Psychiatr Prax 2022; 49(07): 391-392
DOI: 10.1055/a-1914-0235
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„Angewiesen zu sein ist nicht das Ende der Autonomie, sondern es ist die Bedingung dafür, dass man überhaupt leben kann“ – Psychoanalytische Beiträge zur Frage des assistierten Suizids

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Mit seinem Urteil zum Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) vom 26.02.2020 hat das Bundesverfassungsgerichts drei Leitsätze an den Anfang des Urteilstextes gesetzt: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben; das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und ist als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren; die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen. Damit gab das Bundesverfassungsgericht den Beschwerdeführern (bestehend aus schwer erkrankten Personen, die ihr Leben mit geschäftsmäßig angebotener Unterstützung Dritter selbst beenden wollen, Vereinen mit Sitz in Deutschland und in der Schweiz, die eine solche Unterstützung anbieten, deren organschaftlichen Vertretern und Mitarbeitern, in der ambulanten oder stationären Patientenversorgung tätigen Ärzten sowie in die Beratung über und in die Vermittlung von Suizidhilfe eingebundenen Rechtsanwälten) recht, die gegen das 2015 ausgesprochene Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid geklagt hatten. Das Gericht folgt damit im Kern, wie die beiden Herausgeber, Joachim Küchenhoff und Martin Teising, im Vorwort des Buchs „Sich selbst töten mit Hilfe Anderer“ aus dem Psychosozial-Verlag ausführen, großen Denkern wie Friedrich Nietzsche, Michel Foucault und Jean Améry, die den Suizid „als letzte und größte Freiheit des Menschen“ betrachteten und von einer „uneingeschränkten Selbstbestimmung des Einzelnen über sein Leben und sein Sterben“ ausgehen.



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Article published online:
05 October 2022

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