Phlebologie 2022; 51(02): 109-110
DOI: 10.1055/a-1773-6077
Gesellschaftsnachrichten
Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie

Berufspolitischer Kommentar zum Lymphletter von Anya Miller

Horst E. Gerlach
,
Jutta Schimmelpfennig

Liebe Leser*innen,

als ich den Brief von Kollegin Miller gelesen habe, empfand im ersten Moment alles in mir: ja richtig! Wir vernachlässigen die beschriebenen Patient*innen. Aber nach einigen Momenten der ruhigen Überlegung verdichtete sich in mir das Gefühl: diese alleinige Betrachtungsweise ist nicht richtig. Und in mir lief gedanklich der gemeinsame Entwicklungsweg der Phlebologie und Lymphologie noch einmal ab. Ich hatte das Gefühl, dies muss ich mit unserer 2. Vorsitzenden Jutta Schimmelpfennig besprechen, und wir kamen zur gleichen Einschätzung.

Kollegin Miller wie auch Erika Mendoza haben ganz richtig geschrieben: „Der Patient hat sich ja eigentlich bei einem versierten Kollegen/einer versierten Kollegin vorgestellt.“

Es ist über ein Jahrzehnt her, da hat der Berufsverband der Phlebologen auch die berufspolitischen Interessen der lymphologisch interessierten Kollegen vertreten, bis diese sich wieder auf einen eigenen Berufsverband einigen konnten. In dieser Zeit wurden auf Initiative des BVP einige Hundert Phlebolog*innen intensiviert im Lymphkonvent „C“, unter anderem unter Führung von Prof. Brenner, ausgebildet. Das führte auch zur verstärkten Betonung der lymphologischen Kenntnisse in der phlebologischen Zusatzweiterbildung. Und infolge auch zur entsprechenden Anpassung bei den Angiologen.

Es sind also mindestens 2 Fächer, die sich intensiviert um Lymphpatienten sorgen sollten. Und nach meinen Erfahrungen tun sie dies auch. Es ist zumindest in der Regel nicht so, wie Frau Miller schreibt, dass nur Venenerkrankungen diagnostiziert werden. Nein, es wird in aller Regel auch eine vernünftige Abklärung lymphologischer Ursachen von Extremitätenödemen vorgenommen. Denn dazu ist der Phlebologe/die Phlebologin in der Lage und ausgebildet. Sie werden auch einen ersten therapeutischen Weg weisen. Ich kann aber nicht den Anspruch erkennen, dass dieser Patient/diese Patientin dann eine Dauer- oder Regelversorgung in einer solchen Praxis fordern kann. Phlebologische oder angiologische Praxen sind als hochtechnisierte Praxen eingestuft, die ihr Geld mit der Auslastung ihrer Technik verdienen müssen! Nicht weil sie (die Praxisinhaber*innen) dies immer so wollten, sondern weil die GKV sie in ihren Wirtschaftlichkeitsanalysen so einstuft. Es wird eine Produktivität von 85% vorausgesetzt für den Arzt/die Ärztin, die aber nicht an Gesprächsleistungen gemessen wird. Und Gleiches gilt für die Auslastung der technischen Geräte. Wer je einmal den Verlauf von Verhandlungen mit der GKV oder PKV miterlebt hat, wie diese auf der Berechnung der Technikkosten/Raumnutzungskosten mit dieser Produktivität bestehen, der wird vielleicht noch eine persönlich positive Einstellung zum Ansinnen von Frau Miller aufbringen; aber als Verantwortliche/Verantwortlicher für eine Praxis kann sie/er das eigentlich nicht tolerieren. Und ich sehe auch nicht, wie und wo sich daran bald etwas ändern könnte: am ehesten noch in der Hausarztmedizin, die ja einen Ansatz zur sprechenden Medizin gefunden hat. Ich sehe unsere fachärztliche Aufgabe darin, diese Kolleg*innen mit klaren, begründeten Befundungen und Therapieanweisungen so auszustatten, dass damit die vom Gesetzgeber eingebauten Hürden einer Begutachtung der Therapiemaßnahmen durch den Medizinischen Dienst genommen werden können. Ggf. und abhängig von den lokalen Strukturen können von uns auch die Wiederholungsverordnungen der Heilmittelverordnungen außerhalb des Regefalls und die Hilfsmittelverordnungen vorgenommen werden, wenn dies seitens der GKV nur vom Spezialisten akzeptiert wird. Aber die notwendige persönliche mentale Betreuung der Betroffenen kann in den Fachpraxen so lange nicht geleistet werden, bis es in Fachpraxen eine Abrechnung spezifischer Gesprächsleistungen bei solchen Diagnosen gibt.

Also bitte: Verurteilen wir Kollegen und Kolleginnen, die nicht bereit sind/sein können, eine Dauerbegleitung von lymphologischen Patienten zu übernehmen, nicht voreilig!

Jutta Schimmelpfennig, Horst Gerlach



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Article published online:
13 April 2022

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