Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2025; 32(05): 231
DOI: 10.1055/a-2620-4066
Editorial

Die erste deutsche Astronautin: kein Weltraumtourismus

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  • Oliver Ullrich

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Fram2-Mission (Crew Dragon Resilience, Start am 1. April 2025 um 01:46 UTC von LC-39A) dauerte 3 Tage 14 Stunden und führte eine vierköpfige Crew in einen nahezu polaren Erdorbit (Inklination 90°) mit Höhen zwischen 426 und 432 km. Fram2 verfolgte 2 Hauptziele: Polarforschung aus dem unteren Erdobit und die Forschung zur Weiterentwicklung der menschlichen Fähigkeiten für Langzeitaufenthalte im Weltraum. Die Fram2-Crew bestand aus Mission Commander Chun Wang (Malta/St. Kitts and Nevis), Vehicle Commander Jannicke Mikkelsen (Norwegen/Vereinigtes Königreich), Vehicle Pilot Rabea Rogge (Deutschland) sowie Mission Specialist and Medical Officer Eric Philips (Australien).

Kaum war die Mission gestartet, fluteten Medien den öffentlichen Raum mit Arroganz und Respektlosigkeit: An Bord seien bloß Touristen auf einer Weltraum-Pauschalreise, ein kurzer Trip ohne Wert für die Wissenschaft, die Experimente an Bord reine Spielerei, die Weltraumtouristen blickten 3 Tage lang nur aus dem Fenster und Rabea Rogge verdanke ihren Raumflug nicht einer Astronautenqualifikation, sondern weil sie einen Milliardär getroffen habe.

Doch dieses Bild hält der Realität nicht stand. Fram2 war kein Vergnügungsflug, sondern eine privat finanzierte Forschungsmission mit 22 Experimenten, entwickelt von führenden Institutionen wie der University of Pennsylvania, der Johns Hopkins University, der LMU München, der Charité Berlin, der Universität Zürich und mit Forschungen der NASA. Die Crew absolvierte ein vollwertiges Training auf dem Crew Dragon – abgespeckt nur um ISS-spezifische Elemente – und musste alle Notfallprozeduren ebenso beherrschen wie die manuelle Steuerung. Wer hier von „Touristenflug“ spricht, verkennt auch die Tradition nichtprofessioneller Astronauten, die schon in der Shuttle-Ära als „Payload Specialists“ eingesetzt waren, darunter im Übrigen auch deutsche (männliche) Astronauten der D1- und D2-Mission. Diese wurden, im Gegensatz zur ersten deutschen (weiblichen) Astronautin, niemals als Weltraumtouristen diffamiert. Auch das Argument, ein dreieinhalbtägiger Flug sei wissenschaftlich wertlos, ist purer Unsinn: Seit Jahrzehnten arbeiten Forschende mit unterschiedlich langen Schwerelosigkeitsfenstern an wissenschaftlichen Teilfragestellungen, vom Parabelflug über den Shuttle bis hin zur ISS. Fram2 reiht sich genau in diese Logik ein.

Und schließlich: Ja, die NASA hat Effekte der Schwerelosigkeit auf den Menschen intensiv untersucht, aber fast ausschließlich an einer homogenen Elite männlicher Astronauten, viele davon aus dem Militär. Fram2 dagegen setzte auf eine divers zusammengesetzte Crew, Frauen und Männer unterschiedlichen Alters, die „ganz normale Menschen“ repräsentierten. Genau das macht den Wert dieser Mission aus: Sie liefert Daten darüber, ob Raumfahrt nicht nur für eine kleine Elite, sondern für viele Menschen machbar ist.

Und am Ende spielt eine Journalistin des öffentlichen-rechtlichen Fernsehens noch die Neidkarte: „Astronautin zu werden, ist schwer. Es sei denn, man trifft einen Milliardär – so wie Wissenschaftlerin Rabea Rogge.“ Bei diesem Milliardär handelt es sich um Chun Wang, einen breit interessierten und visionär denkenden Kryptomilliardär, der sein Geld gewiss auch für andere Dinge hätte ausgeben können. Stattdessen stellte er eine Forschungsmission zusammen.

Die Crew begab sich auf eine gefährliche und anspruchsvolle Reise. Ich persönlich verneige mich mit größtem Respekt vor den Leistungen der Crew und der von Rabea Rogge.



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Artikel online veröffentlicht:
01. Oktober 2025

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