Z Sex Forsch 2023; 36(04): 243-249
DOI: 10.1055/a-2186-6717
Buchbesprechungen

Zehn Monografien und Sammelbände zum Schwangerschaftsabbruch

Nicola Döring

Laut Weltgesundheitsorganisation ist auf globaler Ebene jede zweite Schwangerschaft ungewollt, und jede dritte Schwangerschaft wird abgebrochen (https://www.who.int/health-topics/abortion). In Deutschland liegt die Zahl der jährlichen Schwangerschaftsabbrüche laut Statistischem Bundesamt in der letzten Dekade relativ konstant bei rund 100 000 pro Jahr (https://www-genesis.destatis.de/genesis/online; Suchcode: 23311). Etwa jede vierte Frau bzw. gebärfähige Person in Deutschland lässt im Laufe ihres Lebens eine Schwangerschaft abbrechen. Daraus folgt statistisch, dass wir alle direkt – oder durch Menschen im nahen Umfeld zumindest indirekt – vom Thema betroffen sind. Auch wenn das nicht immer offensichtlich ist, weil Abtreibungen nach wie vor stigmatisiert sind und daher oft verschwiegen werden.

Der Zugang zum medizinisch sicheren, respektvollen und diskriminierungsfreien Schwangerschaftsabbruch wird völkerrechtlich inzwischen als Menschenrecht angesehen. Deutschland folgt diesem menschen- und völkerrechtlichen Verständnis jedoch nicht. Der Schwangerschaftsabbruch ist hierzulande gemäß § 218 StGB kriminalisiert. Innerhalb der ersten zwölf Wochen bleibt er – nach Absolvierung einer Pflichtberatung und dreitägiger Wartefrist – aber straflos (§ 218a StGB). Der Koalitionsvertrag 2021–2025 der aktuellen Regierungsparteien SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP legt fest, dass die rechtliche Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs überprüft werden soll (https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021–2025.pdf), eine 18-köpfige Expert*innen-Kommission wurde Anfang 2023 eingerichtet.

Während die einen sich jetzt eine Liberalisierung im Sinne des Völkerrechts erhoffen, befürchten andere neue gesellschaftliche Grabenkämpfe, zumal Abtreibungsgegner*innen sich immer besser organisieren und die Versorgungslage ungewollt Schwangerer in den letzten Jahren immer prekärer geworden ist. Letzteres belegt unter anderem die vom Bundesgesundheitsministerium geförderte ELSA-Studie (Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung; https://elsa-studie.de/). Auch wird es hinsichtlich reproduktiver Rechte international als bedeutsamer Rückschlag gewertet, dass im Jahr 2022 der US-Supreme-Court die Grundsatzentscheidung Roe versus Wade aufhob, die ein halbes Jahrhundert lang das Recht auf Zugang zum medizinischen Schwangerschaftsabbruch in den Vereinigten Staaten gesichert hatte. In vielen US-Bundesstaaten sind Abtreibungen seitdem wieder verboten.

Vor dem Hintergrund dieser politischen und rechtlichen Veränderungen hat der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland und international erneut an gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Brisanz gewonnen. Grund genug, aktuelle Monografien und Sammelbände zum Thema zu betrachten. Die vorliegende Rezension umfasst literarische, journalistische, aktivistische und wissenschaftliche Zugänge. Besprochen werden fünf deutsch- und fünf englischsprachige Bücher aus den Jahren 2020 bis 2023.



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Article published online:
05 December 2023

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