Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(06): 636-640
DOI: 10.1055/a-1998-8361
GebFra Magazin
Geschichte der Gynäkologie

Nichthabilitierte kamen selten zum Zuge (Ehrenmitgliedschaften Teil 1)

Die DGG-Ehrenmitgliedschaften bis 1956 unter formalen Gesichtspunkten
Wolfgang Frobenius

Die Verleihung von Ehrenmitgliedschaften hat in den großen medizinischen Fachgesellschaften Deutschlands eine lange Tradition. Für einige von ihnen beginnt sie bereits kurz nach ihrer Gründung im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts [1]. Die seinerzeitige Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie (DGG) [2], 1885 ins Leben gerufen, schloss sich dieser Praxis erst 1911 an. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie bereits das 25-jährige Jubiläum der von ihr ab 1886 veranstalteten Kongresse feiern.

Ungeachtet ihrer Bedeutung für die ausgezeichneten Individuen und das auszeichnende Kollektiv wurden Ehrenmitgliedschaften in der Historiografie lange als schmückendes Beiwerk für überwiegend hagiografische Lebensbeschreibungen gering geachtet. Neuerdings erfreuen sie sich allerdings zunehmenden Interesses [3]. Im Gegensatz zu Preisen würdigen sie nicht nur die wissenschaftliche Leistung der Ausgezeichneten, sondern die Gesamtpersönlichkeit und deren Ansehen innerhalb des Kollektivs. Dies wiederum spiegelt bis zu einem gewissen Grad dessen Eigenwahrnehmung und Positionierung innerhalb der nationalen und internationalen Scientific Community, der Zivilgesellschaft sowie eines politischen Systems. Aus der Betrachtung ihrer Ehrenmitgliedschaften kann sich daher auch für die DGGG eine zusätzliche Perspektive für den Blick auf die eigene Historie ergeben.

Hintergrund

Ehrenmitgliedschaften der DGG bis 1956 im historischen Rückblick

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) hat in ihrer nunmehr fast 140-jährigen Geschichte bisher mehr als 160 Ehrenmitgliedschaften verliehen. Zu den Ausgezeichneten zählen seit 2002 auch 7 Frauen. Die Namen der Geehrten sind unter dem Rubrum „Die Geschichte der DGGG“ auf der Homepage der Gesellschaft aufgelistet. Sie macht damit deutlich, dass die DGGG die Ehrenmitgliedschaften als wichtigen Teil ihrer Historie und ihres Selbstverständnisses betrachtet. Da viele der Persönlichkeiten hinter den Namen vergessen sind oder nur noch mit Eponymen wie „Hegar-Stifte“ oder „Kaufmann-Schema“ in Verbindung gebracht werden, sollen ab dieser Ausgabe ausgewählte Ehrenmitgliedschaften in ihrem historischen Kontext im Rahmen einer Artikelserie ausführlicher vorgestellt werden. Sie wird den Zeitraum von der Gründung der Gesellschaft 1885 im Kaiserreich bis ins geteilte Nachkriegsdeutschland 1956 umfassen. Am Anfang steht eine formale Betrachtung der Verleihungen.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
06. Juni 2023

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  • Literatur und Anmerkungen

  • 1 Beispiele sind die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde (jetzt: für Kinder- und Jugendmedizin, DGKJ), die erstmals 1891 Ehrenmitglieder ernannten. Vgl. Anm. 3
  • 2 Die Geburtshilfe wurde erst 1974 in den Namen der Gesellschaft aufgenommen. Im vorliegenden Text ist von der DGG die Rede, wenn der Zeitraum zuvor thematisiert wird. Später: Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)
  • 3 Dies gilt in der Medizin vor allem für Ehrenmitgliedschaften im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus. Hierzu etwa im Internet (Stand 13.12.2022) die DGKJ (https://www.dgkj.de/die-gesellschaft/geschichte/ehrenmitglieder) und die DGIM (https://www.dgim.de/mitglieder/ehrenmitglieder/) sowie die DGHO (Voswinckel, Peter. Die Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie im Spiegel ihrer Ehrenmitglieder 1937–2012. Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie. Berlin 2012. Ein aktuelles Forschungskonzept zu Ehrungen generell bieten: Dietmar von Reeken/Malte Thießen (Hrsg.). Ehrregime. Akteure, Praktiken und Medien lokaler Ehrungen in der Moderne. Göttingen: V&R unipress; 2016
  • 4 Ludwig H. Zwischen Ritual und Anerkennung. Über Ehrungen in der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Gynäkologe 2014; 47: 706-712
  • 5 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.. Ehrenmitglieder. Zugriff am 13. Dezember 2022 unter: https://www.dggg.de/die-dggg/geschichte/ehrenmitglieder
  • 6 Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, dreizehnte Versammlung, abgehalten zu Strassburg Els. am 2.–5. Juni 1909 [Geschäftliche Mitteilungen]. Fehling H, Pfannenstiel J, Schickele G. Leipzig: Johann Ambrosius Barth; 1909
  • 7 National Library of Medicine. Hermann Fehling. Zugriff am 13. Dezember 2022 unter: http://resource.nlm.nih.gov/101414357
  • 8 Vgl. Arch Gynäkol 1957; 189 [im Anschluss an das Sachverzeichnis des Bandes mit neuer Paginierung]: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, einunddreißigste Versammlung, abgehalten zu Heidelberg vom 18. bis 22. September 1956, B. Geschäftlicher Teil, hrsg. von H. Runge und H. Naujoks, VI
  • 9 So konnte August Mayer 1935 bei seinem Kongress die Ernennung von Heinz Kupferberg gegen den damals die deutsche Gynäkologie dominierenden Berliner Ordinarius Walter Stoeckel durchsetzen. Nachlass Mayer, Universitätsarchiv Tübingen, 150/33,41: Korrespondenz Mayer mit Stoeckel (Stoeckel am 11.9.1935 an Mayer; Mayer am 11.10.1935 an Stoeckel)
  • 10 National Library of Medicine. Bernhard S. Schultze. Zugriff am 13. Dezember 2022 unter: http://resource.nlm.nih.gov/101428409
  • 11 Zu Freund und seiner Rolle bei der Gründung der DGGG: Ludwig H. Zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. In: Beck L, Hrsg. Zur Geschichte der Gynäkologie und Geburtshilfe. Berlin u. a.: Springer; 1986: 9–26. Ferner: Ebert AD. Jüdische Hochschullehrer an preußischen Universitäten (1870–1924). Eine quantitative Untersuchung mit biografischen Skizzen. Berlin: Mabuse; 2008; 107–118
  • 12 Freund WA. Leben und Arbeit. Berlin: Julius Springer; 1913
  • 13 Zu Stieve: Schagen U. Die Forschung an menschlichen Organen nach „plötzlichem Tod“ und der Anatom Hermann Stieve (1886–1952). In: Rüdiger vom Bruch, Hrsg. Die Berliner Universität in der NS-Zeit. Band 2: Fachbereiche und Fakultäten (unter Mitarbeit von Rebecca Schaarschmidt). Stuttgart: Steiner; 2005, 35–54; zu Hinselmann: Frobenius W/Dross F. „A Revolution in Favor of Reproduction“? Gynecology and Obstetrics in the “Third Reich”. Gynecol Obstet Invest 2020; 85: 472–500. DOI: 10.1159/000514829
  • 14 Es handelte sich um Otto Küstner (1849–1931), der 1922 kurz vor der Emeritierung stand. Möglicherweise wollte ihn der Vorstand für eine kriegsbedingt ausgebliebene Ernennung zum Präsidenten entschädigen (hierzu wie Anm. 15, 13)
  • 15 Bumm E, Martin E, Sigwart W. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, sechzehnte Versammlung, abgehalten zu Berlin am 26.–29. Mai 1920, Zweiter Teil: Sitzungsbericht. Leipzig: Johann Ambrosius Barth; 1921: 6
  • 16 Arch Gynäk 1931; 144: LI–LII
  • 17 Arch Gynäk 1942; 173: 9