Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2025; 20(05): 497-510
DOI: 10.1055/a-2305-9420
Recht und Begutachtung

Mix & Match in der Hüft-Endoprothetik

Aktuelle Aspekte aus medizinischer und medizinproduktrechtlicher Sicht

Authors

  • Klaus-Peter Günther

  • Tobias Weimer

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Registerdaten belegen, dass in der primären Hüftendoprothetik nicht selten Implantatkombinationen unterschiedlicher Hersteller verwendet werden. Auch ist bei einem relevanten Anteil von Wechseleingriffen nur der partielle Austausch von Komponenten notwendig. Sind Originalimplantate nicht mehr verfügbar bzw. Implantate anderer Hersteller erfolgversprechender als der Verbleib im System, kann ebenfalls eine Mix & Match-Anwendung zu erwägen sein. Im Hinblick auf die Vorgaben der Medizinprodukteverordnung (MDR) ist jedoch in solchen Fällen auf medizinische und juristische Besonderheiten zu achten.

Kernaussagen
  • Wenn immer möglich, sind in der Endoprothetik die in Produktbroschüren empfohlenen und durch Hersteller autorisierten Implantatkombinationen zu verwenden.

  • In der Primärendoprothetik am Hüftgelenk zeigen internationale Registerdaten jedoch, dass in einzelnen Fällen die Kombination von Pfannen und Schäften bzw. Köpfen unterschiedlicher Hersteller bessere Ergebnisse als die medizinproduktrechtlich unbedenkliche Verwendung herstellergleicher Komponenten haben kann. Dies gilt jedoch nur dann, wenn zum Schaft gehörige Köpfe verwendet werden.

  • In der Revisionsendoprothetik am Hüftgelenk ist der Einsatz von Implantaten außerhalb der vom Hersteller empfohlenen Indikationen häufig notwendig, um die Morbidität von Patienten durch den Eingriff so gering wie möglich zu halten. Wenn nur der partielle Austausch von Komponenten indiziert ist und die Originalimplantate des (ggf. ehemaligen) Herstellers nicht mehr verfügbar sind oder der Einsatz von Implantaten anderer Hersteller einen besseren Behandlungserfolg verspricht als der Verbleib im System, kann eine Mix & Match-Anwendung aus medizinischer Sicht sinnvoll sein.

  • Die Kombination von Implantatkomponenten unterschiedlicher Hersteller (Mix & Match) erfolgt aber fast immer im Sinne einer Off-Label-Anwendung. Deshalb sollten Operateure mögliche Vor- und Nachteile für Patienten sorgfältig abwägen, deren Einverständnis einholen und die Entscheidungsgrundlagen dokumentieren.

  • Ein sog. Mismatch bei der Kombination einzelner Implantatbestandteile (z. B. Verwendung unterschiedlicher Größen von Komponenten oder offenbar nicht zueinander passender Verbindungen) ist ein Behandlungsfehler und muss zwingend vermieden werden.

  • Es bedarf einer Organisationsstruktur, die geeignet ist, die regulatorischen Vorgaben wie z. B. zur Eigenherstellung (Art. 5 Abs. 5 MDR) und Sonderanfertigung (§ 9 MPDG) einzuhalten.

  • Im Fall der Eigenherstellung ist eine Äquivalenzbetrachtung der am Markt befindlichen Produkte regulatorisch zwingend und sorgfältig zu dokumentieren.

  • Ein Verstoß gegen die regulatorischen Vorgaben bedeutet eine mindestens abstrakte Gefährdung von Patienten durch ein mangelhaftes Produkt nach § 11 S. 1 MPDG. Dies kann mit Geldbuße oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren (vgl. § 92 Abs. 1 Nr. 1 MPDG) in einem einfachen oder in einem besonders schweren Fall von 1 bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe (vgl. § 92 Abs. 7 MPDG) geahndet werden.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
24. September 2025

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