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DOI: 10.1055/a-2630-2464
Magnetkraft Notaufnahme – Der Weg zur Exzellenz
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Es beginnt oft mit kleinen, leisen Gedanken. Mit dem Gefühl: Da geht doch mehr. Mit der Ahnung: So, wie es ist, darf es nicht bleiben. Und manchmal auch mit dem Trotz: Dann machen wir es eben selbst besser. Wer in der Zentralen Notaufnahme arbeitet, kennt diese Momente. Zwischen eng getaktetem Alltag und immer neuen Herausforderungen, zwischen Personalknappheit und Versorgungsdruck wächst nicht nur der Anspruch – sondern auch das Bewusstsein: Wir können mehr bewirken. Mit Haltung. Mit Engagement. Mit Verantwortung.
Magnet Hospitals – Das Magnet Recognition Program wurde in den 1980er-Jahren in den USA ins Leben gerufen, nachdem Krankenhäuser ausgemacht worden waren, die trotz Pflegemangels besonders erfolgreich qualifiziertes Personal anziehen und halten konnten – „wie ein Magnet“. Heute gilt das Programm des American Nurses Credentialing Center (ANCC), dessen Grundlage eine gelebte Kultur der Beteiligung und ein Miteinander auf Augenhöhe sind, als internationaler Goldstandard für Pflegequalität, Mitarbeiterzufriedenheit und Patientensicherheit. Seit den 2000er-Jahren verbreitet sich das Konzept auch in Europa [1]. In Deutschland gibt es bislang keine zertifizierten Magnet-Krankenhäuser, doch 20 Kliniken beteiligen sich an der EU-Initiative Magnet4Europe, um das Modell auf die hiesigen Strukturen zu übertragen [2].
Ein Magnet Hospital steht nicht für Perfektion, sondern für Richtung und Entwicklung. Es schafft Bedingungen, in denen Teams Verantwortung übernehmen – nicht, weil sie müssen, sondern weil sie können, dürfen und wollen. Weil sie gehört werden. Weil ihre Expertise zählt. Weil sie bereit sind, sich für gute Versorgung einzusetzen – mit Überzeugung, Wissen und Haltung. Weil sie nicht nur reagieren, sondern gestalten wollen. Weil sie Verantwortung tragen – und sich zugleich als wirksamer Teil eines größeren Ganzen erleben.
In der Notaufnahme bedeutet das: Entscheidungen gemeinsam treffen, Teamstrukturen stärken, pflegerische und ärztliche Exzellenz fördern. Es heißt, Räume zu schaffen für Feedback, Weiterbildung, Supervision – aber auch für Reflexion, Humor und Menschlichkeit im Alltag. Es heißt, sich einzumischen, mitzugestalten und dabei nie das Ziel aus den Augen zu verlieren: die bestmögliche Versorgung für Patient:innen und Angehörige in einer Umgebung, in der auch wir selbst gut arbeiten und gut bleiben können.
Dabei spielt Führung eine zentrale Rolle – nicht als hierarchisches Machtmodell, sondern als Ermöglicherin. Führung in einem Magnet Hospital heißt, Potenziale zu erkennen, Entwicklung zu fördern und Vertrauen und Sicherheit zu schaffen. Es geht darum, gemeinsam Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Teams nicht nur überleben, sondern aufblühen können. Und es geht um die Gestaltung einer gelebten Teamkultur, die nicht nur Leistung fordert, sondern auch eine aktive Fehlerkultur, gegenseitige Unterstützung und echtes Mitdenken ermöglicht. Denn wer sich sicher fühlt, kann auch sicher handeln – und wird langfristig bleiben.
Die Transformation zur Magnetstruktur ist kein Sprint. Sie ist ein Marathon mit Gegenwind. Und doch lohnt sich jeder Schritt. Denn die Studien zeigen klar: Magnet-Einrichtungen haben bessere klinische Ergebnisse, eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit, niedrigere Fluktuation und bessere interprofessionelle Zusammenarbeit [3] [4] [5] [6]. Und vielleicht noch wichtiger: Sie geben der täglichen Arbeit wieder mehr Sinn. Mehr Stolz. Mehr Wirksamkeit. Exzellenz ist dabei kein Selbstzweck – sie ist der Ausdruck dessen, was Patient:innen erwarten dürfen und was wir selbst anstreben wollen.
Vielleicht ist die Notaufnahme nicht der erste Ort, an den man denkt, wenn von Magnet-Krankenhäusern die Rede ist. Aber vielleicht ist sie genau der richtige Ort um anzufangen. Weil hier die Dringlichkeit am spürbarsten ist. Weil hier alles zusammenkommt. Und weil hier das Team der entscheidende Faktor ist – Tag und Nacht, 365 Tage im Jahr.
Wir machen uns also auf den Weg. Nicht naiv, aber mutig. Nicht blind für das, was fehlt, sondern klar und überzeugt in dem, was möglich und nötig ist. Wir übernehmen Verantwortung – für unsere Arbeit, füreinander und für die Zukunft einer exzellenten Notfallversorgung.
Denn genau das ist das Ziel: Eine Zentrale Notaufnahme, in der Exzellenz nicht die Ausnahme bleibt, sondern zum gelebten Anspruch wird. Eine, die Magnetkraft entfaltet – für Patient:innen, für Angehörige und für uns alle im Team.
Philipp Kümpers unterstützt als Magnet-Botschafter das Magnet4Europe-Team des Universitätsklinikums Münster seit 2021. Stephanie Tanzberger und Andreas Kocks arbeiten am Universitätsklinikum Bonn und engagieren sich für die Weiterentwicklung pflegerischer Versorgung, qualitätsorientierte Strukturen sowie eine zukunftsfähige Notfall- und Akutmedizin. Am UKB sind sie aktiv an der Umsetzung der Magnet-Kriterien im Rahmen der europäischen Transformationsstudie Magnet4Europe beteiligt.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
21. Oktober 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1
Sermeus W,
Aiken LH,
Ball J.
et al.
A workplace organisational intervention to improve hospital nurses' and physicians'
mental health: study protocol for the Magnet4Europe wait list cluster randomised controlled
trial. BMJ Open 2022; 12 (07) e059159
Reference Ris Wihthout Link
- 2
American Nurses Credentialing Center (ANCC).
Magnet Recognition Program. Zugriff am 09. September 2025 unter: https://www.nursingworld.org/organizational-programs/magnet/
Reference Ris Wihthout Link
- 3
Aiken LH,
Clarke SP,
Sloane DM.
et al.
Hospital nurse staffing and patient mortality, nurse burnout, and job dissatisfaction.
JAMA 2002; 288 (16) 1987-1993
Reference Ris Wihthout Link
- 4
Kelly LA,
McHugh MD,
Aiken LH.
Nurse outcomes in Magnet and non-Magnet hospitals. J Nurs Adm 2011; 41 (10) 428-433
Reference Ris Wihthout Link
- 5
Kutney-Lee A,
Stimpfel AW,
Sloane DM.
et al.
Changes in patient and nurse outcomes associated with Magnet hospital recognition.
Med Care 2015; 53 (06) 550-557
Reference Ris Wihthout Link
- 6
Kohnen D,
De Witte H,
Schaufeli WB.
et al.
What makes nurses flourish at work? How the perceived clinical work environment relates
to nurse motivation and well-being: A cross-sectional study. Int J Nurs Stud 2023;
148: 104567
Reference Ris Wihthout Link
