Rofo 2024; 196(06): 529-532
DOI: 10.1055/a-2066-8124
Bildessay

Das Klarzellsarkom: Bildgebung einer neuen Tumorentität

Clear cell sarcoma: Imaging findings of a newly described tumor entity
Stefan Heckl
1   Department of Diagnostic and Interventional Neuroradiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tübingen, Germany
2   Neuroradiology, Hirslanden Klinik Hirslanden, Zurich, Switzerland (Ringgold ID: RIN30364)
,
Ulrich Lauer
3   Innere Medizin I - Gastroenterologie, Hepatologie, Infektionskrankheiten, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Germany
,
Massimo Granai
4   Institut für Pathologie und Neuropathologie, Universitätsklinikum Tübingen, Tubingen, Germany (Ringgold ID: RIN27203)
,
Hans Bösmüller
4   Institut für Pathologie und Neuropathologie, Universitätsklinikum Tübingen, Tubingen, Germany (Ringgold ID: RIN27203)
,
1   Department of Diagnostic and Interventional Neuroradiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tübingen, Germany
,
Marius Horger
5   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tübingen, Germany
› Institutsangaben

Klarzellsarkome (Clear Cell Sarcomas, CCSs) wurden erstmals 1965 vom österreichischen Pathologen Franz Michael Enzinger beschrieben [Enzinger F M. Cancer 1965; 18: 1163. DOI: 10.1002/1097–0142(196509)18:9<1163::aid-cncr2820180916>3.0.co;2–0] und stellen eine sehr seltene und überaus aggressive maligne Tumorentität dar, die meistens im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auftritt und weniger als 1% aller Weichteiltumore umfasst.

Lokalisiert sind Klarzellsarkome des Weichteilgewebes (Soft Tissue Clear Cell Sarcoma , SCCS) in erster Linie in Sehnenscheiden, Aponeurosen und/oder Faszien, vor allem der unteren Extremitäten, woher die Bezeichnung Clear Cell Sarcomas of Tendon and Aponeurosis (CCSTA) resultiert. Typisch ist die spindelförmige Expansion entlang des dichten Bindegewebes ([Abb. 1]), oft mit Bezug zu angrenzenden neurovaskulären Strukturen. Andere, sehr seltene Lokalisationen umfassen den Körperstamm, die Bereiche Kopf/Hals/Nacken, den Verdauungstrakt, die Knochen, den Penis und die Nieren. Lymphknotenmetastasen sind bei 40% der Patienten nachweisbar.

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Abb. 1 a Extremitäten-Klarzellsarkom mit Klarzellmorphologie; HE, 400x b Extremitäten-Klarzellsarkom mit Spindelzellmorphologie; HE, 400x.

Chung und Enzinger fanden, dass Klarzellsarkome in über 70% der Fälle das Pigment Melanin synthetisieren [Chung E B. and ENZINGER F M. The American journal of surgical pathology 1983; 7: 405. DOI: 10.1097/00000478–198307000–00003], was die darüber liegende Haut dunkler erscheinen lassen kann. Die Abgrenzung gegenüber Melanomen erfolgt durch den Nachweis spezifischer genetischer Aberrationen [EWSR1-ATF1, EWSR1-CREB1, FUS-ATF1) (Obiorah I E. and Ozdemirli M. World Journal of Clinical Oncology 2019; 10: 213. DOI: 10.5306/wjco.v10.i5.213]. Im Gegensatz zum Melanom findet man in den Genen BRAF, NRAS und KIT keine Mutationen. Bei der Bildgebung mittels Magnet-Resonanz-Imaging (MRI) findet sich bei den Klarzellsarkomen des Weichteilgewebes ein hohes und diffuses T2-Signal, vorausgesetzt der Melaningehalt ist nicht exorbitant hoch. Bei besonders hohem Melaningehalt kann das SCCS allerdings im MRI ein Signalmuster wie bei malignen Melanomen zeigen, was eine Unterscheidung beider Tumorarten in der MRI dann erschwert (T1 nativ hohes Signal mit T2-Absenkung).

Die Klarzellmorphologie ist vor allem auf intrazelluläres Glykogen zurückzuführen. Der zytoplasmatische Raum ist vergrößert und enthält viele Mitochondrien und Zellkerne, sodass eine girlandenkranzartige Erscheinung imponiert (wreath-like appearance). In der Immunhistologie sind die Marker HMB-45, Melan-A und/oder S-100-Protein bei den meisten Klarzellsarkomen positiv.

Die Nieren-Variante des CCS (Kidney Variant of CCS; CCSK) kommt vorwiegend bei Kleinkindern (<12 Monate) vor, sodass es sich neben dem Wilms-Tumor (Nephroblastom) um den am häufigsten bei Kindern vorkommenden Nierentumor handelt [Zamora E A. and Cassaro S 2022, PMID: 30860697]. CCSK weisen typische Genfusionen auf, entweder eine ITD (BCOR-internal tandem duplication) oder eine YWHAE-NUTM2B/E-Fusion. Typischerweise sind die Tumorzellen beim CCSK in Form von Nestern oder Strängen organisiert, welche durch fibrovaskuläre Septen voneinander getrennt sind; allerdings kann sich auch ein myxoides, pallisadenartiges, epitheloides oder spindelförmiges Invasionsmuster darstellen. Im überwiegenden Teil der Fälle liegt meist eine Kombination aus verschiedenen Invasionstypen vor [Dorwal P et al. Pediatr Dev Pathol 2022: 10935266221124377. DOI: 10.1177/10935266221124377]. Durch diese histologische Variantenvielfalt, jeweils kombiniert mit einem stark variablem Melaningehalt, lässt sich auch das nicht ganz einheitliche Bild im MRI erklären.

Das primäre CCS im Knochen ist ausgesprochen selten, wächst hochgradig aggressiv, sodass die Überlebenszeiten nach Diagnosestellung lediglich im Bereich von 5–21 Monaten liegen. Damit ist der Verlauf deutlich schlechter als beim SCCS [Gooskens S L. M. et al. European journal of cancer (Oxford, England : 1990) 2012; 48: 2219. DOI: 10.1016/j.ejca.2012.04.009]. Bei der Bildgebung ermöglicht das MRI einen besonders guten Weichteilkontrast der meist scharf abgrenzbaren CCS-Manifestationen ([Abb. 2], [Abb. 3], [Abb. 4], [Abb. 5], [Abb. 6], [Abb. 7]), der deutlich besser zur Darstellung kommt als in der Computertomografie (CT) ([Abb. 8]). Auch kann mit der MRI der unterschiedliche Melaningehalt der jeweiligen Gewebetypen eingeordnet werden (hohes T1-Signal, Signalsenkung im T2-Bild) [Odintsov I et al. The American journal of surgical pathology 2023; 47: 354. DOI: 10.1097/PAS.0000000000001988]. Das abgesenkte T2-Signal kann aber nicht für die MRI-basierte Differenzialdiagnose der CCSs gegenüber anderen Tumoren herangezogen werden. Dazu gibt es zu viele melaninreiche Hauttumoren mit abgesenktem T2-Signal (z.B. Bowen`s Erkrankung, pigmentierter Morbus Paget, neuroides Melanom, maligner peripherer Nervenscheidentumor, desmoplastischer Naevus, malignes Melanom, dermaler melanozytischer Naevus, prämaligne Melanose, usw.). Zudem gibt es auch nicht in der Haut gelegene melaninreiche Tumore wie das melanozytische Medulloblastom. Aufgrund dieser Schwierigkeiten gelingt eine alleinig MRI-basierte Differenzialdiagnose derzeit noch nicht, dafür ist die Variabilität innerhalb der Tumore zu hoch (jeweils unterschiedlicher Invasionscharakter und Melaningehalt). Es gibt derzeit auch noch keine markanten Merkmale in MR-Spektroskopie-Untersuchungen. Somit müssen die bildgebenden Befunde ausnahmslos mit den Ergebnissen der Immunhistochemie und Molekulargenetik diskutiert werden.

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Abb. 2 Koronare a und axiale b, c fettsupprimierte T2-gewichtete MRI-Aufnahmen eines primären Klarzellsarkoms des Weichteilgewebes bzw. einer Lymphknotenmetastase im Oberschenkel bzw. inguinal mit diffuser T2-Hyperintensität.
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Abb. 3 Axiale T1-gewichtete Aufnahme mit unspezifischem T1-hypointensem Signal bei Klarzellsarkom im rechten Oberschenkel.
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Abb. 4 T1-gewichtetes koronares MRI-Bild des Knies. Das perifasziale Klarzellsarkom zeigt eine leicht heterogene T1-Signalgebung.
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Abb. 5 Axiale a und koronare b T2-gewichtete MRI-Aufnahmen zweier verschiedener Patienten mit Weichteilgewebs-Klarzellsarkom periorbital. Homogenes a oder heterogenes b hypointenses Signal aufgrund des jeweiligen Melaningehaltes.
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Abb. 6 Großes Klarzellsarkom der Hand-Aponeurose mit Kompression der angrenzenden Daumenmuskulatur (PD fettunterdrückt).
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Abb. 7 Koronare a, axiale b und sagittale c fettunterdrückte T1-gewichtete kontrastmittelverstärkte Aufnahmen dreier verschiedener Klarzellsarkomfälle mit unterschiedlicher Ausprägung der Kontrastmittelaufnahme.
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Abb. 8 CT nach Kontrastmittelgabe a eines Extremitäten-Klarzellsarkoms (linker Unterarm) mit ausgedehnter zentraler Nekrose. Ungewöhnlicher Fall eines peritonealen Klarzellsarkoms b mit ausgedehnter Nekrose (trotz nur geringem Tumorvolumen).

Im nativen T1-Bild sind die CCS zunächst meist isointens zur Muskulatur (jeweils abhängig vom Melaningehalt), nehmen dann aber stark Kontrastmittel auf (Ausnahme: Tumoren mit großer zentraler Nekrose). Eine Diffusionsstörung ist häufig und meist fokal. Eine Erniedrigung des apparent diffusion coefficient (ADC) wird öfters beschrieben [Isiklar I et al. AJR. American journal of roentgenology 1995; 165: 1503. DOI: 10.2214/ajr.165.6.7484597]. Ob das Ausmaß der ADC-Senkung wie beim Klarzellkarzinom der Niere mit der Aggressivität des Tumors korreliert [Chung B Yong et al. Investig Magn Reson Imaging 2016; 20: 136. DOI: 10.13104/imri.2016.20.2.136], kann derzeit aber noch nicht belegt werden.

Beim Weichteilgewebs-CCS der Extremitäten ist die Ultraschalluntersuchung zusätzlich hilfreich, um die Muskelfaszien und Gefäße besser abgrenzen zu können ([Abb. 9]). Bei einer Tumorbiopsie, z.B. an den Nieren, kommt neben dem Ultraschall auch die CT aus Gründen der Praktikabilität gehäuft zum Einsatz, auch wenn zur Diagnose eines dortigen Tumors die MRI der CT aufgrund des besseren Weichteilkontrasts eigentlich überlegen ist ([Abb. 10]). Letztlich ermöglicht aber auch das einfache Röntgenbild eine grobe Beurteilung des Ausmaßes der Raumforderung, insbesondere im Hinblick auf den Aspekt der Knochendestruktion und damit verbundene möglicherweise vorliegende Frakturen ([Abb. 11]). Im Hinblick auf die Erfassung des Metastasierungsstatus ist eine Ganzkörper-CT mit Kontrastmittelgabe bzw. eine FDG-PET zielführend ([Abb. 12]).

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Abb. 9 B-mode-Ultraschall eines Weichteilgewebs- Klarzellsarkoms (unspezifisch, ohne besondere Charakteristika [wie Lymphknoten]).
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Abb. 10 Bilder eines Nieren-Klarzellsarkoms eines pädiatrischen Patienten: Axiales fettsupprimiertes T2-gewichtetes a und T1-gewichtetes b Bild sowie Darstellung der entsprechenden ADC-Karte der Diffusionsbildgebung (Apparent Diffusion Coefficient) c. Weiteres Bild eines anderen extrarenalen Klarzellsarkoms bei einem Kind mittels axialer fettsupprimierter T2-gewichteter Sequenz d.
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Abb. 11 Röntgenbild eines primären Knochen-Klarzellsarkoms. Fortgeschrittene lytische Zerstörung des ersten Metakarpalknochens mit pathologischer Fraktur und angrenzender Weichteiltumorkomponente.
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Abb. 12 18F-FDG-PET/CT bei einem primären oberflächlichen Klarzellsarkom des linken Arms (a; axiale Aufnahme) sowie 18F-FDG-PET/CT eines inguinalen Klarzellsarkoms (b; koronare Aufnahme). In beiden Fällen zeigt sich eine starke metabolische Aktivität.

Bei der Behandlung steht nach Möglichkeit zunächst immer die radikale chirurgische Entfernung der CCS-Tumore im Vordergrund, ggf. mit zusätzlicher Bestrahlung. Aufgrund der hohen Rezidivrate sind postoperativ engmaschige Kontrollen erforderlich. CCS-Tumore sind häufig refraktär gegenüber einer Chemotherapie. Auch intensive Kombinationsschemata wie Doxorubicin + Ifosfamid erzielen häufig nur geringe Remissionsraten. Eine gezielte (targeted) Therapie steht ebenfalls nicht zur Verfügung: Bei MET-positiven CCS betrug die Ansprechrate unter einer Therapie mit Crizotinib, einem oral verfügbaren Tyrosinkinase-Inhibitor, nur knapp 4% [Yoshida R et al. Acta radiologica open 2017; 6: 2058460116687174. DOI: 10.1177/2058460116687174; Smrke A et al. ESMO open 2022; 7: 100522. DOI: 10.1016/j.esmoop.2022.100522; Tao J et al. Medicine 2022; 101: e32109. DOI: 10.1097/MD.0000000000032109; Schöffski P et al. Annals of oncology : official journal of the European Society for Medical Oncology 2017; 28: 3000. DOI: 10.1093/annonc/mdx527].



Publikationsverlauf

Eingereicht: 28. März 2023

Angenommen: 29. März 2023

Artikel online veröffentlicht:
24. Mai 2023

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