Im OP 2023; 13(04): 204-205
DOI: 10.1055/a-2051-1640
Themen

Themen

Krankenhaus-Fallzahlen: Rückgang 2022 noch größer als in den ersten beiden Pandemie-Jahren

Wissenschaftliches Institut der AOK

Die Zahl der somatischen Krankenhaus-Fälle in Deutschland ist 2022 im Vergleich zum Jahr 2019 um 15 Prozent gesunken – und damit noch stärker als 2020 (minus 13 Prozent) und 2021 (minus 14 Prozent). Bei den psychiatrischen Fällen war der Rückgang 2022 gegenüber 2019 mit 11 Prozent etwas weniger stark ausgeprägt. Das zeigt eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).

„Corona hatte die deutschen Kliniken auch im dritten Jahr der Pandemie fest im Griff – aber aus anderen Gründen als in den ersten Infektionswellen der Jahre 2020 und 2021“, sagt WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber. „Die Fallzahl-Rückgänge im vergangenen Jahr waren nicht mehr dadurch bedingt, dass Kapazitäten für schwer erkrankte Corona-Patientinnen und -Patienten freigehalten wurden, sondern wesentlich durch die enormen Personalausfälle infolge der durch die Omikron-Variante verursachten Infektionswellen des Jahres 2022.“ Die größten Fallzahl-Rückgänge gegenüber dem Vergleichs-Zeitraum 2019 waren in der fünften Infektionswelle von Januar bis Mai 2022 zu verzeichnen.

Im Gegensatz zu den beiden Vorjahren haben sich die OP-Zahlen bei den planbaren Hüftgelenksimplantationen trotz der Omikron-Wellen normalisiert (minus 2 Prozent). Erneut starke Einbrüche gab es dagegen bei den Mandeloperationen (minus 35 Prozent). „Eine Ursache könnte sein, dass die Hygieneregeln während der Pandemie das Auftreten von Mandelentzündungen verringert haben. Doch die Rückgänge könnten auch auf einen Abbau von Überversorgung hindeuten“, so Klauber. „Studien und Analysen zeigen nämlich, dass diese Eingriffe in der Vergangenheit häufig ohne leitliniengerechte Indikation durchgeführt wurden.“

Bei den Brustkrebs-OPs gab es einen Rückgang um 5 Prozent gegenüber 2019. „Besonderen Anlass zur Sorge gibt der deutlich stärkere Einbruch bei den Darmkrebs-Operationen“, betont Jürgen Klauber. Diese gingen gegenüber der Zeit vor der Pandemie um 16 Prozent zurück – und damit noch stärker als im ersten (minus 10 Prozent) und zweiten Pandemiejahr (minus 12 Prozent). „Das könnte mit dem reduzierten Umfang der Darmspiegelungen zu tun haben, den wir bereits in früheren Auswertungen des WIdO festgestellt haben“, erklärt Jürgen Klauber.

Auffällig ist auch der anhaltende Rückgang der Fallzahlen bei den Herzinfarkten und Schlaganfällen, der in den WIdO-Daten bis Oktober 2022 zu sehen ist: Die Herzinfarkt-Behandlungen sind gegenüber 2019 um 13 Prozent zurückgegangen, die Schlaganfall-Behandlungen um 11 Prozent. Damit gab es bei diesen Notfällen sogar noch stärkere Rückgänge als im ersten und zweiten Pandemie-Jahr. „Wir können uns das nicht hundertprozentig erklären. Die Daten deuten darauf hin, dass die Rückgänge bei den leichteren Infarkten und Schlaganfällen höher sind. Offenbar sind insbesondere Menschen mit milderen Symptomen weniger im Krankenhaus behandelt worden“, so Klauber. Es gelte weiter der Appell, bei diesen Notfällen unbedingt und ohne Zögern den Rettungsdienst zu alarmieren.

Die Auswertung des WIdO zu den Krankenhaus-Fallzahlen basiert auf den Abrechnungsdaten der AOK-Versicherten, die etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung abbilden. Basis für die Covid-19-Analysen waren die Daten von Patientinnen und Patienten, die wegen Covid-19 – also mit bestätigter Covid-19-Diagnose und für diese Erkrankung relevanter Hauptdiagnose – im Krankenhaus waren. Ausgewertet wurden die Daten von rund 220 000 Patientinnen und Patienten, die vom 01.02.2020 bis zum 30.09.2022 in den deutschen Krankenhäusern aufgenommen worden waren.



Publication History

Article published online:
22 June 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany