Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2025; 60(10): 574-590
DOI: 10.1055/a-2060-8786
Fortbildung

Hochbetagte auf der Intensivstation – Balanceakt zwischen Nutzen und Risiko

Very old Patients in the Intensive Care Unit – Balancing Benefits and Risks

Authors

  • Mareike Otto

  • Hendrik Bracht

  • Christof Breitsameter

  • Thorsten Brenner

  • Jens Dowideit

  • Patrick Meybohm

  • Sigrid Wittmann

  • Rainer Kiefmann

Die Entscheidung für eine ausgedehnte Intensivtherapie ist bei älteren Patienten oft herausfordernd. Wichtige Prognosefaktoren, die bei der Entscheidungsfindung helfen, sind Gebrechlichkeit, funktioneller Status und Begleiterkrankungen. Auf Basis einer interdisziplinär und interprofessionell getroffenen Teamabstimmung können Patienten bzw. Angehörige das Verhältnis aus Nutzen und Risiko für den Betroffenen herausarbeiten und eine fundierte Entscheidung treffen.

Abstract

The decision to initiate extended intensive care in older patients is often challenging. The ethical principles of beneficence and non-maleficence, together with the patient’s autonomous will, form the foundation of decision-making. Important prognostic factors include frailty, functional status, and comorbidities. If intensive care treatment is initiated, it should be started promptly, but with a clearly defined treatment goal and predefined limitations regarding interventions that should not be undertaken. If, during the course, the decision is made against curative intensive care, palliative care should be provided. In situations where the patient’s wishes or prognosis are unclear and the likelihood of meaningful benefit is low, a time-limited trial of therapy with predefined evaluation criteria may be appropriate. In any case, interdisciplinary and interprofessional team discussions help to improve prognostic assessment. Based on this, patients and their relatives can engage in shared decision-making to weigh benefits against burdens and to reach an informed choice.

Kernaussagen
  • Bis zu 30% der Intensivpatienten sind ≥ 80 Jahre alt und verbringen ihre letzten Monate auf der Intensivstation.

  • Trotz höherer Mortalität ist der Überlebensvorteil durch die Aufnahme auf eine Intensivstation bei älteren Patienten höher als bei jüngeren.

  • Eine schnelle und effektive Behandlung ist entscheidend.

  • Erster Schritt im Entscheidungsprozess einer Intensivtherapie (ja oder nein) ist eine realistische Prognoseerhebung (falls alle Informationen vorliegen).

  • Die Prognose wird maßgeblich bestimmt durch das Ausmaß an Gebrechlichkeit, vorhandener Funktionalität, Autonomie und Pflegebedürftigkeit. Sie stellt die Basis für die Willens- und Entscheidungsfindung dar.

  • Zweiter Schritt bei der Entscheidungsfindung ist die Festlegung eines Therapieziels, woraus sich eine entsprechende Indikation für oder gegen eine Behandlung ergibt.

  • Voraussetzungen für die Therapiezielfestlegung sind eine medizinische Indikation im Sinne der ethischen Grundprinzipien Wohlwollen, Nichtschaden und Berücksichtigung des Patientenwillens.

  • Um der Vielschichtigkeit der zu berücksichtigenden Aspekte gerecht zu werden, sollte die Entscheidungsfindung multiprofessionell erfolgen.

  • Nach 48 Stunden sollte eine Reevaluation der angestrebten Therapieziele erfolgen. Gegebenenfalls ist eine Therapiezieländerung oder auch Therapiebegrenzung nötig.

  • Auch bei einer Therapiebegrenzung bedarf es einer zielgerichteten Festlegung lindernder, optimierender Maßnahmen mit dem Schwerpunkt der Symptomkontrolle.



Publication History

Article published online:
28 October 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany