Rofo 2023; 195(11): 1018-1026
DOI: 10.1055/a-2102-0129
Neuroradiology

Auswertung der DeGIR-Registerdaten zur endovaskulären Therapie von zerebralen Vasospasmen in Deutschland 2018–2021: Ein Überblick über die aktuelle Versorgungssituation

Article in several languages: English | deutsch
1   Department of Neuroradiology, University Hospital Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Germany
,
Werner Weber
2   Institute of Diagnostic and Interventional Radiology, Neuroradiology and Nuclear Medicine, University Hospital Knappschaftskrankenhaus Bochum, Germany
,
Jan Küchler
3   Department of Neurosurgery, University Hospital Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Germany
,
Hannes Schacht
1   Department of Neuroradiology, University Hospital Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Germany
,
Ulf Jensen-Kondering
1   Department of Neuroradiology, University Hospital Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Germany
,
Ansgar Berlis
4   Department of Diagnostic and Interventional Neuroradiology, University Hospital Augsburg, Germany
,
Peter Schramm
1   Department of Neuroradiology, University Hospital Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Germany
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Zusammenfassung

Ziel Auswertung der 2018–2021 im DeGIR-Register dokumentierten endovaskulären Therapien von zerebralen Vasospasmen (ZVS) zur Analyse der aktuellen klinischen Versorgungssituation in Deutschland.

Material und Methoden Retrospektive Analyse der im DeGIR-Register anonymisiert dokumentierten klinischen und prozeduralen Daten zu endovaskulären Spasmustherapien (EST). Analysiert wurden: präinterventionelle Befunde der CTP und Bewusstseinslage; applizierte Strahlendosis, interventionell-technische Parameter (lokale Medikamente, Devices, angiografisches Ergebnis), postinterventionelle Symptomatik, Komplikationen und Mortalität.

Ergebnisse 3584 Patienten erhielten in 91 (2018), 92 (2019), 100 (2020) und 98 (2021) Zentren insgesamt 7628 EST (medianes Alter/Patient: 53 [Range: 13–100, IQR: 44–60], 68,2 % Frauen); 5388 (70,6 %) vordere Zirkulation und 378 (5 %) hintere Zirkulation (in 1862 Fällen [24,4 %] beide beteiligt). In 2125 Fällen lediglich einmalige EST (27,9 %), der Mittelwert lag bei 2,1 Interventionen/Patient. 7476 EST erfolgten allein medikamentös (Nimodipin: 6835, Papaverin: 401, Nitroglyzerin: 62, anderes Pharmakon ohne nähere Benennung: 239; Kombinationen: 90). Dauerbehandlungen mit einer Mikrokatheter-Infusion wurden 1132mal (14,8 %) dokumentiert. Die (zusätzliche) Ballonangioplastie (BA) wurde bei 756 EST (9,9 %) durchgeführt, andere nicht näher benannte mechanische Rekanalisationen in 154 Fällen (2 %) und ein Stenting in 176 der EST (2,3 %). Das Dosisflächenprodukt im Rahmen der EST betrug im Median 4069 cGycm² (medikamentös: 4002/[+]BA: 8003 [p < 0,001]). Mindestens 1 Komplikation trat in 95 aller Prozeduren auf (1,2 %) (medikamentös: 1,1 %/[+]BA: 4,2 % [p < 0,001]). Die mit EST verbundene Mortalität betrug 0,2 % (n = 18). Nach EST fanden sich insgesamt in 94,2 % der Fälle Besserungen oder Beseitigungen der ZVS (medikamentös: 93,8 %/[+]BA: 98,1 % [p < 0,001]). Im Vergleich der lokal applizierten Medikamente beseitigte Papaverin die ZVS häufiger als Nimodipin (p = 0,001).

Schlussfolgerung EST weisen eine moderate Strahlenbelastung auf und sind insgesamt komplikationsarm durchführbar. Überwiegend werden rein medikamentöse EST durchgeführt, vor allem mit Nimodipin. Bei (zusätzlicher) BA sind Strahlenbelastung, Komplikationsraten und angiografisches Ergebnis höher bzw. besser. Bei alleiniger Betrachtung medikamentöser EST ergeben sich Hinweise für einen Vorteil von Papaverin gegenüber Nimodipin, jedoch ist die unterschiedliche Gruppengröße zu berücksichtigen. Bei der Analyse der EST sind die DeGIR-Registerdaten gerade aufgrund der großen Fallzahl geeignet, auch speziellere Fragestellungen zu beantworten, hierfür sind weitere Untergruppierungen bei der Datendokumentation anzustreben.

Kernaussagen:

  • In Deutschland fehlen bislang konsentierte Leitlinien für die endovaskuläre Behandlung von zerebralen Vasospasmen nach spontaner Subarachnoidalblutung.

  • Zusätzlich zur oralen Nimodipin-Gabe wird in den meisten Krankenhäusern auch eine endovaskuläre Behandlung zur Therapie von zerebralen Vasospasmen eingesetzt.

  • Dies ist die erste systematische Auswertung von bundesweiten Registerdaten zur endovaskulären Behandlung von zerebralen Vasopasmen in Deutschland.

  • Diese Daten aus der Praxis zeigen, dass die endovaskuläre Behandlung von zerebralen Vasospasmen mit einer moderaten Strahlenbelastung verbunden ist und insgesamt mit wenigen Komplikationen durchgeführt werden kann. Bei der (zusätzlichen) Ballonangioplastie sind die Strahlenbelastung, die Komplikationsraten und die angiografischen Therapieergebnisse höher oder besser.

Zitierweise

  • Neumann A, Weber W, Küchler J et al. Evaluation of DeGIR registry data on endovascular treatment of cerebral vasospasm in Germany 2018–2021: an overview of the current care situation. Fortschr Röntgenstr 2023; 195: 1018 – 1026



Publication History

Received: 27 February 2023

Accepted: 25 May 2023

Article published online:
19 July 2023

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