Diabetes aktuell 2022; 20(08): 353
DOI: 10.1055/a-1919-6548
Editorial

Sprache und Diabetes #LanguageMatters

Antje Bergmann
1   Dresden
,
Peter E.H. Schwarz
2   Dresden
› Author Affiliations

Bereits vor über 10 Jahren wurde in Australien das weltweit erste Positionspapier zum Thema Diabetes und Sprache veröffentlicht. Sprache ist wirksam, Sprache bewegt. Gerade bei chronischen Erkrankungen (wie Diabetes) ist die Kommunikation wichtig. Diese sollte Stigmatisierung vermeiden, Stereotype durchbrechen und Empathie als Grundlage bieten.

Aus diesem australischen Papier wurde nun in Kooperation mit der DDG, diabetesDE und #dedoc° für den deutschsprachigen Raum ein gut gelungenes Positionspapier erarbeitet und veröffentlicht. Die Autoren schreiben in der Einleitung: „Das Positionspapier soll weder belehren noch verbessern, sondern zur Reflexion über den bisherigen Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Diabetes anregen und aufzeigen, dass es Alternativen für einen reflektierten, nichtdiskriminierenden Sprachgebrauch gibt.“ Ein Beispiel sei genannt: wenn wir als Behandler davon reden, „den Diabetes (nicht) unter Kontrolle” zu haben, kann das implizieren, dass es ein hohes Maß an Willen benötigt, eben diese Kontrolle zu erreichen und im Umkehrschluss, ein entgleister, unkontrollierter, dekompensierter Diabetes vielleicht an einer fehlenden Willenskraft oder Engagement des einzelnen Patienten liegen kann. Viele Einflüsse auf den aktuellen Blutzuckerverlauf sind jedoch ursächlich für eine Dekompensation: Infekt, Hormonveränderungen, Gewichtsschwankungen, Krankheit, Stress usw. usw. Vorstellbar wäre, von der Diabetes-Therapie oder Behandlung zu sprechen statt von Kontrolle.

Wie frustrierend und demotivierend kann im gleichen Atemzug sein, als „Therapieversager” zu gelten. Dies ist in der Wahrnehmung mit mangelnder Leistung, dem „Versagen“ an sich, mangelnder Anstrengung verbunden. Eine auf der Sachebene formulierte Beschreibung, wie bspw. Blutzucker oder HbA1c-Anstieg unter der aktuellen Therapie klingt neutraler, wertungsfrei. Diese Beispiele zeigen, wie in den letzten Jahrzehnten Sprache im Umgang mit Patientinnen und Patienten, die an Diabetes mellitus erkrankt sind, genutzt wurde und welche möglichen Auswirkungen Sprache haben kann. Nachdenken anregen, Kommunikation bewusst einsetzen – dies ist das Anliegen des Positionspapieres #LanguageMatters.

Ihr P.E.H. Schwarz, Ihre A. Bergmann



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Article published online:
09 December 2022

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