Laryngorhinootologie
DOI: 10.1055/a-2699-8615
Der interessante Fall

Kasuistik einer traumatisch bedingten Phonophobie

Casuistic of traumatic phonophobia
Helmut Schaaf
1   Hör- und Gleichgewichtsambulanz, Tinnitus-Klinik Dr. Hesse, Bad Arolsen, Germany
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Einleitung

Eine Phonophobie als „sonstige abnorme Hörabweichung“ (ICD H93.2) kann diagnostiziert werden, wenn Patienten auf spezielle Geräusche – weitestgehend unabhängig von deren Lautstärke – mit hohem subjektivem Leiden und Erschrecken reagieren. Anders als beim Recruitment bei Innenohrerkrankungen ist dies unabhängig von einer Höreinschränkung [1]. Anders als bei einer allgemeinen Hyperakusis mit einer Überempfindlichkeit über das gesamte Frequenzspektrum des Hörvermögens steht bei der Phonophobie die individuelle Bedeutung der akustischen Signale im Vordergrund [1]. Diese können – von außen offensichtlich – etwa für Lehrer oder Erzieherinnen Kinderstimmen sein, bei Büroangestellten kann es das Telefonklingeln oder das Rauschen des Computerlüfters sein. Eindringlich hat F. Kafka seine Phonophobie für Geräusche von bestimmten Personen in der Erzählung „Großer Lärm“ [2] beschrieben. Speziell bei der Misophonie imponiert die starke Reaktion mit Hass, Wut und Ekel gegenüber Geräuschen, die mit Essen, z.B. Kauen und Schlucken, Schlürfen, Schlucken) oder Atmen verbunden sind [3].

Schwieriger kann die Zuordnung bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sein. Diese kann sich entwickeln, nachdem eine Person einem extrem bedrohlichen oder schrecklichen Ereignis oder einer Folge solcher Ereignisse ausgesetzt war [4]. Eine PTBS geht mit einer Dysregulation in stressverarbeitenden Hirnregionen wie der Amygdala, dem Hippocampus und dem präfrontalen Kortex einher. Ein Wiedererleben kann über eine oder mehrere Sinnesmodalitäten erfolgen und wird typischerweise von starken Emotionen, insbesondere Angst oder Entsetzen, und starken körperlichen Empfindungen begleitet [4].

Trigger im Rahmen einer PTBS können folgende Symptome auslösen:

  • Somatische Reaktionen: Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüche, Atemnot

  • Psychische Reaktionen: Angst, Panikattacken, Wut, Dissoziation, emotionale Taubheit

  • Vermeidungsverhalten: Rückzug aus Situationen mit potenziellen Triggern (z.B. Menschenansammlungen, öffentliche Verkehrsmittel)

  • Hypervigilanz: Dauerhafte Übererregung und „Lauschen auf Gefahr“

Zudem berichten Betroffene häufig über eine unerklärliche Reizbarkeit, Schlafprobleme sowie Konzentrationsstörungen.

Als Trigger wird in der wissenschaftlichen Literatur zumeist über visuelle Wahrnehmungen berichtet, hier sollen in das Fachgebiet der HNO fallende akustische Trigger als mögliche Auslöser für eine, den Betroffenen meist nicht zuordnungsfähige Symptomatik, dargestellt werden.

Akustische Trigger können bei einer PTBS eine schnelle, unbewusste Stressantwort initiieren – häufig ohne bewusste Erinnerungsassoziation. Besonders Reize, die dem Ursprungsereignis ähneln, wirken dabei potenziell retraumatisierend. Die Bedeutung akustischer Trigger liegt oft in ihrer assoziativen Verknüpfung mit dem ursprünglichen Trauma. Eine Flashback-Reaktion oder eine Dissoziation auslösen können in diesem Kontext

  • laute, plötzliche Geräusche (Explosionen, Türknallen),

  • menschliche Stimmen (Tonlage, Akzent, Stimmlautstärke),

  • bestimmte Musikstücke oder Sprachfetzen.



Publication History

Received: 01 July 2025

Accepted after revision: 10 September 2025

Article published online:
19 September 2025

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