Rofo 2024; 196(06): 534-535
DOI: 10.1055/a-2276-0522
Brennpunkt

Kommentar zu „HYBRID – Total-body-2-[18F]-FDG-PET/CT mit Vorteilen“

Christian Philipp Reinert
1   Institute for Diagnostic and Interventional Radiology, University Hospital Tübingen, Tübingen, Germany (Ringgold ID: RIN27203)
› Author Affiliations

In der onkologischen Diagnostik hat sich die PET/CT als Verfahren zur frühzeitigen Entdeckung und präzisen Lokalisation von Tumorherden, zur Bestimmung des Tumorstadiums und zur Kontrolle des Behandlungserfolges etabliert. Die Autoren Chen et al. konnten in ihrer im Juni 2023 veröffentlichten Kohortenstudie die Überlegenheit des „total body“ (TB)-PET/CT (uExplorer, United Imaging Healthcare) mit einem axialen Gesichtsfeld (FOV) von 194 cm im Vergleich zu einem PET/CT mit einem 30 cm FOV und identischer Detektortechnologie, Kristallgröße und räumlicher Auflösung (uMI 780, United Imaging Healthcare) bei der Detektion kleiner oder gering [18F]FDG-aufnehmender Läsionen zeigen.

Sie führen dies auf den Zugewinn an Bildqualität durch eine höhere effektive Zählrate mit verbessertem Kontrast und Signal-zu-Rausch-Verhältnis zurück, außerdem auf eine kürzere Untersuchungszeit. So ermöglicht das TB-PET/CT mit einer Empfindlichkeit von 174 kcps/MBq die gleichzeitige Erfassung von koinzidenten Photonen aus dem gesamten Körper, was die effektive Sensitivität auf das ca. 40-fache herkömmlicher PET/CT-Scanner erhöht. Gemäß Studienprotokoll wurden die PET/CT-Untersuchungen jeweils ohne CT-Kontrastmittel direkt hintereinander durchgeführt, was eine gute Vergleichbarkeit der Läsionen erlaubt. Bei einer Untersuchungszeit von 4 Minuten konnten im TB-PET/CT insgesamt 15 zusätzliche Läsionen detektiert werden. Als Referenzstandard diente die histopathologische Aufarbeitung oder der bildgebende Verlauf.

Die TB-PET/CT bietet das Potenzial einer verbesserten Erkennung kleiner oder gering stoffwechselaktiver Läsionen. In künftigen Studien sollte auch die metabolische Aktivität der Referenzorgane berücksichtigt werden, da diese für semiquantitative Auswertungen im Rahmen der Response-Beurteilung wichtig ist. Auf die Bildqualität im PET kann sich der Body-Mass-Index (BMI) auswirken, daher sollte der Parameter in systematischen Auswertungen ebenfalls einbezogen werden.

Festkörperdetektoren auf Basis von Silizium-Photomultipliern haben die herkömmlichen Szintillationskristalle und Photomultiplier-Röhren im PET/CT ersetzt, was eine bedeutende Verbesserung in der PET-Diagnostik darstellt. Die neue Technologie bietet eine erheblich verbesserte Time-of-Flight (TOF)-Auflösung mit reduziertem Rauschen und erhöhter Photonensensitivität, was zu einer besseren Bildqualität und Läsionsdetektion beiträgt [1].

Die wachsende Nachfrage nach PET/CT-Untersuchungen hat zu einem höheren Patientendurchsatz geführt, auf welchen sich die verkürzte Untersuchungszeit im TB-PET/CT vorteilhaft auswirkt [2]. Kürzere Untersuchungen führen außerdem zu einem verbesserten Patientenkomfort und reduzierten Bewegungsartefakten. Schmerzpatienten, Patienten mit Klaustrophobie und Kindern können somit Sedierungen oder Narkosen erspart bleiben [3]. Neben der Möglichkeit, die applizierte Aktivität und Untersuchungszeit zu reduzieren, bietet das TB-PET/CT weitere Vorteile. Die Abtastung des Körpers in einem FOV ermöglicht eine quantitative Beurteilung der Tracer-Kinetik, was zum besseren Verständnis organübergreifender pathophysiologischer Prozesse beiträgt [4]. Die erhöhte Sensitivität ermöglicht die Darstellung der Traceranreicherung über mehrere Halbwertszeiten hinweg („Multi-time-point“-Bildgebung), was ein breiteres Spektrum der Biokinetik und eine Verbesserung der Dosimetrie erlaubt. Der Einsatz von Multi-Tracer-Protokollen bietet das Potenzial eines umfassenderen Verständnisses der Tumorbiologie. Im Prozess der Dosisoptimierung sollte für die applizierten Aktivitäten aber weiterhin primär der diagnostische Ertrag maßgeblich sein. Signalreiche und rauscharme Bilder sind Voraussetzung zur Quantifizierung reproduzierbarer Daten, welche z.B. im Kontext von Radiomics eine wesentliche Rolle spielen [5]. Die größeren Datenvolumina der TB-PET/CT erfordern jedoch umfassende Speicherkapazitäten.

Neben den von Chen et al. untersuchten diagnostischen Merkmalen ist es erforderlich, den Einfluss der TB-PET/CT mit einhergehenden Anpassungen der Untersuchungsprotokolle auf das Patientenmanagement zu bewerten, insbesondere auf therapeutische Entscheidungen. Hierfür sollte eine fortlaufende Erfassung von Registerdaten in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachabteilungen erfolgen. Aus wirtschaftlicher Sicht bleibt zu evaluieren, ob sich TB-PET/CT-Systeme langfristig im Vergleich zu herkömmlichen PET/CT-Systemen amortisieren und sich somit auch außerhalb der Universitätsmedizin etablieren können.



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Article published online:
22 May 2024

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