Geburtshilfe Frauenheilkd 2025; 85(07): 660-664
DOI: 10.1055/a-2588-4506
GebFra Magazin
Geschichte der Gynäkologie

Eine handschriftliche Rarität aus dem Wintersemester 1944/45: die Vorlesungskladde für die „Geburtshilflich-gynäkologische Klinik mit Praktikum und Internat“ von Georg August Wagner und Carl Kaufmann in der Charité-Frauenklinik

Andreas D. Ebert
,
Matthias David
Preview

Während im Westen am 6. November 1944 Gelsenkirchen und Koblenz von den Alliierten schwer bombardiert wurden und an der Ostfront die Rote Armee die Wehrmacht in erbitterten Kämpfen unaufhaltsam in Richtung der deutschen Reichsgrenzen zurückdrängte, begann im Hörsaal der Charité-Frauenklinik das Wintersemester [1] ([Tab. 1]) mit einer allgemeinen „Besprechung über den Unterricht (Internat, Geburtshilfliche Operationslehre)“ und 2 Fallvorstellungen mit knapper Beschreibung: (Nachname der Patientin) „vorzeitige Lösung der Placenta. Hydramnion. Totgeburt“ sowie (Nachname der Patientin) „Placenta m. Nebenplacenta. Steißlage. Totgeburt“. Diese handschriftlichen Informationen finden sich in einem festgebundenen DIN-A5-Heft (21 cm hoch × 16,5 cm breit) ([Abb. 1]) [2], in dem Vorlesungsassistenten und -assistentinnen die Themen der Fallvorstellungen bzw. Vorlesungen ihrer akademischen Lehrer stichpunktartig festhielten ([Tab. 2]). Das seltene Dokument erhielt einer der Autoren (ADE) bei seinem Besuch in Garmisch-Partenkirchen als medizinhistorisches Geschenk von Prof. Hanns-Werner Boschann (1921–2015). Boschann, von 1958 bis 1983 Chefarzt der Frauenklinik im – damals noch städtischen – Rudolf-Virchow-Krankenhaus in Berlin-Wedding [3], war seinerzeit selbst Vorlesungsassistent bei Prof. Friedrich Schopohl (1907–1986), dem Nachfolger Carl Kaufmanns (1900–1980) [3] [4] im Amt des kommissarischen Direktors der Charité-Frauenklinik, gewesen. Einige der späteren Einträge ab 1946 stammen von Boschann [2].

Tab. 1 Die Lehrveranstaltungen in der Charité-Frauenklinik im Wintersemester 1944/45 [1].

Hochschullehrer

Zeit

Themen der Lehrveranstaltungen

Abkürzungen/Erläuterungen: * a. o. Prof. Gustav Döderlein, Sohn von Prof. Albert Döderlein, war bereits als Oberfeldarzt Dirigierender Arzt der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung am Staatskrankenhaus der Polizei. 1946 wurde er Ordinarius für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Universität Jena [5] [6]. ** Dr. med. Kurt Sommer war Dirigierender Arzt der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung im Oskar-Ziethen-Krankenhaus in Berlin-Lichtenberg sowie Dozent der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin [7]. *** Dr. med. Aloys Bock war zunächst Chefarzt der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung im Gertrauden-Krankenhaus und außerplanmäßiger Professor der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin [8]; nach dem Krieg war er Chefarzt der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung im St. Franziskus-Hospital Flensburg [9]. p. = privatim (entgeltlich); g = gratis

Georg A. Wagner

Mo-Fr 10–11 Uhr, p.

Geburtshilflich-gynäkologische Klinik, mit Praktikum und Internat

Georg A. Wagner

einstündig, nach Vereinbarung, g.

Geburtshilfliche Operationslehre

Carl Kaufmann

So 10–12 Uhr, p.

Schwangerschaftsuntersuchungskurs

Carl Kaufmann

So 8–10 Uhr, p.

Gynäkologischer Untersuchungskurs

Carl Kaufmann

Mi 12–13 Uhr, p.

Gynäkologisch-klinische Visite

Gustav Döderlein*

Mo Mi Fr 8–9 Uhr, p.

Einführung in die Geburtshilfe und Gynäkologie (Propädeutik)

Kurt Sommer **

Do 13–14 Uhr, g.

Gynäkologische Urologie

Aloys Bock***

Mo 13½–15 Uhr, p.

Geburtshilfliche Operationen, mit Übungen am Phantom

Zoom
Abb. 1 Die Vorlesungskladde beinhaltet handschriftliche Einträge von Vorlesungsassistentinnen und Vorlesungsassistenten vom 18.11.1939 (Direktorat Georg August Wagner) bis zum 06.06.1947 (kommissarisches Direktorat Friedrich Schopohl). Beigelegt sind außerdem die Vorlesungsbeiträge bis zum Sommersemester 1949 (Direktorat F. Schopohl). Quelle: Sammlung/Foto Prof. Ebert.

Tab. 2 Die Falldemonstrationen und Besprechungen der Lehrveranstaltung „Geburtshilflich-gynäkologische Klinik mit Praktikum und Internat“, gehalten durch Georg August Wagner (GAW) und Carl Kaufmann (CK) [2] Es handelt sich um die Abschrift der Kladde mit vorsichtigen Korrekturen des Originals (die Namen der Patientinnen wurden ersetzt).

Datum

Geburtshilflich-gynäkologische Klinik mit Praktikum und Internat

Dozent

07.11.1944

Fall 1: Ovarialtumor | Fall 2: Uterus myomatosus

GAW

08.11.1944

Demonstration des Operations-Präparates von Fall 2. | Fall 3: unvollständige Plazenta | Kind 4: vorzeitiger Blasensprung, Mekoniumabgang, schlechte Herztöne. Kaiserschnitt

GAW

09.11.1944

Fall 5: Ca colli | Fall 6: Ca colli

GAW

10.11.1944

1. Demonstration des Operations-Präparates von Fall 5 (Ca. colli) | 2. Fall 7: Ovarialtumor bei Gravidität | 3. Fall 8: manuelle Lösung der Plazenta | 4. Fall 9: Spontangeburt, prophylaktische Nachbehandlung

GAW

13.11.1944

1. Demonstration des Operations-Präparates von Fall 7: Ovarialgravidität? 2. Ei und Eieinbettung: Diapositive, Entstehung der Tubargravidität und Ovarialgravidität, 3. Fall 10: Peritonitis bei Gonorrhoe

GAW

14.11.1944

Nochmalige Besprechung über Internat, Phantomkurs und geburtshilflichen Operationskurs. Einteilung des Internats. | Fall Kind 11: abnorm kleine Plazenta und abnorm kleines, aber gut entwickeltes Kind | Fall 12: übertragenes Kind, Infarktplazenta (Kalk und Fibrin) | Fall Geburtshindernis: vaginale Cyste – Forceps Demonstration kindlicher Becken, Martin’sche und Trichterbecken

GAW

15.11.1944

1. Fall 13: Gravidität bei rezidivierendem Mamma Ca.; Einleitung der Abruptio (Ballonmethode) 2. Besprechung über die schlechte Beeinflussung der Gravidität bei bösartigen Tumoren insbesondere bei Mamma Ca. | Diapositive: Gravidität bei beidseitigem malignem Ovarialtumor 3. Programm der Geburtshilfe

GAW

16.11.1944

Fall 14: Interruptio | Fall 15: platt rachitisches Becken, nach Zwergwuchs | (davon) Kind 15

GAW

17.11.1944

1. Fall 16: Status varicosus in der Schwangerschaft. Therapie 2. Fall 10: Bauchbecken-Peritonitis als gebessert vorgestellt (s. 13.11.1944) | Internatsbestimmungen

GAW

20.11.1944

1. Fall 17: Varizen 2. Physiologie der Geburtshilfe

GAW

21.11.1944

Fall 18: Wehenschwäche. Demonstration der Geburt eines Kindes

GAW

22.11.1944

Vorstellung von Kind 18 (s. 21.11.) | Fall 19: vorzeitige Lösung der Plazenta | Geburtsbericht des Internatsteilnehmers | Diapositive Ablösung der Plazenta | Aquarell: vorzeitige Lösung der Plazenta | Physiologie der Schwangerschaft (Diapositive und Episkopische Bilder)

GAW

23.11.1944

Geburtsbericht des Internatsteilnehmers über Fall 20: Skoliose. Forceps | Film: Eröffnungsperiode (Placenta-praevia-Film) | Film: Eröffnungsperiode: Trickfilm Prof. Döderlein | Fall 21: Juvenile Blutung | Fall 22: Juvenile Blutung. Therapie.

GAW

24.11.1944

1. Fall 23: Demonstration und Abdrehung eines Cervixpolypen 2. Besprechung des menstruellen Cyclus (Diapositive) 3. Besprechung Fall 24: allgemein verengtes Becken (rachitisches Becken, Sectio nach Zangenversuch)

GAW

27.11.1944

1. Austreibungsperiode. Diapositive. 2. Fall 25: Plazenta und Totgeburt: Tentoriumriss mit stärkerer Blutung im Schädelraum

GAW

28.11.1944

Demonstration von Operationsmaterial: 1. Fall 26: Pseudomucinkystom 2. Fall 27: nekrotisches Myom | Fall 28: prophylaktische Therapie | Fall 29: Schwangerschaftstoxikose, Präeklampsie – Therapie | Fall 30 (Hausschwangere) Ekzem in der Schwangerschaft

GAW

29.11.1944

1. Kind 31: Abschnürung von 3 Fingern der linken Hand (Amniotische oder Simmer’sche Fäden), Placenta 31: mit Amnionfalte 2. Demonstration der Diapositive von der Osler’schen Krankheit 3. Diapositive von Dermatosen in der Schwangerschaft. Fall 32. Impetigo herpetiformis. Episkopische Bilder aus Stoeckel’schen Lehrbuch

GAW

30.11.1944

Prof. Antoine aus Wien als Gast. Spricht über: Gynäkologie und Frauensport

GAW

01.12.1944

Fall 29 (v. 28.11.) Status praeeklampticus: mazerierter Foetus, kleine Plazenta | Fall 33: Peritonitis puerperalis | Fall 34: fraglicher Tumor im Abdomen

GAW

04.12.1944

Demonstration des Operationspräparates: Fall 35: Ca colli mit stark verdickter linker Drüse | Fall 36. alter incompletter Dammriss | Fall 37: frischer incompletter Dammriss III, Hilfe | Besprechung über Geburtseinleitung | Fall 38: Kaiserschnitt bei rachitischem Becken, leichtem Fieber, übelriechendem Fruchtwasser. Geburtsbericht des Praktikanten

GAW

05.12.1944

Fall 39: Lues. Primäraffekt bei junger Gravida | Fall 40: papilläres Exanthem bei Gravidität. – Fliegeralarm –

GAW

06.12.1944

Fall 41: 39 Jahre alt Portio Ca. Eingehende Demonstration, Lugolprobe.

CK

07.12.1944

Fall 42: akutes Hydramnion bei WR 5 (WR = Wassermann-Reaktion)

CK

08.12.1944

Thema: Lues | Vorstellung: Kind 43, gesund, Mutter papilläres Exanthem | Fall 44: Kind gesund, Mutter: WR 5 | Diapositive von luetischer Hauterkrankungen, luetische Kinder, luetische Plazenta | Entstehung des Hydramnions: Diapositive | Fall 45: Operationspräparat Ca. colli | Fall 34 (v. 01.12.): mikroskopisches Präparat

CK

11.12.1944

1. Schwangerschaftsreaktion mit Hormonextraktion (positiver und negativer Fall) 2. Operationspräparat Fall 46: Ca colli 3. Fall 47: Hydramnion-Zwillinge und Plazenta 4. Form der Wehenmittel und ihre Anwendung. 1 Chinin, zur Sensibilisierung des Uterus (Prof. Kaufmann)

CK

12.12.1944

1. Abortcurettage: Frau 48. 2. Operationspräparat Fall 49: (unleserlich), 3. Besprechung über die zweckmäßige Anwendung der Hypophysen-Hinterlappen-Extrakte als Wehenmittel

CK

13.12.1944

1) Fall 50 (Poliklinik) Portioerosion. Schiller’sche Iodprobe. 2) Schwangerschaftsreaktion: Diapositive 3) Wehenmittel: Secalepräparate

CK

14.12.1944

Fall 51 (Poliklinik) Makulöses Exanthem bei Grav mens V und Wassermann-Reaktion 5; 2. Fall 52: Geburtsbericht. Frühzeitiger Blasensprung. Steisslage. Keine Wehen trotz Wehenmittel. Sectio cesarea.

CK

15.12.1944

1) Fall von Bartholinitis und Vaginitis nach Scharlacherkrankung 2) Sinnvolle Anwendung der Wehenmittel in der Eröfnungs-, Austreibungs- und Nachgeburtsperiode. Genaue Angabe der Dosierung.

CK

Winterferien

Hinweis der Autoren: Am 16. Dezember 1944 begann die Ardennen-Offensive der Wehrmacht

10.01.1945

Fall 53: angebliche Amenorrhoe seit Juni. Klinische Diagnose: Gravidität mens VII/VIII. Demonstration der Röntgen-Aufnahme Fall 54: im Beckenausgang verengtes Becken. Kind unter der Geburt verstorben. Perforation. Besprechung der Kraniotomie nach der Methode von Porro und Parthes.

CK

11.01.1945

Demonstration von Collum-Stumpf Carcinom nach supravaginaler Uterus-Exstirpation. 1. Fall 55 (Adeno Ca) 2 Fall 56 (AdenoCa). Therapie: Ausführliche Besprechung über das Wachstum des Corpuscarcinoms.

CK

12.01.1945

Allgemeine Betrachtungen über die Ursachen der Menorrhagien bei Myom. Demonstration eines Operationspräparates: beiderseitiges Ovar-Kystom, papillär wachsend. Weitere Besprechung des Corpus Carcinoms: Ausbreitung desselben. Episkopie-Bilder. Notwendig zur genauen Diagnostik ist eine exakte Corpus- und Collum-Curettage. – Verlauf des Corpus Ca: Blutungen – eventuell Metastasen in den Tuben und im Ovar – Therapie: Total-Exstirpation des Uterus mit Adnexen oder Radiumbestrahlung.

CK

15.01.1945

Thema: Vielfältigkeit der Entzündungen des weiblichen Genitale. 1. Fluor – Aetiologie – Lokalisation (Scheide, Cervix). Entzündung der höher liegenden Organe: Tube und Ovar, weiterhin des Parametriums und der Oberfläche der Serosa (Perimetritis) 2. Entzündungen durch Bakterien a) Gonokokken – b) Streptokokken (post partum) c) Coli – d) Tuberkel – e) Trichomonaden. 3) Entzündung durch Ascendierung, durch Übergreifen der Entzündung (z. B. bei Appendicitis), von der Serosa-Oberfläche der Flexur oder vom Mastdarm ausgehend – Metastatische Entzündung nach Angina. Vorstellung: Fall von Kolpitis.

CK

16.01.1945

Vorstellung: Frau, seit 5 Jahren unregelmäßige Blutung. Schmerzen beim Verkehr. Diagnose: Carcinom der hinteren Muttermundslippe, exophytisch wachsend. 2) Fall 33 (vom 1.12.) Fall von puerperalem Aufstiegsabszess oder Infekt in Tube und Ovar durch anaerobe Infektion (wochenlang Fieber, Hochstand des Uterus, Hyperleucocytose), Schmerzen im Leib. Eingehende Besprechung dieses Falles, der Peritonitis und Parametritis

CK

17.01.1945

Demonstration des Operations-Präparates: Ca. colli. Anatomie der Parametritis an Hand der Moulagen. – Verlauf der Parametritis (Infiltration, eitrige Einschmelzung: Abszesshöhlen, hartes Infiltrat – Folgen der Parametritis (Verengung des Ureters, Hydronephrose, Pyelonephrose, Atrophie der Niere, Ileus) – Symptome der Parametritis: (Fieber) Schmerzen. – Prophylaxe: einwandfreie Asepsis bei der Geburt

CK

18.01.1945

1) Geburtsbericht des Internatsteilnehmers über Fall 57: Steisslage. Beckenendlagen-Geburt. Ausführliche Besprechung dieses Falles. Vorstellung des Kindes. 2) Vorstellung: Frau 58: Hängebauch. Gravidität mens IX/X, Rectusdiastase. Eingehende Besprechung 3) Besprechung der kindlichen Hüftgelenkluxation (3 Stereobilder) 4) Vorstellung: 57jähr. Frau: Vulvitis u. Ca. colli | Vorstellung 47jähr. Frau Ca. colli infiltrierend wachsend bis in das parametrane Gewebe.

CK

19.01.1945

Bluttransfusion sternal | Fall 59, 19jährig, Wiederaufnahme wegen anhaltender starker Blutungen. Hämoglobin 40%. Ursache der Blutung: schlechte Kontraktion des Uterus wegen Mangel an hypophysärem Hinterlappenhormon. 2) Vorstellung: Prolaps mit Dehnungsgeschwür.- Anschließend Anatomie des Prolaps (Tafel, 2 Diapositive). 3) Schlußthema: Diagnose der Parametritis (Infiltrate, Exsudate, Verengung des Beckens, dabei achten auf Differentialdiagnose: Parametritis oder Rectum-Carcinom. Rektaluntersuchung erforderlich.

CK

22.01.1945

Vorstellung 1) Kind 60. mit Kephalhämatom geringen Grades. Besprechung desselben (Entstehung, Prognose) 2) Frau mit abgestorbenem Kind, seit 8 Tagen keine Kindsbewegungen mehr fühlbar. Genaue Besprechung: Feststellung durch rectale Untersuchung, Abtastung, Röntgen-Aufnahme. – Symptom: Kältegefühl im Leib. – Ursache: bei 4/5 der Fälle ist Syphilis die Ursache. Ferner kommen in Frage: Störungen an der Placenta, Übertragungen, Umschlingung der Nabelschnur, habituelle Aborte.| Geburtsbericht von Fall 61 (Hängebauch) vorgetragen von Internatsteilnehmerin. | Vorstellung: Prolaps mit Dehnungsgeschwür (s. 19.01.) das in Heilung begriffen ist.

CK

23.01.1945

Besprechung der Gonorrhoe – Häufigkeit der Gonorrhoe – Biologie des Gonokokkus. – Wachstum.- Verhalten des Gonokokkus im menschlichen Körper. – Wie reagiert die Schleimhaut? – Erkrankung der Scheide bei Neugeborenen, in der Schwangerschaft und im Klimakterium. – Parametritis selten. – Oftmals Entzündung der Muskulatur besonders der Tube. – Ganz selten Knochenerweichung. Infektion durch Geschlechtsverkehr – Lokalisation. – Verlauf. – Immunität sehr selten.

CK

24.01.1945

1) Vorstellung des abgestorbenen Kindes und der Placenta (vom 22.01.) 2) Weitere Besprechung der Gonorrhoe. Infektion. Lokalisation. Diapositive und Episkopische Bilder (Abstrich, Lokalisation, Condylome, Infektion der Cervix- und Corpus-Schleimhaut)

CK

25.01.1945

1) Vorstellung: Fall von Mitralstenose bei Gravidität. Bei Eröffnung des Muttermundes wurde eine Zangengeburt vorgenommen. Thema: Herzfehler u. Gravidität: Acidose – Mortalität – starke Inanspruchnahme der Herztätigkeit – Decompensation beseitigen – In der Austreibungsperiode Preßwehen vermeiden durch Zangengeburt – Langes Wochenbett. 2) Besprechung eines Falles von Coronarinsuffizienz. Im 4. Monat Anfälle von Atemnot. Geburt gut verlaufen. 3) Besprechung eines Falles von Mitralstenose: Früher Gelenkrheumatismus. Geburt gut verlaufen.

CK

26.01.1945

1) Vorstellung eines Kindes, neugeboren, das 14 Tage lang im Meconium gelegen hat vor der Geburt. Besprechung: Meconiumabgang in der Gravidität, vitale Maceration (Diapositive) 2) Fortsetzung des Themas: Gonorrhoe: Ascension, Endometritis gonorrhoica der Uterusschleimhaut (Episkopische Bilder) – Salpingitis acuta (Eiter, Exsudat im Lumen der Tube: – das anatomische Bild der Ascension: (Tubenverschluß, Einrollung der Fimbrien, Perimetritis und auch Pelveoperitonitis (Episkopische Bilder und Diapositive) 3) Vorstellung: Fall von ascendierender Adnexentzündung, 40jährige Frau. In Anbetracht des Uterus der Patientin ist therapeutische Operation notwendig.

CK

29.01.1945

Vorstellung: Fall von Wochenbettfieber. Besprechung des Wochenbettfiebers: das anatomische Bild. – das klinische Bild – Therapie (Episkopische Bilder, Diapositive, 2 Aquarelle)

CK

30.01.1945

1) Vorstellung: Neugeborenes (s. 26.01. Meconiumkind)/: Menstruatio praecox. Besprechung dieses Falles. Betrachtung über die fleischartige Beschaffenheit des Vaginalepithels bei geschlechtsreifer Frau und beim Neugeborenen (Diapositive) 2) Demonstration von Operationspräparaten. Ca colli – ascendierende Entzündung (Adnextumor) – Adnexitis und Pelveoperitonitis.

CK

31.01.1945

Fortsetzung des Themas: Gonorrhoe 1) Symptome der entzündlichen Erkrankung des oberen Genitalapparates – Schmerzen durch Adhäsionen – Regelstörung – sekundäre Amenorrhoe – Druckempfindlichkeit der Martin’schen Punkte. 2) Diagnose: genaue Anamnese – Abstrich – Provokation – Gonorrhoe-Vaccine – Differentialdiagnose: Appendicitis, Tubenruptur, Tubargravidität, Ovarialtumor. Röntgenologische Feststellung durch: Salpingographie.

CK

01.02.1945

Demonstration von Salpingographieaufnahmen. Instrumentarium. Fortsetzung des Themas entzündliche Erkrankungen des Uterus und der Adnexe. 1. Prognose 2. Prophylaxe 3. Therapie

CK

02.02.1945

Prüfung

Zu Beginn des Wintersemesters 1944/45 stand die Charité-Frauenklinik am Alexanderufer unter dem Direktorat von Prof. Georg August Wagner (1873–1947) [10]. Carl Kaufmann war damals Oberarzt der Klinik [4] [11].

Das gynäkologisch-geburtshilfliche Wissen der damaligen Zeit wurde im deutschsprachigen Raum u. a. in den beiden dominierenden Lehrbüchern der Gynäkologie bzw. der Geburtshilfe von Walter Stoeckel, dem Direktor der I. Universitäts-Frauenklinik Berlin in der Artilleriestraße, zusammenfassend dargestellt [12] [13]. Am 29.11.1944 wurde in den Aufzeichnungen über die Charité-Vorlesung sogar konkret auf Stoeckels Werk Bezug genommen [2] Auch wenn also der Wortlaut der Lehrveranstaltung nicht überliefert ist, kann man doch noch heute mit diesen beiden Stoeckel’schen Lehrbüchern in etwa nachvollziehen, was den Studentinnen und Studenten im Wintersemester 1944/45 vermittelt wurde. Wagner selbst hinterließ bis auf seine hervorragende Operationslehre [14] [15] kein umfassendes Lehrbuch, gleiches galt für seinen brillanten Oberarzt und Nachfolger Carl Kaufmann [11]. Wagner schrieb im etwas salbungsvollen Stil der damaligen Zeit: „… Als wichtigste und liebste Aufgabe erschien mir alle Zeit die Lehrtätigkeit, die sich nicht nur auf den Hörsaal beschränkte, indem ich versuchte, unsere ärztliche Kunst durch Beispiele zu übermitteln, sie freizuhalten von engstirniger Einseitigkeit und meine Schule (…) in lebendigster Verbindung zu halten mit der ganz grossen Heilkunde, sie zu bewahren vor einiger Überbewertung der Technik, so wichtig deren Übung auch ist und neben allem Kunst- und Handwerklichen des Berufes das Menschliche und Ethische im Arzttum zu pflegen …“ [16] Und rückblickend selbstkritisch fügte er bereits 1943 hinzu: „… Um eine große wissenschaftliche Leistung einmal zu hinterlassen, dazu fehlte mir die Konzentration auf besondere Arbeitsgebiete. Wo mich etwas interessierte, da griff ich zu, die Ergebnisse sorgfältiger Arbeit oft nur in einem Vortrag niederlegend. Ich habe den Fehler gemacht, dem Rate meines Lehrers von Eiselsberg nicht zu folgen, mich auf ein bestimmtes Arbeitsfeld zu konzentrieren …“ [16]

Die vorliegenden Aufzeichnungen zeigen, dass in fast allen Lehrveranstaltungen Vorstellungen von Patientinnen (bis hin zu Entbindungen oder Operationen) im Hörsaal erfolgten und „Diapositive“ (Durchlichtbild, Diaskop) und „Epi“ (= Episkop, Auflichtprojektor), die damals modernste Vortragstechnik, eingesetzt wurde. Der im Eintrag vom 23.11.1944 erwähnte Döderlein’sche „Trickfilm“ über die Eröffnungsperiode [2] konnte bisher noch nicht aufgefunden werden.

Am 30. November 1944 besuchte Tassilo Antoine (1895–1980), der damalige Ordinarius der I. Universitäts-Frauenklinik Wien, die Charité-Frauenklinik und hielt eine Vorlesung über Gynäkologie und Frauensport [2]. Die beiden Österreicher Antoine und Wagner hatten ihre Karriere in früheren Jahren gemeinsam als „Operationszöglinge“ bei dem Billroth-Schüler Anton Freiherr von Eiselsberg (1860–1939) in Wien begonnen. Eine ausführlichere Publikation Antoines zum Thema Frauensport konnte bisher weder in der Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie noch im Zentralblatt für Gynäkologie oder im Archiv für Gynäkologie nachgewiesen werden.

Auch der Krieg hinterließ in den Aufzeichnungen der Vorlesungsassistenten seine Spuren: am 5. Dezember 1944, einem Dienstag, hieß es lapidar „Fliegeralarm“ [2]

Die Aufzeichnungen enden am 2. Februar 1945, einem Freitag, mit dem kurzen Eintrag „Prüfung“ [2]. Wie viele Studenten und Studentinnen an dieser Prüfung teilnahmen, wer prüfte und was geprüft wurde, aber auch, ob alle Prüflinge bestanden, ist nicht bekannt. Einen Tag später flog die die US-Luftwaffe mit 958 B-17 Bombern den schwersten Luftangriff des ganzen Krieges auf Berlin.

Die Situation der Klinik waren inzwischen sehr kompliziert geworden. Die Charité-Kliniken wurden vom alliierten Bombardement des Stadtzentrums mehrfach getroffen. Der Direktor der Charité-Frauenklinik Georg August Wagner befand sich zu dieser Zeit schon in Garmisch-Partenkirchen und kehrte von dort nicht mehr in die Reichshauptstadt zurück. Im Februar 1945 übergab er die Klinikleitung kommissarisch an Carl Kaufmann [17].

Der nächste Eintrag nach dem 2. Februar 1945 stammt dann erst wieder von 12. Februar 1946: „ Prof. Kaufmann. Semesterbeginn 1946, Vorbesprechung wegen Kollegbeginn“ [2] Nach der Berufung Kaufmanns an die Philipps-Universität Marburg leitete dann ab Mai 1946 Friedrich Schopohl die Geschicke der Charité-Frauenklinik, die am 31. August 1951, nach dem Dienstantritt von Helmut Kraatz (1902–1983), dem Nachfolger Stoeckels, mit der I. Universitäts-Frauenklinik „fusioniert“ wurde, was zur Schließung der Klinik führte [17]. Nur eine gynäkologische Sprechstunde und das alte „Pockenhaus“, heute „Aschheim-Zondek-Haus“ blieben damals als Erbe der Universitäts-Frauenklinik in der Charité bestehen, die in der DDR-Zeit Anfang der 1950er Jahre in eine interdisziplinäre Geschwulstklinik umgewandelt wurde [10].



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
30. Juni 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany