PSYCH up2date 2023; 17(01): 45-62
DOI: 10.1055/a-1814-6282
Schizophrenien und andere psychotische Störungen

Pathogenese der Schizophrenie(n)

Vladislav Yakimov
,
Peter Falkai
,
Elias Wagner

Bei Schizophrenie(n) handelt es sich um eine psychische Störung, die sowohl auf phänomenologischer als auch auf neurobiologischer Ebene durch ausgeprägte Heterogenität gekennzeichnet ist. Deren diagnostische Entflechtung würde zu einer präziseren Behandlung und Verbesserung der Prognose bei Menschen mit Schizophrenie führen. Hierfür benötigt man ein tieferes Verständnis über die pathophysiologischen Mechanismen der Schizophrenie(n).

Kernaussagen
  • Die Schizophrenie (oder „die Gruppe der Schizophrenien“) ist höchstwahrscheinlich keine einheitliche Störung, sondern eine heterogene Gruppe von Erkrankungen mit ähnlicher klinischer Präsentation, aber unterschiedlichen Ätiologien.

  • Im Rahmen der Schizophrenie interagieren genetische Risikovarianten (u.a. SNPs, CNVs) miteinander sowie mit Umweltfaktoren und modifizieren dadurch die Regulation und Expression von Zielgenen. Sie führen wahrscheinlich zu subtilen Störungen der frühen neuronalen Netzwerke und der synaptischen Organisation.

  • Die Dopamin-Hypothese besagt, dass eine Dysfunktion der dopaminergen Neurotransmission Positivsymptome verursachen kann. Dabei scheint ein Überschuss an Dopamin im Striatum eine zentrale Rolle zu spielen.

  • Zahlreiche Studien liefern indirekte und direkte Hinweise auf eine Beteiligung des NMDA-Rezeptors bei der Pathogenese der Schizophrenie. NMDA-Rezeptoren spielen eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der Balance zwischen exzitatorischen und inhibitorischen Neuronen im ZNS.

  • Sowohl diffuse Myelinabnormitäten als auch ein überschießendes synaptisches „Pruning“ sorgen möglicherweise für eine Dyskonnektivität der neuronalen Netzwerke und fehlerhafte Integration von Informationen.

  • Es gibt immer mehr Evidenz für die Beteiligung des angeborenen und erworbenen Immunsystems an der Pathogenese und Progression der Schizophrenie. Möglicherweise spielt eine Immundysregulation zumindest bei einem Teil der Betroffenen eine zentrale Rolle und trägt zu Positiv- und Negativsymptomatik sowie kognitiven Beeinträchtigungen bei.

  • Systemische Inflammation kann die Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke (BHS) erhöhen und dadurch das ZNS gegenüber zahlreichen Immunbestandteilen exponieren. Es gibt bei der Schizophrenie zunehmend Evidenz für eine Subpopulation an Patienten, die eine BHS-Störung aufweisen.



Publication History

Article published online:
11 January 2023

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