NOTARZT 2025; 41(03): 125
DOI: 10.1055/a-2604-6504
Journal Club

Immer alles, was geht, oder ist manchmal weniger mehr?

Contributor(s):
Florian Reifferscheid
,
Thoralf Kerner

Ein traumabedingter Herz-Kreislauf-Stillstand betrifft oftmals junge Menschen und motiviert vielleicht auch dadurch mitunter die Helfenden zu besonderen Maßnahmen. Unter diesen erweiterten invasiven Maßnahmen ist die Clamshell-Thorakotomie eine, die im Rettungsdienst kontrovers diskutiert wird. Ihre Invasivität stellt hohe Ansprüche an Training und Kompetenz der Handelnden und ist mit einem großen Potenzial zusätzlicher psychischer Belastungen der Helfenden und Angehörigen vergesellschaftet. Daher muss sie dort, wo sie durchgeführt wird, in ein sorgfältig durchdachtes Trainings- und Behandlungskonzept eingebettet sein, das nicht im Rettungsdienst endet, sondern auch die geeigneten Transportmittel und Zielkrankenhäuser inkludiert.

Eine aktuell im JAMA veröffentlichte Analyse von 601 Patienten, die in einem hochspezialisierten, schwerpunktmäßig auf die Traumaversorgung ausgerichteten Notarztsystem in einem definierten Einsatzgebiet mit hoher Bevölkerungsdichte eine Clamshell-Thorakotomie erhielten, hat die Diskussion auch in Deutschland neu angefacht [1]. Es stellt sich die Frage, wie man die geeigneten Patienten identifizieren und erreichen und vor allem die durchführenden Teams ausreichend qualifizieren und rechtzeitig an die Einsatzstelle disponieren kann.

Wenn auch ohne Einbeziehung notärztlicher Gremien hat eine Reihe von Fachgesellschaften ein Statement dazu publiziert, das sich mit den Anforderungen an das Team und das System auseinandersetzt und vor allem die Trainingsmöglichkeiten infrage stellt, leider jedoch einen konkreten Vorschlag schuldig bleibt [2]. Die BAND hat die Notwendigkeit der Schaffung einer Datenbasis zur Bewertung der Maßnahme bezogen auf den deutschen Rettungs- und Notarztdienst genutzt, um das bereits vorhandene Hämotherapieregister BiNAR (Blut im Notarztdienst-Register) [3] um die Erfassung erweiterter invasiver Maßnahmen zu ergänzen.

Wir haben das Thema zum Anlass genommen, Ihnen mit einem Pro-Con-Beitrag verschiedene Standpunkte dazu darzulegen und somit zur Diskussion beizutragen.

Dr. Frank Weilbacher und Kollegen sprechen sich in ihrem Kommentar zur oben vorgestellten Studie von Perkins et al. [1] für die Thorakotomie als lebensrettende Intervention bei schwerverletzten Patienten aus. Dr. Jacqueline Amian und Kollegen betrachten die Maßnahme kritisch.

Klar ist, dass eine Thorakotomie keine Maßnahme ist, die standardmäßig von allen im Notarztdienst Tätigen durchgeführt werden kann. Sie stellt jedoch eine Maßnahme dar, die seit mehr als 10 Jahren im Algorithmus für den traumatischen Kreislaufstillstand oder Peri-Arrest [4] genannt ist und es muss unser Ziel sein, Wege zu finden, wie die geforderte Expertise an der Einsatzstelle aufgebaut werden kann.Es ist unsere Aufgabe zu identifizieren welche Teams man dafür spezialisieren und wie man diese einsetzen kann. In der Planung muss die gesamte Rettungskette bedacht, die geeigneten Zielkliniken eingebunden und eine Clinical Governance-Kultur eingerichtet werden, die zum Ziel hat das Mindset der Handelnden und die interkollegiale Analyse der Fälle auf das Ziel der bestmöglichen Patientenversorgung auszurichten. Denjenigen, denen erweiterte notärztliche Maßnahmen wie Hämotherapie oder Thorakotomie zur Verfügung stehen, kommt eine hohe Verantwortung für eine kritische, ausschließlich patientenzentrierte und situationsgerechte Indikationsstellung zu, damit ein Mehrwert der Maßnahmen belegt und die Diskussion konstruktiv weitergeführt werden kann.



Publication History

Article published online:
02 June 2025

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