retten! 2023; 12(05): 285-286
DOI: 10.1055/a-2175-6062
Editorial

Hochansteckend: Infektionskrankheiten

Sönke Müller

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Einsatz bei einem Patienten mit einer COVID-19-Infektion? Das war die Zeit, als es noch keine Impfung gab und die Intensivstationen anfingen, mit schwer Corona-Erkrankten voll zu laufen. Ich erinnere mich noch sehr genau: Vorschriftsmäßig „Ganzkörper-vermummt“ ging es als NEF+RTW zu einem Patienten mit hochgradiger Atemnot, bekannter COVID-19-Erkrankung und einer COPD als Grunderkrankung. Entsprechend schlecht ging es dem Patienten: atemerschöpft mit niedrigster Sättigung, tachyarrhythmisch, Erstickungs- und Todesangst. Wie sollte man diesen Menschen – da selbst ungewohnt vermummt – leitliniengerecht untersuchen, abhören, versorgen? Wie sollte man sich diesem Menschen überhaupt annähern, ihn beruhigen, ohne gleichzeitig den Gedanken zu haben: Hoffentlich infiziere ich mich nicht selbst. Wie kann ich im RTW der hohen Virenlast entkommen, die bekanntermaßen bei der NIV im geschlossenen Patientenraum in der Luft zu vermuten war?

Ich habe trotz Kälte mittels Öffnens von Seitenfenstern und Dachluke einen Durchzug geschaffen, der einem mittleren Sturm entsprach (selbstverständlich war der Patient gut zugedeckt). Ob dies allerdings eine effektive Infektionsschutzmaßnahme „lege artis“ war, sei dahingestellt, zumindest hat sich bei diesem Einsatz keiner aus dem Team infiziert.

Hygienebewusstsein war in der Corona-Pandemiezeit keine Paranoia, sondern die Grundlage des Selbstschutzes, des Infektionsschutzes und initial die einzige wirksame Maßnahme zur Eindämmung einer potenziell tödlichen Infektionserkrankung.

Der „Erfinder“ des Händewaschens, der Wiener Arzt Ignaz Semmelweis (1818–1865), rettete als Gynäkologe zahlreichen Müttern im Wochenbett das Leben – indem er alle untersuchenden Ärzte zwang, die Hände vor einer gynäkologischen Untersuchung mit Chlorkalk-Lösung zu desinfizieren. Zwar wurde er für seine Erkenntnisse zur Hygiene lange Zeit verlacht und angefeindet, so wuchs letztendlich doch dadurch die Erkenntnis, dass Keime Infektionen auslösen und Hygiene nicht nur eine Zeitverschwendung ist.

„...jeder Mensch ist potenziell infektiös und von allen Menschen gehen potenzielle Infektionsgefahren aus. Allein die konsequente Anwendung der Hygiene verhindert die Krankheitsübertragung.“

Dieses wunderschöne Zitat stammt aus dem Themenbeitrag: „Umgang mit potenziell infektiösen Patienten in der rettungsdienstlichen Akutversorgung“. In einer ausgewogenen Darstellung macht der Autor deutlich, wie man der Alltagsfalle einer möglichen fehlerhaften Unterschätzung (Krankheitsbild und Gefahren einer Infektionserkrankung werden nicht erkannt) oder einer unbegründeten Dramatisierung des Krankheitsbildes mit unnötiger Mobilisierung von medizinischen Ressourcen begegnen kann und vor allem, dass eines zählt:

Awareness – Infektionsbewusstsein und daraus resultierend eine Basishygiene, d.h. korrektes Tragen der Arbeitskleidung mit mindestens täglichem Wechsel, adäquate Händehygiene, situativ angepasstes Tragen von Untersuchungshandschuhen und Schürzen, korrektes Tragen einer FFP2/3-Maske mit hoher Wirksamkeit vor dem Einatmen eines kontaminierten Aerosols u.a.

Wenn einer eine Reise tut… kann er sich infizieren…, aber auch wenn er zu Hause bleibt! Wer könnte darüber besser schreiben als ein Team eines Tropeninstituts. In ihrem Beitrag „Seltene Infektionserkrankungen“ konzentrieren sich die Autorinnen auf 3 in Deutschland insgesamt gesehen eher seltene Infektionskrankheiten, nämlich Malaria, Meningokokken-Meningitis und Tuberkulose.

Die Bedeutung insbesondere der Meningokokken-Meningitis und der Tuberkulose für die Infektionsgefährdung des Rettungsdienstpersonals inklusive Postexpositionsprophylaxe wird übersichtlich und einprägsam dargestellt.

Ich wünsche Ihnen beim Themenschwerpunkt eine gute „Awareness“, es lohnt sich!

Dr. Sönke Müller



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Article published online:
17 November 2023

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