Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-1886-3285
Die Zukunft wieder erfinden?
Reinventing the future?Bei der Arbeit an diesem „Technikheft“ in der Angewandten Nuklearmedizin ist dem Autor dieser Zeilen wieder (!) einmal bewusst geworden, wie lange er schon in diesem Gebiet seinen Spaß im Dienst einer guten Sache hat. Gut, „Spaß“ ist vielleicht etwas flapsig formuliert, trifft aber durchaus den Kern. Als ich vor 30 Jahren in die Nuklearmedizin gewechselt bin, war die PET gerade dabei aus einem Forschungsgebiet in eine routinenahe Anwendung überzugehen, die SPECT hat begonnen sich mit der Schwächungskorrektur auseinanderzusetzen, und Therapie war die Domäne der Schilddrüse. Ich kam damals aus der experimentellen Kernspintomographie und hatte in Würzburg die Grenzen der funktionellen Bildgebung mit parametrischen T1 Maps ausgelotet. Bei meinen ersten Fragen in München, wie denn in der Nuklearmedizin die Gewebeperfusion gemessen wird, wurde mir dann schnell klar, dass der MR Ansatz dies mit Gadolinium-Chelaten zu versuchen eher der Verfügbarkeit der Substanz als der Notwendigkeit geschuldet war (bei der Gelegenheit hatte ich dann auch gelernt, dass in Würzburg eine durchaus bekannte universitäre Nuklearmedizin war). Meine Entscheidung in ein Fach zu wechseln, das von dem einen oder der anderen Kollegin als zum Aussterben verurteilt war, wurde durchaus belächelt.
Es entbehrt also nicht einer gewissen Ironie, dass ich drei Dekaden später ein Editorial schreibe, welches die aktuelle Iteration der Methoden- und Gerätegeneration beschreibt. Grob gesagt, hat sich alle zehn Jahre ein größerer Technologiesprung ereignet, mit dem sich unser Feld weiterentwickelt hat – um nicht das allzu große Wort des „Wiedererfindens“ zu verwenden: aus meiner Sicht sind das sicherlich die Radiochemie, die hybride Bildung, neue Detektortechnologien und innovative Therapien. Dieses „Technikheft“ setzt sich deswegen mit einigen dieser Themen auseinander, und es freut mich besonders, dass sich viele jüngere Kolleginnen und Kollegen bereit erklärt haben, Beiträge zu erstellen. Das ist bei der allerorten dünnen Personaldecke absolut keine Selbstverständlichkeit.
Die Beiträge zu den technischen Aspekten bildgebender Systeme werden von zwei Übersichtsarbeiten eingerahmt: das Heft beginnt mit einer Beschreibung des aktuellen Standes der Radiopharmazie, ohne die unser Feld nicht denkbar wäre und endet mit einer Einordnung der aktuellen Gerätesituation, ohne die all die Technik reichlich sinnlos wäre.
Die Radiopharmaka sind natürlich die Grundlage unseres Arbeitens: aber die Entwicklungen des letzten Jahrzehnts, die Wurzer et al. ausführen, haben mit der Verwendung von hochenergetischen Radioisotopen wie Ga-68, Isotopen mit geringer Gammakomponente wie Lu-177 oder Ac-225 oder Tracern wie PSMA mit – im Vergleich zur Vergangenheit – variablen Kinetiken oder hohen lokalen (unspezifischen) Anreicherungen in der Nähe von Zielstrukturen erhebliche Konsequenzen für die Bildgebung, die eine enge Zusammenarbeit erfordern. In diesem Kontext ist die präklinische Bildgebung relevant, die Moraitis et al. darstellen. Im Übergang zur klinischen Bildgebung stellt Christian Schütze dann die Qualitätssicherung bei Hybridsystemen dar, die nun seit bald zwei Jahrzehnten die Diagnostik im PET dominieren und im Bereich der SPECT sich einer zunehmenden Beliebtheit erfreuen: diese Integration von funktioneller und morphologischer Bildgebung ist wohl der entscheidende Schlüssel in der Agilität der Nuklearmedizin. Aber auch hier beobachten wir ein dynamisches Feld: Anja Braune setzt sich mit den Rekonstruktionsverfahren in der PET auseinander – ein Thema, das unser Feld ja schon lange beschäftigt und entscheidenden Einfluss auf Bildqualität, Reproduzierbarkeit und Quantifizierung hat. Die Protokoll- und Dosisoptimierung auf der CT-Seite, speziell in der Hybridbildgebung ist Gegenstand der Arbeit von Grosser et al. Kazek et al. beleuchten dann die Veränderungen, die sich für die aktuelle Generation der PET Systeme ergeben - das wohl relevanteste Ergebnis des PET/MR, nämlich digitale Detektoren, die im Gegensatz zu konventionellen Photomultipliern auch in hohen Magnetfeldern operieren. Deren hohe Zeitauflösung ermöglicht dann auch eine weitere Iteration in der nuklearmedizinischen Bildgebung. Diese methodischen Arbeiten werden dann von Julian Rogasch „eingerahmt“, der sich mit den Konsequenzen all dieser neuen Entwicklungen für die klinische Wirklichkeit auseinandersetzt.
Und, ganz ehrlich, die Nuklearmedizin ist sowieso viel lebhafter als ihr unterstellt wird: die eingangs erwähnten, parametrischen T1-Maps der quantitativen Kernspintomographie haben mehr als zwanzig Jahre gebraucht, um in die Routine einzuziehen und sich als wertvoller diagnostischer Parameter zu erweisen. Ein aus meiner Sicht entscheidender Anteil an dieser Agilität ist die interdisziplinäre Natur unserer Feldes – und wenn daran dieses Heft etwas mithelfen kann, haben die Mitwirkenden und der Autor das Ziel erreicht. Die Sache mit dem „Spaß“ basiert eben auch darauf, dass ich damals wie heute vom Kontakt mit anderen Feldern – inner- und außer-universitär – profitiere und gerade von den angewandten Fächern.
Publication History
Article published online:
16 August 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany