Transfusionsmedizin 2023; 13(02): 67-68
DOI: 10.1055/a-2035-6671
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Kommentar

Hospitalisierte Patient/-innen erleiden, vor allem auf der Intensivstation, regelmäßige Blutabnahmen für Blutwertkontrollen. Ärzt/-innen und Pflegekräfte orientieren an diesen Laborergebnissen individuelle Entscheidungen zum weiteren Vorgehen. Durch diese Kontrollen verlieren die Patient/-innen aber regelmäßig kleine Mengen Blut, welche in ihrer Summe nicht selten unterschätzt werden. Kumulative Blutverluste begünstigen jedoch die Entstehung einer Anämie und erfordern früher oder später Fremdbluttransfusionen. Zur Vermeidung iatrogener Blutverluste sowie zur allgemeinen Steigerung der Patientensicherheit durch blutsparendes Arbeiten, dem richtigen Umgang mit Bluttransfusionen, der Korrektur einer Anämie sowie dem Management von Gerinnungsstörungen hat sich seit 2011 das Konzept Patient Blood Management (PBM) etabliert. PBM erarbeitet verschiedene Möglichkeiten für Krankenhäuser, wie die oben genannten Themen realistisch, schrittweise in den intensivmedizinischen Alltag integriert werden können, zum Beispiel weniger Blutabnahmen, kleinere Blutröhrchen und auch die Verwendung geschlossener Blutentnahmesysteme. [1]

Die ENCLOSE- Studie beschäftigt sich mit eben solchen geschlossenen Entnahmesystemen. Sie zeigt, dass durch die Verwendung dieser Maßnahmen die Menge des irreversibel entnommenen Blutes erheblich, um bis zu 50%, reduziert werden kann.

Damit bieten die Autoren eine realistische Möglichkeit, blutsparend zu arbeiten und damit die Patientensicherheit zu erhöhen. Da die geschlossenen Systeme an einen arteriellen Katheter angeschlossen werden, ergibt sich, zumindest für Patient/-innen auf der Intensivstation, eine praxisnahe Option der Umsetzung, denn häufig verfügen intensivpflichtige Patient/-innen über einen solchen arteriellen Katheter.

Überraschenderweise zeigen die Studienpatient/-innen der Interventionsgruppe trotz verminderten Mengen täglich entnommenen Blutes keine signifikante Verbesserung des Hämoglobinwertes bzw. Reduktion des Transfusionsbedarfs im Vergleich zur Kontrollgruppe. Wahrscheinlich ist dies am ehesten durch die kurze Verweildauer auf der Intensivstation zu begründen. Der Nutzen von blutsparenden Entnahmesystemen wirkt sich kumulativ aus: je länger der Intensivstationsaufenthalt, desto größer der bluteinsparende Effekt.

Besonders interessant ist in der Studie auch der Verweis auf weitere positive Effekte der Umstellung. Zum Beispiel wird bei weniger Verbrauch von Blutabnahmespritzen Krankenhausmüll reduziert bzw. vermieden, und das bei geringeren Kosten.

Einzelne Detailfragen lassen die Autoren der Studie jedoch offen. Leider wird die Verwendung der geschlossenen Systeme immer auch mit gleichzeitiger Verwendung verkleinerter Blutröhrchen betrachtet, ohne dass klar ist, welche verkleinerten Röhrchen tatsächlich verwendet wurden.

In den vergangenen Jahren wurde wiederholt gezeigt, dass PBM effektiv in den klinischen (Intensiv-)Alltag integriert werden kann. Beispielsweise konnten Riessen und Kollegen die Menge des entnommenen Blutes auf der Intensivstation von 43,3ml auf 15,0 ml pro Tag pro Patient/-in deutlich reduzieren, was wiederum mit einem geringen Verbrauch an Blutprodukten einherging. [2]

Unser Fazit für den klinischen Alltag lautet daher: Jeder Tropfen zählt!



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Article published online:
11 May 2023

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