Fortschr Neurol Psychiatr 2025; 93(11): 444-445
DOI: 10.1055/a-2706-6946
Editorial

Richtungsweisende Entwicklungen in der Frühdiagnostik und Behandlung von präklinischen und manifesten Demenzen

Trendsetting strategies in the early diagnosis and treatment of preclinical and manifest dementias

Autoren

  • Niels Hansen

  • Jens Wiltfang

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

lange Zeit hat sich in der Entwicklung von neuen Strategien zur Behandlung und in der Frühdiagnostik von präklinischen und manifesten Demenzen wenig getan. Die Entwicklung von Amyloid-Targeting-Therapien (ATT) haben zwar eine biologische Wirksamkeit in der Rückführung von erhöhten Ablagerungen des pathophysiologisch relevanten Amyloid-β Peptids bei der Alzheimer-Krankheit (AD) erbracht, aber die klinischen Erfolge in der Abschwächung des Verfalls der geistigen Leistungsfähigkeit ließen auf sich warten [1]. Die ATT bestehen aus humanisierten Antikörpern vom Immunoglobulin G1 Typ, binden an verschiedene Aggregationsstufen des Aβ-Peptids und führen zu einer Abräumung der vermehrten Amyloid-β Ablagerungen im Gehirn bei der AD. In den letzten Jahren wurden jedoch neue ATT wie beispielsweise Lecanemab und Donanemab in randomisierten Kohortenstudien getestet, die zu ersten psychometrisch und testpsychologisch in verschiedenen Skalen messbaren Erfolgen gegenüber der Placebo Bedingung führten [2, 3]. Mittlerweile sind in Deutschland Lecanemab und Donanemab zur krankheitsmodifizierenden Therapie der frühen AD zugelassen. Lecanemab hat bereits die Marktautorisierung erhalten, ist in Deutschland seit September 2025 verfügbar und wird in einem Artikel dieses Themenheftes [4] in seinem Wirkmechanismus, seinen möglichen Nebenwirkungen aber auch in der möglichen praktischen Handhabung referiert. Zwischenzeitlich ist in Deutschland auch Donanemab zugelassen und wird voraussichtlich ab November 2025 eingesetzt werden können. Richtungsweisend an diesen Entwicklungen ist die Modifikation des Krankheitsprozesses der AD, der durch die rückläufigen Amyloid-Ablagerungen in der Amyloid-Positronen Emission Tomographie (PET) sowie durch die Änderungen der Plasmabiomarker einer AD-Pathologie [5, 6] sichtbar wird und kombiniert ist mit einer Verlangsamung des kognitiven Abbaus und der Progression einer kognitiven Beeinträchtigung in ein nächsthöheres Stadium. Ein weiterer zukunftsträchtiger Erfolg von Lecanemab und Donanemab besteht darin, dass diese Medikamente bereits im Frühstadium der AD, also bei der leichten kognitiven Störung einzusetzen sind, bei dem es bislang noch keine zugelassenen Standardmedikamente gibt. Gerade die Anwendung von neuropsychologischen Instrumenten zur verbesserten Frühdiagnostik der AD von verschiedenen kognitiven Bereichen zur Erfassung einer besonders frühen leichten kognitiven Beeinträchtigung (frühes MCI) wird daher entscheidend sein, um Patienten für den frühen sekundär-präventiven Einsatz der ATT zu identifizieren. Dieser innovative Ansatz wird in einem Übersichtsartikel dieses Themenheftes [7] durch die Erläuterung der neuropsychologischen Früh- und Differentialdiagnostik dargestellt. Die Frühdiagnostik ist wichtig für die Detektion der häufig vorkommenden AD, aber dient auch dazu, um auch seltene Ursachen von kognitiven Störungen (wie bei Morbus Wilson, siehe CME-Fortbildungsartikel [8]) nicht zu übersehen. Die Autorinnen [7] beschreiben Klassifikationskriterien für die Einordnung von früh auftretenden kognitiven Einschränkungen und zeigen systematisch die derzeit dafür zur Verfügung stehenden neuropsychologischen Testbatterien auf. Zur Frühdiagnostik der AD gehört neben der neuropsychologischen Erhebung der geistigen Leistungsfähigkeit auch die Erfassung von biologischen Signaturen von fehlgefalteten Proteinen in Körperflüssigkeiten wie dem Liquor cerebrospinalis und dem Blut. Eine weitere wegweisende Entwicklung beginnt mit der Untersuchung von Blutbiomarkern zur Detektion einer Hirn Beta-Amyloidose, denn mittlerweile gibt es Hinweise, dass gerade frühe pathologische Veränderungen der Amyloid-Peptide im Blut bereits nachweisbar sind, wenn andere Untersuchungsverfahren wie das Amyloid-PET noch keine AD-Pathologie aufweisen [9]. Die Blutbiomarker einer AD Pathologie wie phosphoryliertes Tau Protein 217 und die Ratio Amyloid-β 1–42/ Amyloid 1–40 können hochdurchsatzfähig gemessen werden und weisen mit einer hohen Sensitivität und Spezifität eine Gehirn Beta-Amyloidose nach [10, 11]. Zu den Blut-basierten Biomarkern bei der AD bietet ein Artikel in diesem Themenheft zur Demenz [12] einen aktuellen Überblick. Die AD-Blutbiomarker werden in Deutschland derzeit jedoch noch nicht zur alleinigen Diagnostik empfohlen, sondern sollten jeweils unter Berücksichtigung des Liquors oder des Amyloid-PETs validiert werden. Somit werden in diesem Heft wesentliche Entwicklungen auf dem Gebiet der Frühdiagnostik der AD mittels neuropsychologischer Testverfahren unter Zuhilfenahme von blutbasierter Diagnostik, aber auch der krankheitsmodifizierenden Therapie der präklinischen als auch klinischen Alzheimer-Demenz präsentiert. Diese Innovationen werden die zukünftige Diagnostik und Therapie der AD erheblich verändern und prägen.

Niels Hansen & Jens Wiltfang



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
06. November 2025

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Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany

 
  • Literatur

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