Hier hat der Gesetzgeber diesem Wunsch leider nicht entsprochen. Die Anforderungen sollen künftig über Rahmenempfehlungen festgeschrieben und in den relevanten Verträgen verankert werden. Qualitätsanforderungen für betreuende Ärztinnen und Ärzte wird der G-BA jedoch sehr wohl regeln.

Auch wenn die Bilanz aus Sicht der DGP bisher gemischt ausfällt, sehen wir im GKV-IPREG nach wie vor eine große Chance für die Pneumologie. Unserem Fach eröffnet die Gesetzgebung verschiedene Möglichkeiten, seine Position und Wahrnehmung in der Versorgungslandschaft zu stärken und dabei seine Expertise in der Intensiv- und Beatmungsmedizin besonders zu betonen. Im Mittelpunkt stehen v. a. unsere pneumologischen Weaning-Zentren. Aber auch niedergelassenen Pneumologinnen und Pneumologen können vom GKV-IPREG profitieren, indem sie sich durch Qualifizierung neue Aufgabenfelder in der außerklinischen Beatmungsmedizin erschließen.

Der G-BA hat angekündigt, 4 Jahre nach dem Inkrafttreten die Umsetzung und deren Auswirkungen zu evaluieren. Ein Antrag auf Förderung einer Evaluation der direkten Auswirkungen im Vergleich zu den zuvor bestehenden Bedingungen mit einem besonderen Fokus auf die Lebensqualität der Betroffenen wurde durch Mitglieder der DGP und der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für außerklinische Beatmung (DIGAB) eingereicht. Die DGP wird weiterhin Impulse setzen und ihre Expertise einbringen, wenn es um die weitere Ausgestaltung der außerklinischen Intensivpflege geht.

Jens Geiseler, Michael Westhoff (WeanNet)

Sarah Schwarz (Sektion 5 Intensiv- und Beatmungsmedizin)

Michael Pfeifer, Wolfram Windisch, Winfried Randerath (DGP-Vorstand)

https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/1000/


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Publication History

Article published online:
25 January 2022

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