PPH 2023; 29(01): 51
DOI: 10.1055/a-1966-8053
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Wann suchen sich Menschen mit Depression Hilfe?

Stiftung Deutsche Depressionshilfe

Es vergehen im Schnitt 20 Monate, bis sich Menschen mit einer depressiven Erkrankung Hilfe suchen. Das zeigt das 6. Deutschland-Barometer Depression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention. Die Befragung untersucht jährlich Einstellungen und Erfahrungen zur Depression in der erwachsenen Bevölkerung, in diesem Jahr insbesondere die Behandlungssituation. Befragt wurde im September 2022 ein repräsentativer Bevölkerungsquerschnitt aus 5050 Personen zwischen 18 und 69 Jahren. Die Studie wird gefördert von der Deutsche Bahn Stiftung gGmbH.

Über alle befragten Betroffenen hinweg dauert es durchschnittlich 20 Monate, bis sich Menschen mit Depression Hilfe suchen. Dabei gibt es große Unterschiede: Ein Drittel aller Betroffenen sucht sich sofort Hilfe. Bei 65 % hat es hingegen länger gedauert, bis sie professionelle Unterstützung in Anspruch genommen haben – im Schnitt 30 Monate.

Wenn sich die Betroffenen Hilfe suchen, wenden sie sich mehrheitlich zunächst an den Hausarzt (51 %). Jeder vierte Patient (25 %) geht direkt zum Facharzt und 19 % als erstes zum Psychotherapeuten. Heilpraktiker geben nur 0,7 % der Befragten mit Depression als erste Anlaufstelle an. In der Befragung berichten die Betroffenen rückblickend jedoch von wochenlangen Wartezeiten, ehe eine Behandlung beginnen konnte. So gaben die Betroffenen an, im Schnitt zehn Wochen auf ein Erstgespräch beim Psychotherapeuten gewartet zu haben, bei Fachärzten im Schnitt acht Wochen. Durchschnittlich fünf Therapeuten mussten die Betroffenen nach eigener Erinnerung kontaktieren, ehe sie einen Termin bekamen.

Gemäß der Nationalen Versorgungsleitlinie sind Medikamente und/oder Psychotherapie die beiden wichtigsten Behandlungssäulen bei Depression. Von den Befragten, die aktuell erkrankt sind, bekommen 62 % Medikamente und 48 % Psychotherapie, 35 % erhalten eine Kombination aus beidem. Dabei erleben die Betroffenen beides als wirksam: Psychotherapie empfinden 85 % der befragten Depressionspatienten als hilfreich oder eher hilfreich, bei Medikamenten sind es 80 %.

Selbsthilfegruppen werden von 8 % der Betroffenen besucht. Digitale Gesundheitsangebote nutzen bisher nur 7 % der an Depression erkrankten Menschen, 26 % hatten dagegen noch nichts von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) gehört. Insgesamt empfanden über zwei Drittel der befragten Menschen mit einer Depression (68 %) die leitlinienkonformen und vielen alternativen Behandlungsangebote als „Dschungel“, in dem es schwer sei, einen Überblick zu bekommen. Weitere Aufklärungsarbeit ist deshalb nötig.

9 % nutzen alternative, nicht-evidenzbasierte Verfahren wie Homöopathie, Heilsteine oder Darmreinigung und geben dafür jährlich im Schnitt 227 Euro aus. Als Hauptgrund wird genannt, selbst etwas zu der Behandlung beitragen zu wollen (57 %), aber auch lange Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz oder Zweifel an der Schulmedizin spielen eine Rolle (je 19 %).

Insgesamt ist den Befragten wichtig, dass es für den gewählten Behandlungsweg wissenschaftliche Wirksamkeitsbelege (Evidenz) gibt. So gaben 78 % der Befragten mit Depression an, dass ihnen wissenschaftliche Wirksamkeitsbelege bei der Wahl der Behandlung wichtig seien. Mehr zur Nationalen Versorgungsleitlinie Depression unter: www.leitlinien.de/themen/depression.



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Article published online:
31 January 2023

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