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DOI: 10.1055/a-2665-6006
Liebe Mitglieder der DGMM,
Authors
das Thema Künstliche Intelligenz (KI) in der Schifffahrtsmedizin gewinnt zunehmend an Bedeutung – nicht nur in Forschung und Technik, sondern ganz konkret zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Seeleuten. Auch das ZfAM engagiert sich seit über 2 Jahren wissenschaftlich in diesem Bereich und fokussiert mit seinem EU-Forschungsprojekt „AI-healthy ship“ die Entwicklung einer KI-basierten Gesundheitsplattform (App). Ausgehend von aktuellen Forschungserkenntnissen an Bord soll die gesundheitliche Verfassung und der Präventionsbedarf von Besatzungen erfasst und individuelle Gesundheitsinterventionen vorgeschlagen werden. Ziel ist eine Verbesserung des psychischen und physischen Wohlbefindens sowie eine Reduzierung von Fatigue und Schläfrigkeit an Bord (https://ai-healthy-ship.eu/start/).
Weltweit gibt es derzeit mehrere Initiativen, die zeigen, wie KI in der Schifffahrt und in der Telemedizin eingesetzt wird. Vom International Radio Medical Centre (C. I. R. M.) wurde z. B. ein intelligentes Assistenzsystem entwickelt (Marine Doctor (M Doc)), das Besatzungsmitglieder ohne profunde medizinische Ausbildung bei der Kommunikation und Interaktion mit Funkärzten an Land unterstützt. Mithilfe dieser App werden Symptome der Seeleute strukturiert erfasst und Ferndiagnosen erleichtert. Somit sollen Fehlentscheidungen durch unvollständige Informationen reduziert werden (www.mdpi.com/2075–4426/12/5/832).
Ein weiteres Beispiel für KI-Entwicklungen in der Schifffahrt ist „Mermaid-AI“, bei der eine maritime Fernunterstützungsplattform auf Basis von Satellitentechnologien, künstlicher Intelligenz und Augmented Reality (AR) entwickelt wird. Diese Plattform ist zunächst für Freizeitboote konzipiert, soll aber auch das Potenzial besitzen, auf andere Schiffstypen ausgedehnt werden zu können. Diese Telemedizinplattform ist mit einem spezifischen AR-Gerät für den Bediener an Bord ausgestattet und steht mit dem Gesundheitspersonal an Land in Kontakt. Das System beruht auf einer Reihe von Sensoren zur Überwachung von Vitalparametern eines Patienten an Bord und verfügt über E-Triage- und Selbstversorgungsalgorithmen, die durch künstliche Intelligenz unterstützt werden.
Aus (präventiv)-medizinischer Sicht scheint insgesamt ein vielseitiger Einsatz und Nutzen von KI in der Schifffahrt möglich zu sein – etwa durch Förderung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens (z. B. durch Entspannungs-Apps), durch frühzeitige Erkennung und Objektivierung von Erkrankungen oder durch Verbesserung der telemedizinischen Versorgung. Als Herausforderungen der technikbasierten Innovationen sind u. a. die Zuverlässigkeit und Validierung der Systeme zu nennen, da KI-Modelle auf guten Datenlagen beruhen müssen, um robust und valide zu sein. Natürlich sind auch Datenschutz- und ethische Aspekte zu berücksichtigen (Beachtung der Privatsphäre, Zustimmung der Besatzung sowie Verantwortung bei Fehldiagnosen). Aus technischer Sicht sind für eine gute Infrastruktur und Kommunikation eine stabile Internet-/Satellitenverbindung auf hoher See Voraussetzung. Schließlich muss die Crew intensiv geschult werden, um Vertrauen in die neuen Systeme aufzubauen, kulturelle und sprachliche Barrieren zu berücksichtigen, um somit eine breite Akzeptanz unter den Besatzungsmitgliedern zu erreichen.
Liebe Mitglieder der DGMM, die Integration von KI in die Schifffahrtsmedizin ist kein rein futuristisches Konzept mehr: sie findet bereits statt und kann zur Sicherheit, Gesundheit und Steigerung der Lebensqualität an Bord beitragen. Dabei bleibt wichtig, Chancen und Risiken bewusst abzuwägen – und aktiv mitzugestalten.
Mit herzlichen Grüßen und in Vorfreude auf den weiteren Austausch über maritime KI-Projekte,
Ihr
Marcus Oldenburg
Publication History
Article published online:
05 December 2025
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