MSK – Muskuloskelettale Physiotherapie 2023; 27(02): 57
DOI: 10.1055/a-2013-4728
Editorial

Graduierte Denkanstöße

Sebastian Löscher

Die meisten von uns kennen die Situation nach einem Inversionstrauma: In den ersten Tagen können wir kaum richtig auftreten und humpeln meist durch die Gegend. Je weiter die Heilung der Verletzung voranschreitet, desto geringer werden die Beschwerden und desto belastbarer wird die verletzte Region. Der Verlauf der Rehabilitation ist in etwa vorhersehbar und es gibt einen recht klaren Zusammenhang zwischen der Progression der Belastbarkeit und dem Heilungsverlauf.

Aber was tun, wenn Beschwerden nicht mehr im direkten Zusammenhang mit einer Gewebeverletzung stehen? In diesem Fall bleiben der humpelnde Gang und die Symptome bestehen, obwohl das Gewebe diesen Schutz in diesem Ausmaß nicht mehr benötigen würde. Die Gründe für das Persistieren von Beschwerden sind vielseitig und wahrscheinlich u. a. auch auf einer verhaltensorientierten Ebene zu suchen [1]. Daher wird seit längerer Zeit vorgeschlagen, dass auch Physiotherapeut*innen verhaltensorientierte Therapieansätze in ihre Interventionen miteinfließen lassen [2]. Dabei geht es beispielsweise nicht um das Training an sich, sondern vielmehr um das Verhalten der Patient*innen während und nach einer Aktivität.

Welche Faktoren mitunter dazu führen können, dass Beschwerden länger persistieren als es zu erwarten wäre, beschreiben Christoph Schwertfellner und Jonas Weber in ihrem Einführungsartikel. Neben der theoretischen Aufarbeitung werden in dieser Ausgabe drei anwendbare Modelle für das klinische Setting in der Rehabilitation bei chronischen muskuloskelettalen Beschwerden vorgestellt: Graded Activity, Exposure in vivo und Graded Balance. Ich freue mich wirklich sehr, dass wir dafür ein internationales Expert*innenteam gewinnen konnten, die jeweils ihre Expertise nicht nur in einem Vertiefungsartikel, sondern auch anhand von Praxisbeispielen vermitteln.

Freuen Sie sich auf Artikel von der australischen Physiotherapeutin Martina Egan Moog zu Graded Activity, den belgischen Forscher*innen Prof. Dr. Liesbet de Baets und Prof. Dr. Thomas Matheve zu Exposure in vivo und der Begründerin des Graded Balance Modells Prof. em. Dr. Monika Hasenbring zusammen mit Kollegin Dr. Claudia Levenig.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und hilfreiche Denkanstöße für den ein oder anderen Patienten.

Ihr Sebastian Löscher



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Article published online:
22 May 2023

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