Dtsch Med Wochenschr 2024; 149(09): 487
DOI: 10.1055/a-2075-9721
Aktuell publiziert

Kommentar zu „DoxyPEP reduziert sexuell übertragbare Krankheiten in Risikogruppen“

Contributor(s):
Hanna Matthews

Die Prävention sexuell übertragbarer Infektionen (sexually transmitted infections, STI) ist insbesondere in Hochrisiko-Kollektiven durch den zunehmenden Einsatz der HIV-Präexpositionsprophylaxe (HIV-PrEP) und dem damit einhergehenden Verzicht auf Kondomgebrauch ein relevantes Thema.

In der aktuellen Veröffentlichung stellen Luetkemeyer et al. die Ergebnisse der DoxyPEP- Studie vor, welche die Wirksamkeit von Doxycyclin als Postexpositionsprophylaxe zur Prävention von STI untersucht. Die Studie bestätigt erfreulicherweise die Ergebnisse aus vorangegangenen Studien [1]: Die 1-malige Einnahme von Doxycyclin 200mg bis zu 72 Stunden nach Sexualkontakt reduziert bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), und Trans-Frauen (transgender women, TGW) das Auftreten von STI signifikant; und zwar sowohl bei Nutzern von HIV-PrEP als auch bei Menschen, die mit HIV leben. Diese Ergebnisse werden sicherlich zukünftige Diskussionen um Empfehlungen zur Prävention von STI beeinflussen – insbesondere, da noch einige Fragen in Bezug auf einen breiteren Einsatz dieser Strategie offen sind.

Doxycyclin ist ein Antibiotikum aus der Gruppe der Tetracycline, welches bei oraler Einnahme fast vollständig resorbiert wird. Es wird bereits in verschiedenen Situationen über längere Zeiträume eingesetzt, wie z.B. im Rahmen der Malaria-Präexpositionsprophylaxe oder zur Therapie der Akne. Im Allgemeinen wird die Therapie gut vertragen; häufigste Nebenwirkungen sind gastrointestinale Beschwerden und Phototoxizität der Haut.

Systematische Untersuchungen zu den Auswirkungen eines längerfristigen Einsatzes von Doxycyclin auf die Induktion antimikrobieller Resistenzen gibt es bisher jedoch nicht.

Für Chlamydien-Infektionen und Syphilis ist Doxycyclin Mittel der ersten bzw. zweiten Wahl – und eine Resistenzen-Entwicklung hätte relevante Auswirkungen auf aktuelle Therapieempfehlungen. Gonokokken zeigen bereits jetzt hohe Resistenzraten gegen alle Antibiotika-Klassen und die Zunahme von Tetracyclin-Resistenzen könnte die Situation verschärfen. Bereits heute kategorisiert die WHO Gonokokken als Erreger mit dem höchstem Risiko durch die antimikrobielle Resistenzentwicklung. In der vorliegenden Studie zeigte sich nach 12 Monaten in der Gruppe der Personen, die Doxycyclin als Postexpositionsprophylaxe eingenommen hatten (DoxyPEP-Gruppe), eine Selektion tetracyclinresistenter Gonokokken-Isolate. Dieses Ergebnis war aufgrund der geringen Anzahl der durchgeführten Kulturen nicht signifikant, jedoch scheint Vorsicht geboten.

Auch die Auswirkung der Doxycyclin-Therapie auf das humane Mikrobiom ist bisher nur wenig erforscht. In der vorliegenden Studie wurde exemplarisch der Einfluss auf die oropharyngeale Kolonisation mit S. aureus untersucht. Die Kolonisierungsrate war in der DoxyPEP-Gruppe um 40% niedriger als in der Vergleichsgruppe und es zeigte sich eine höhere Rate doxycyclinresistenter S.-aureus-Stämme. Es ist denkbar, dass sich daraus langfristig Konsequenzen für die Therapie S.-aureus-bedingter Haut- und Weichteilinfektionen (insbesondere MRSA) ergeben können.

Als weiterer Punkt ist anzumerken, dass Ergebnisse der Studie wahrscheinlich nicht auf die Allgemeinheit zu übertragen sind. Es handelt sich um eine hochselektionierte Risikopopulation (MSM/TGW mit durchschnittlich 9 Sexualkontakten in den letzten 3 Monaten). Eine Wirksamkeit der DoxyPEP bei anderen Populationen wurde bisher kaum untersucht. Eine erste Studie zum Einsatz der DoxyPEP bei Frauen in Kenia zeigte überraschenderweise keinen signifikanten Effekt [2].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Doxycyclin-Postexpositionsprophylaxe bei ausgewählten MSM/TGW mit häufig auftretenden STI als kurzfristige Intervention sinnvoll sein kann. Die Einbettung in ein Bündel von Präventionsmaßnahmen, bestehend aus Beratung zu Übertragungsrisiken und Kondomnutzung, regelmäßigem Screening auch asymptomatischer Individuen sowie Partnerbenachrichtigung und -Mitbehandlung, sollte gewährleistet sein.

Weitere Forschungsbestrebungen sollten längerfristige Auswirkungen auf antimikrobielle Resistenzentwicklung untersuchen. Dazu wäre auch eine kontinuierliche und systematische Surveillance wichtiger STI-Erreger in Deutschland wünschenswert.



Publication History

Article published online:
15 April 2024

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  • Literatur

  • 1 Molina JM. et al. For the ANRS IPERGAY Study Group. Post-exposure prophylaxis with doxycycline to prevent sexually transmitted infections in men who have sex with men: an open-label randomised substudy of the ANRS IPERGAY trial. Lancet Infect Dis 2018; 18 (03) 308-317 DOI: 10.1016/S1473-3099(17)30725-9..
  • 2 Stewart J. et al. Doxycycline postexposure prophylaxis for prevention of STIs among cisgender women. 30th Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections, Seattle, abstract 121, 2023.