MSK – Muskuloskelettale Physiotherapie 2022; 26(02): 64
DOI: 10.1055/a-1731-6828
Forum

Darf ich „Orthopädische Manualtherapie (OMT)“ als meine Praxisbezeichnung verwenden?

Jörg-Peter Hasenburg

Bei der Mitgliederversammlung 2019 des Vereins proOMT e. V. schilderte eine Münchner Kollegin von ihrem Vorhaben, ihre Praxis nach erfolgreich absolviertem OMT-Zertifikat folgendermaßen zu nennen: „Praxis für orthopädische Manualtherapie N.N“. Sie revidierte ihre Entscheidung, nachdem drei im selben Gebäude tätigen Orthopäden ihr diesen Praxis-Namen mit der Zusendung eines Abmahnbescheides untersagten. Die Orthopäden begründeten dies damit, dass die Verwechslungsgefahr mit ärztlichen orthopädischen Leistungen und Diagnosestellungen zu groß und irreführend sei.

Nachdem weder vereinsinterne Recherchen noch Verbandsanfragen zu belastbaren Aussagen führten, entschloss sich proOMT e. V., diese Fragestellung durch ein Gutachten eines Fachanwaltes für Handels- und Gesellschaftsrecht, Prof. Dr. Baumert der Sozietät der Rechtsanwaltsgesellschaft und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Schultze & Braun GmbH Achern, klären zu lassen.

Zu klären waren im Detail die Begriffe:

  1. Verwechslungsgefahr

  2. Orthopädie

  3. Diagnose

Die folgende Zusammenfassung zu den zu klärenden Begriffen habe ich im Namen von proOMT e. V. verfasst. Abschnitte in „…“ stellen Zitate aus der kurzgutachterlichen Stellungnahme dar und sind nur ein Teil des insgesamt 10-seitigen Textes vom 05.05.2021, der mir und der Redaktion vorliegt. Prof. Dr. Baumert betont, dass diese Stellungnahme in keiner Weise eine Rechtssicherheit in Bezug auf Rechtsverfahren darstellt. Ebenso wenig gibt es belastbare Aussagen der Verbände zu diesem Thema, daher können die folgenden Überlegungen nur eine deutliche Tendenz aufzeigen.

Punkt 1: Verwechslungsgefahr „Gemäß § 5 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) sind irreführende geschäftliche Handlungen, die geeignet sind, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, verboten. Irreführende Angaben über Befähigung, Status etc. sind nicht erlaubt. Nach § 5, Abs.2 UWG ist es generell so, dass eine geschäftliche Handlung, die im Zusammenhang von Dienstleistungen Verwechslungsgefahr mit einer anderen Dienstleistung hervorruft, verboten ist. Mit dem Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie (MPhG) wird bestimmt, dass die Berufsbezeichnung ,Physiotherapeut‘ bzw. ,Physiotherapeutin‘ lautet. Die Facharztbezeichnung für den Facharzt lautet ,Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie‘ und nicht nur ,Facharzt für Orthopädie‘. Die Werbung für eine ,Fachklinik für Orthopädie‘ ist z. B. unlauter und daher irreführend, wenn die leitenden Ärzte ausschließlich Fachärzte für Chirurgie und nicht für Orthopädie sind (OLG NJWE-WettbR1999, 76).“

Punkt 2: Orthopädie „Berufe, in denen der Begriff ,Orthopädie‘ entweder als Teilsubstantiv oder als Adjektiv verwendet wird, sind z. B. ,Orthopädieschuhmacher‘, ,Orthopädischer Schumacher‘ oder ,Orthopädiemechaniker‘. Damit ist im Ausgangspunkt von der Begrifflichkeit für Berufsbezeichnungen davon auszugehen, dass das Substantiv ,Orthopädie‘ jedenfalls in Ergänzung mit einem anderen Substantiv oder verwendet als Adjektiv von vorneherein nicht ein Alleinstellungsmerkmal für einen Arzt mit dem Tätigkeitsbereich ,Orthopädie‘ hat.“ Die o. g. Berufe führen auch im alltäglichen Sprachgebrauch nicht dazu, anzunehmen, ein Orthopäde führe diese Tätigkeit aus.

Punkt 3: Diagnose „Manuelle Therapie“ ist ein fester Bestandteil im Heilmittelkatalog und „MT“ eine allgemein anerkannte Abkürzung. Mit der Berufsausbildung zum Physiotherapeuten oder zur Physiotherapeutin, der Zusatzqualifikation MT und der Zusatzqualifikation OMT, immer gebräuchlicher auch OMPT, sind spezielle therapeutische Untersuchungsverfahren und therapeutische Diagnoseverfahren dokumentiert und standarisiert. Diese Diagnose ist selbstverständlich keine Diagnose im medizinisch ärztlichen Sinne.

Fazit Kann der Begriff „Orthopädische Manuelle Therapie“ als zusätzliche Berufsqualifikation in Verbindung mit der Berufsbezeichnung „Physiotherapeut*in“ also grundsätzlich lt. UWG zu einer Verwechslungsgefahr mit einer ärztlichen orthopädischen Dienstleistung führen? Prof. Dr. Baumert folgert in Bezug auf den ursprünglichen Firmierungswunsch „Praxis für orthopädische Manualtherapie“, dass „Orthopädie“ hier ja schon als Adjektiv verwendet wurde und sich auf das Substantiv „Manualtherapie“ bezieht. Die Verwechslungsgefahr könnte insoweit bestehen, „[…] dass der durchschnittliche Verbraucher mit dem Begriff ,Manualtherapie‘ nichts anfangen kann und damit durch das Adjektiv ,orthopädisch‘ meinen könnte, eine Orthopädische Manualtherapie wäre eine Tätigkeit eines Orthopäden. Da Orthopäden jedoch keine Therapien im physiotherapeutischen Sinne anbieten, ist das nach diesseitiger Auffassung nicht naheliegend.“

Wie kann eine eindeutige Firmierung nun am besten formuliert werden? Die Ergänzung von OMT zu OMPT bietet sicherere Möglichkeiten:

  • Praxis für Physiotherapie N. N.: Orthopädische Manuelle Therapie

  • Praxis N.N: Orthopädische Manual-Therapeutin/Orthopädischer Manual-Therapeut

  • Praxis für Orthopädisch-Manuelle Physiotherapie N. N.

Jörg-Peter Hasenburg, Dipl. Physiotherapeut (FH), OMT
jp-hasenburg@t-online.de



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Article published online:
18 May 2022

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