Diabetologie und Stoffwechsel 2022; 17(05): 319
DOI: 10.1055/a-1733-0065
Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

Baptist Gallwitz
,
Karsten Müssig
,
Robert A. Ritzel
,
Jochen Seufert
,
Cora Weigert

Sie werden im Behandlungsalltag sicher auch häufig gefragt, ob und wie es denn gelingen kann, einen Diabetes mellitus langfristig ganz ohne Medikamente zu behandeln. Viele Patientinnen und Patienten wünschen sich, gerade wegen des langfristigen Verlaufs eines Diabetes mellitus (= langfristige Einnahme von Medikamenten), nur mit Lebensstilmaßnahmen eine gute, stabile und sichere Einstellung des Glukosestoffwechsels und des Körpergewichtes zu erreichen. In diesen Gesprächssituationen kann eine kleine Studie aus den 80er Jahren (O’Dea et al. Diabetes 1984; 33: 596) als Hilfestellung benutzt werden. In dieser Studie wechselten n=10 Patienten mit einem Typ-2-Diabetes mellitus (australische Ureinwohner) von einem modernen, urbanen Lebensstil für 7 Wochen zurück in den traditionellen Lebensstil der australischen Ureinwohner als Jäger und Sammler. Antihyperglykämische Medikamente wurden abgesetzt. Die deutliche Verbesserung der Parameter des Stoffwechsels insgesamt sind verblüffend, und wird von den Autoren auf die vermehrte Bewegung bei der Nahrungssuche, eine fettarme Ernährung und eine Gewichtsabnahme zurückgeführt. Natürlich gibt es größere, kontrollierte und insbesondere längere Interventionsstudien zur Untersuchung verschiedener Strategien einer Lebensstilintervention. Aber diese Arbeit von 1984 zeigt plakativ auf, dass für eine gute Diabeteseinstellung ohne Medikamente möglicherweise langfristig eine so deutliche Änderung des Lebensstils notwendig wäre, die mit dem Leben in der Mitte unserer Gesellschaft kaum vereinbar ist. Daher werden von den Leitlinien auch Lebensstilmaßnahmen in Kombination mit Medikamenten empfohlen.

Passend zu diesem Thema wird in der vorliegenden Ausgabe von Diabetologie und Stoffwechsel in einer Originalarbeit von Frau Püschner und Kolleginnen untersucht, welchen Nutzen die Lebensstilintervention Dimini (Diabetes mellitus? Ich nicht!) in der hausärztlichen Praxis bei Personen mit einem hohen Risiko für einen Typ-2-Diabetes mellitus über einen Zeitraum von 15 Monaten hat. Günstig ist, dass Risikopersonen gut identifiziert werden können. Die Intervention selbst besitzt nach Einschätzung der Autoren jedoch nur einen „geringen positiven Effekt auf die Gewichtsreduktion“ (weniger als 1 Kilogramm nach 3 Monaten im Vergleich zur Kontrollgruppe). Die Lebensstilintervention umfasste das „gemeinsame Formulieren einer Zielvereinbarung (z.B. Gewichtsreduktion und körperliche Aktivität), ein Dimini-Startset bestehend aus Leitfaden, Lebensmittelliste, Tagebuch, Übungs- und Messband und einem Pedometer sowie regelmäßige Kontroll- und optionale Coaching-Termine“. In dieser Arbeit bestätigt sich also, dass eine langfristig wirksame Lebensstilintervention in Ergänzung zum normalen Lebensalltag vieler Menschen eine Herausforderung für das Gesundheitswesen bleibt und vielleicht mehr Schwerpunkte auf Gesundheitsförderung und Prävention gelegt werden sollte. Zu einem ähnlichen Fazit kommt auch der Beitrag von Herrn Ziegelasch und Kollegen, die sich die Frage stellen was in Deutschland bei der Behandlung von Menschen mit Diabetes mellitus schiefläuft.

In der aktuellen Ausgabe von Diabetologie und Stoffwechsel wird zudem in einem Positionspapier der aktuelle Stand der Analytik und klinischen Anwendung der Auto-Antikörper-Diagnostik in der Diabetologie besprochen. Ein Thema mit hoher klinischer Relevanz. Der CME-Beitrag behandelt den Stand der Insulinpumpentherapie in der Kinderdiabetologie und die Referate der diesjährigen DDG-Preisträger runden diese Ausgabe unseres Journals ab.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen dieser jüngsten Ausgabe von Diabetologie und Stoffwechsel,

Ihre Herausgeber



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Article published online:
13 October 2022

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