Nervenheilkunde 2022; 41(12): 900-907
DOI: 10.1055/a-1944-8195
Schwerpunkt

Die Rolle von Religiosität und Spiritualität im Umgang mit der Erkrankung bei psychiatrischen Patienten in Kroatien und Bosnien und Herzegowina

The role of religiosity and spirituality to cope with the disease in psychiatric patients from Croatia, Bosnia and Herzegovina
Andrijana Glavas
1   Arbeitsbereich Caritaswissenschaft und christliche Sozialarbeit, Theologische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
2   Professur für Lebensqualität, Spiritualität und Coping, Fakultät für Gesundheit (Department für Humanmedizin), Universität Witten/Herdecke
,
Arndt Büssing
2   Professur für Lebensqualität, Spiritualität und Coping, Fakultät für Gesundheit (Department für Humanmedizin), Universität Witten/Herdecke
,
Klaus Baumann
1   Arbeitsbereich Caritaswissenschaft und christliche Sozialarbeit, Theologische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
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ZUSAMMENFASSUNG

Im Rahmen einer Querschnittserhebung in den Universitätskliniken von Zagreb (HR) und Sarajevo (BiH) unter Patienten mit PTBS und anderen Traumafolgeerkrankungen (TFE) sowie anderen psychischen Erkrankungen (n = 353) gehen wir der Frage nach, wie die Religiosität/Spiritualität (R/S) der Betroffenen und die empfundene Krankheitsbelastung zusammenhängen. Es zeigte sich, dass die Krankheitsbelastung bei Personen mit TFE signifikant höher war als mit anderen psychischen Erkrankungen. Zwischen ihnen besteht kein signifikanter Unterschied in der Nutzung ihrer R/S als Ressource im Umgang mit ihrer Erkrankung (SpREUK-Fragebogen). Die SpREUK-Faktoren unterscheiden sich jedoch signifikant in Abhängigkeit von der Behandlungsdauer. Wer nicht aktiv am Krieg teilnahm suchte weit mehr nach einer spirituellen Ressource, hatte größeres religiöses Vertrauen und sah Krankheit deutlich eher als eine Chance für (mögliche) Veränderung im eigenen Leben als die Kriegsteilnehmer. Bei Personen mit TFE-korreliert die Stärke der Krankheitsbelastung moderat (r > 0,40) mit allen 3 SpREUK-Faktoren, wohingegen dies nur schwach bei Personen mit anderen psychisch Erkrankten der Fall ist. Bei aktiver Kriegsteilnahme korreliert eine höhere subjektive Krankheitsbelastung ähnlich (moderat) mit einer stärkeren Suche und mehr religiösem Vertrauen in, schwächer hingegen mit der Reflexion. Die Rolle der R/S im Umgang mit der eigenen Erkrankung kann zeitlichen und biografischen Schwankungen bzw. dynamischen Entwicklungen unterliegen, bedeutet aber für die meisten eine bedeutsame Ressource. Ihre Beachtung im therapeutischen Prozess birgt über die beiden Länder hinaus Potenziale für Public Health.

ABSTRACT

Within a cross-sectional study among patients with post-traumatic stress disorders or enduring personality change after catastrophic experience and with other mental and behavioral disorders (n = 353) in treatment at the psychiatric and psychotherapeutic wards of the University Hospitals at Zagreb (Croatia, HR) and Sarajevo (Bosnia and Herzegovina, BiH) we ask about the association of their religiosity and spirituality (R/S) with their subjective burden of disease. The subjective burden was significantly higher in patients with trauma related disorders rather than other psychiatric disorders. They do not differ, however, in using R/S as a resource to cope with their disease (SpREUK-scale). SpREUK-factors do differ significantly with regard to treatment duration and to active participation in the Balcan war or less. Patients with trauma related disorders have shown a moderate correlation (r > 0.40) of their subjective burden with all three of the SpREUK-factors (search for meaning, trust, reflection: positive re-interpretation of disease) in contrast to weak correlations among other psychiatric disorders. In patients who actively participated in the war, higher subjective burden has been similarly (moderately) associated with more search for meaning and religious trust and less though with reflection. Even though the role of R/S in coping with disease is subject to temporary and biographic changes and dynamic developments, for most patients it is an important resource. Taking care of R/S in treatment seems promising for patients and for public health.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
01. Dezember 2022

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