Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(08): 892-896
DOI: 10.1055/a-2026-0336
GebFra Magazin
Geschichte der Gynäkologie

„Rassenverbesserung“ vs. Schutz „kümmerlicher Existenzen“ (Ehrenmitgliedschaften Teil 2)

DGG-Ehrenmitgliedschaften im Kaiserreich – von Anfang an international aufgestellt
Wolfgang Frobenius

Beim Kongressjubiläum 1911: die ersten Ehrenmitglieder

Als 1911 in München noch in der Wilhelminischen Ära des Deutschen Reiches die ersten 11 Ehrenmitglieder der seinerzeitigen Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie (DGG) ernannt wurden, fiel dies mit dem 25-jährigen Kongressjubiläum der 1885 in Straßburg gegründeten Fachgesellschaft zusammen. Der damalige Präsident, Albert Döderlein, nutzte den Anlass, um in seiner Eröffnungsrede an Details der nicht unumstrittenen Ausgründung der DGG aus der Gynäkologischen Sektion der Versammlung der Deutschen Naturforscher und Ärzte zu erinnern [1]. Im Ergebnis, so resümierte er, habe sich die Sorge vor einer Isolation des Faches innerhalb der medizinischen Wissenschaften als unbegründet erwiesen [2].



Publication History

Article published online:
15 August 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
  • Literatur und Anmerkungen

  • 1 Die ersten „Verhandlungen“ der seinerzeitigen DGG fanden ein Jahr später in München statt. Hierzu: Ludwig H. Zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. In: Beck L, Hrsg. Zur Geschichte der Gynäkologie und Geburtshilfe. Aus Anlaß des 100jährigen Bestehens der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Springer: Berlin u. a.; 1986: 9–26. – Die gynäkologische Sektion der „Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte“ war eine Vorläuferin der DGG; Letztere hat die Geburtshilfe erst 1974 in ihren Namen aufgenommen (dann DGGG).
  • 2 Döderlein A. Eröffnungsrede. In: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, vierzehnte Versammlung, abgehalten zu München am 7.–10. Juni 1911. Leipzig: Johann Ambrosius Barth; 1911: 2-14
  • 3 Veit J. [Eröffungsrede und geschäftliche Mitteilungen]. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, fünfzehnte Versammlung, abgehalten zu Halle a. S. am 14.–17. Mai 1913. Zweiter Teil: Sitzungsbericht. Erste Sitzung. Leipzig: Johann Ambrosius Barth; 1914: 2-23
  • 4 Frauen war im Deutschen Reich erst ab 1908 (Reichsvereinsgesetz) die Mitgliedschaft in Vereinen erlaubt. In den Mitgliederlisten der DGG wurden erstmals 1922 zwei Frauen geführt.
  • 5 Gemeint sind hier außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches zwischen 1871 und 1918 tätige Mediziner. Zu Ausländern in der DGG: Dross F, Frobenius W, Thum A et al. „Ausführer und Vollstrecker des Gesetzeswillens“ – die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie im Nationalsozialismus. Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76(S01): S69–S73 DOI: 10.1055/s-0042-110591.
  • 6 Fehling H. et al. [Geschäftsbericht und Diskussion]. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, dreizehnte Versammlung, abgehalten zu Strassburg im Els. am 2.–5. Juni 1909. Leipzig: Johann Ambrosius Barth; 1909: 20-25
  • 7 Ludwig Ferdinand, königlicher Prinz von Bayern. Zur Anatomie der Zunge. Eine vergleichend-anatomische Studie. München: Literarisch-Artistische Anstalt (Theodor Riedel); 1884. – Ludwig Ferdinand ist auch Mitglied der Leopoldina (1886) und Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (1894).
  • 8 Döderlein A. Eröffnungsrede. In: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, vierzehnte Versammlung, abgehalten zu München am 7.–10. Juni 1911. Leipzig: Johann Ambrosius Barth; 1911: 3
  • 9 David M. August Martin (1847–1933). In: David M, Ebert AD. Berühmte Frauenärzte in Berlin. Zu Martin u. a.: Frankfurt a. M.: Mabuse; 2007: 67-75
  • 10 Walthard M, Martin A. Peter Müller [Nachruf]. Monatsschr Geburtshilfe Gynäkol 1923; 62: 211-213
  • 11 Müller P, Simpson A. Verhandlungen der gynäkologischen Section der 56. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Freiburg i. Breisgau. Arch Gynäk 1884; 22: 99-182 Hier S. 99–102 und 109–113. Als die Sektio noch mit extrem hoher Mortalität belastet war, stellte in geburtsunmöglichen Situationen die Zerstückelung des Feten die einzige Möglichkeit dar, das Leben der Mutter zu retten DOI: 10.1007/BF01681570.
  • 12 Obituary. Sir Alexander Russel Simpson. Br Med J [Anonym]. 1916; 1: 572-574
  • 13 National Library of Medicine. [Alexander R. Simpson]. Accessed May 09, 2023 at: http://resource.nlm.nih.gov/101429018
  • 14 National Library of Medicine. Pinard (Adolphe). Accessed May 09, 2023 at: http://resource.nlm.nih.gov/101426328
  • 15 Dunn PM. Adolphe Pinard (1844–1934) of Paris and intrauterine paediatric care. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2006; 91: F231-F232 DOI: 10.1136/adc.2005.074518.. (PMID: 16632653)
  • 16 Vgl. z. B. Baskett TF. Eponyms and Names in Obstetrics and Gynecology. Third edition. Cambridge: Cambridge University Press; 2019; Speert H. Obstetric & Gynecologic Milestones Illustrated. 2nd. edition. New York/London: Parthenon Publishing; 1996; O’Dowd MJ/Philipp EE. The History of Obstetrics and Gynaecology. New York/London: Parthenon Publishing; 1994.
  • 17 Hansson N, Halling T, Moll F. et al. Deutsche Nobelpreiskandidaten in der Gynäkologie 1901–1920. Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77: 247-250 Küstner war von 1893–1923 Ordinarius in Breslau. DOI: 10.1055/s-0042-115856.
  • 18 Schultze BS. Erklärungen zu den „Wandtafeln zu Schwangerschafts- und Geburtskunde“. Jena: Gustav Fischer; 1892. Vor seiner Karriere in der Frauenheilkunde, die 1856 mit der Habilitation bei Dietrich Wilhelm Heinrich Busch (1788–1858) in Berlin begann, war Schultze in Greifswald Privatdozent für Anatomie und Physiologie.
  • 19 Schultze BS. Lehrbuch der Hebammenkunst. Leipzig: W. Engelmann; 1860
  • 20 Schultze BS. Der Scheintod Neugeborener: Sendschreiben an Herrn Dr. C. Ludwig. Jena: Mauke; 1871
  • 21 Hegar A, Kaltenbach R. Die operative Gynäkologie mit Einschluss der gynäkologischen Untersuchungslehre. Erlangen: Enke; 1874
  • 22 Köper G. Literatur. In: Der Gynäkologe Alfred Hegar (1830–1914). Leben und Werk [Diss med.]. Regensburg: Univ. Regensburg; 2017. DOI: 10.5283/epub.36712
  • 23 Hierzu Seidler E. Historische Aspekte des Frauenbildes bei Frauenärzten. In: Dmoch W, Stauber M, Beck L, Hrsg. Psychosomatische Gynäkologie und Geburtshilfe 1989/90. Berlin u. a.: Springer; 1990, 7–15; derselbe: Die Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Grundlagen und Entwicklungen. Berlin u. a.: Springer; 1993: 218–221; Hulverscheidt MA. Alfred Hegar (1830–1914). In: Sigusch V, Grau G. Personenlexikon der Sexualforschung. Frankfurt/New York: Campus; 2009: 268–271; Köper G. Der Gynäkologe Alfed Hegar (1830–1914). Leben und Werk [Diss Med.]. Regensburg: Univ. Regensburg; 2017. Die einschlägigen Schriften Hegars sind den Literaturverzeichnissen der genannten Arbeiten zu entnehmen.
  • 24 Seidler 1990, S. 12 (wie Anm. 21).
  • 25 Stadtarchiv Freiburg. Abschlussbericht der Kommission zur Überprüfung der Freiburger Straßennamen vom 18.03.2016. Accessed May 09, 2023 at: https://www.freiburg.de/pb/site/Freiburg/get/params_E1625727966/1028363/Strassennamen_Abschlussbericht.pdf ferner: Die Hegarstraße wurde umbenannt in Hilde-Mangold-Straße per Gemeinderatsbeschluss am 15.05.2018.
  • 26 National Library of Medicine. Alfred Hegar. Accessed May 09, 2023 at: http://resource.nlm.nih.gov/101417645
  • 27 Hegar A. Zur Entstehung und Verhütung der Frauenkrankheiten. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie. Dritter Kongress, abgehalten zu Freiburg i./B. vom 12.–14.Juni 1889. Leipzig: Johann Ambrosius Barth; 1890: 27
  • 28 Zur fachlichen Einordnung von Fritsch: Ebert AD, David M. Heinrich Fritsch und der Bauchdeckenhalter. Geburtshilfe Frauenheilkd 2012; 72: 114–115. Ferner: Stoeckel W. Heinrich Fritsch. Zentralbl Gynäkol 1915; 39: 491–522
  • 29 Zur Biografie von Heusler-Edenhuizen: Bleker J, Schleiermacher S. Ärztinnen aus dem Kaiserreich. Lebensläufe einer Generation. Weinheim: Beltz, Deutscher Studienverlag; 2000. – H.-E. wurde zwar nie als Mitglied der DGG geführt, trat aber zumindest beim Kongress 1933 öffentlich in Erscheinung, indem sie erfolgreich die Berücksichtigung des weiblichen Geschlechts in der Satzung einforderte (§ 3) (wie Anm. 5, S68).
  • 30 Hermine Heusler-Edenhuizen. Die erste deutsche Frauenärztin [Autobiografie]. Opladen: Leske + Budrich; 1997: 81, 84, 88. Geburtshilfliche Fortbildungen für in der Schweiz ausgebildete Ärztinnen hatte zuvor allerdings schon Franz v. Winckel 1875 als damaliger Direktor der Königl. Frauenklinik Dresden angeboten, z. B. für Emilie Lehmus (1841–1932). Eine erste verbindliche Definition des Facharztes bzw. der Fachärztin gab es in Deutschland ab 1908: Bleker/Schleiermacher, wie Anm. 26, S. 101 u. 272.
  • 31 Von Franz v. Winckel sind z. B. zahlreiche berufliche Auslandsreisen – auch in die USA – bekannt. Döderlein bildete sich zu Beginn seiner Laufbahn in Paris und London fort.
  • 32 Vgl. Verleihung der Ehrenmitgliedschaften 1920: Ernst Bumm sprach hier davon, dass die Ausgezeichneten „die Bürde ihres Amtes niedergelegt“ hätten, „aber mit Leib und Seele noch bei unserer Sache sind.“ Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, sechzehnte Versammlung, abgehalten zu Berlin am 26.–29. Mai 1920. Leipzig: Johann Ambrosius Barth; 1921: 6. Bei Ausländern nahm man es damit offensichtlich nicht so genau: Pinard wurde ein Jahr vor seiner Emeritierung geehrt.
  • 33 Werth R. EröffnungsredeVerhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, elfte Versammlung, abgehalten zu Kiel am 13.–17. Juni 1905. Leipzig: Johann Ambrosius Barth; 1906: 5-12
  • 34 Seidler 1990, S. 12 (wie Anm. 22)