Zeitschrift für Palliativmedizin 2024; 25(02): 77
DOI: 10.1055/a-2257-7894
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Schöne Abschiede vom Leben

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Die Internistin und Palliativmedizinerin Eva Katharina Masel, Vorstandsmitglied der Österreichischen Palliativgesellschaft, Universitätsprofessorin Hochschuldozentin und Leiterin der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin an der Medizinischen Universität Wien, hat ein bemerkenswertes Buch geschrieben. Ein gut lesbares Buch. Ein Buch für Professionelle und andere Lesende. Ein Buch sowohl für am Menschen Interessierte als auch für Studierende.

Das alles miteinander zu vereinen ist eine Kunst, denn die Blickwinkel und Lebenswelten der unterschiedlichen Zielgruppen können sehr weit auseinanderliegen. Dass sich diese auf etwas mehr als 200 Seiten immer wieder begegnen, trennen und wiederfinden, liegt zum einen an der Aufteilung: Erzählungen von Patientinnen und Patienten wechseln sich ab mit einer Einführung in die Palliativmedizin und die palliative Sorgekultur.

Die Themen reichen von Sachinformationen bis zu den psychosozialen Aspekten des Sterbens und philosophisch-poetischen Betrachtungen über die letzten Dinge.

Die Erfahrungen der Pandemie, Gedanken zur Sterbehilfe und die Herausforderungen, wenn sich Palliative Care mit Hochschulmedizin treffen, finden ausreichend Raum. Palliative Konzepte wie Gesprächsführung und Worte, die wir besser aus unserem professionellen Fundus streichen sollten, sowie die Ambivalenz des modernen Menschen in seiner vermeintlichen Autonomie, insbesondere am Lebensende, werden sowohl in den Erzählungen als auch in den nachfolgenden Sachkapiteln widergespiegelt und beleuchtet.

Ratgeberanteile des Buches befassen sich mit vorausschauender Planung und ihren wichtigen Instrumenten Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht als unabdingbare Themen in der Palliative Care. Aber es gibt auch viele kleine thematische Besonderheiten wie zum Beispiel die Begegnung mit Ingrid, einer Lebens- und Sterbeamme, die das Team der Autorin dazu inspiriert hat, „der Bedeutung von spirituellen und kulturell-religiösen Aspekten mehr Aufmerksamkeit zu schenken … So wie eine Hebamme Geburten mit verschiedenen Verläufen begleitet, erlebt eine Sterbeamme verschiedene Hergänge des Sterbens“.

Das Buch trägt die Leserinnen und Leser mit einer gewissen wohltuenden Leichtigkeit durch das Changieren der Sichtweisen der Autorin. Der Bogen, den sie damit spannt reicht von Geschichten über eigene Patientinnen und Patienten, deren Zärtlichkeit und Vermächtnisse im Sterben bis hin zu den Reflexionen und Betrachtungen einer erfahrenen Ärztin und Wissenschaftlerin auf unser Gesundheitssystem. Mit dem Fokus auf die Besonderheiten in Palliative Care entsteht dadurch zudem ein Diskurs über Aspekte des „Sterben heute“ im gesellschaftlichen Kontext.

Aus Sicht einer norddeutschen Rezensentin ist es auch: ein sehr charmantes Wiener Buch.

Das macht es noch sympathischer. Denn literarisch gesprochen: wer könnte besser über den Tod schreiben als jemand, die sich des reichen Fundus an Sterbewissen ihrer eigenen Kultur opulent zu bedienen weiß? Das gibt dem Buch eine melancholisch-sanfte Note, die sich gut vermischt mit dem Klang der rührenden Erzählungen über die dichten, oft unvergesslichen, einzigartigen Momente in einem Palliativzimmer einer Universitätsklinik, inmitten in einer westlichen Millionenstadt.

Friederike Boissevain, Gettorf

Mailadresse für Autorinnenkontakt:
boissevain@hospiz-im-wohld.de



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Article published online:
01 March 2024

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