Geburtshilfe Frauenheilkd 2008; 5(2): 78-83
DOI: 10.1055/s-0028-1082367
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Onkologie - Belastungserleben von Mammakarzinompatientinnen in der postoperativen Behandlungsphase

B. Voigt1 , A. Grimm1 , G. Schmid1 , A. Schneider2 , K. J. Winzer2 , B. F. Klapp1 , M. Rauchfuß1
  • Institutsangaben:
  • 1Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik und Psychotherapie, Brustzentrum Charité, Charité-Universitätsmedizin Berlin
  • 2Klinik für Frauenheilkunde und Interdisziplinäres Brustzentrum, Campus Charité Mitte, Charité-Universitätsmedizin Berlin
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Publication Date:
22 July 2008 (online)

Die postoperative Akutbehandlungsphase nach Diagnosestellung Brustkrebs verlangt von den Frauen zum einen den Umgang mit der Krebserkrankung, zum anderen mit dem chirurgischen Eingriff und seinen subjektiven und objektiven Folgen. Dies stellt für die Patientinnen eine Herausforderung auf biopsychosozialer Ebene dar. Somatische Belastungen stehen in der Akutbehandlungsphase zunächst im Vordergrund, während psychische und sekundäre Belastungen im sozialen Umfeld eher im Verlauf der Erkrankung entstehen können (1).

Im Falle einer Brustkrebserkrankung umfasst die Primärphase die (alternativen) Operationsbehandlungen wie Mastektomie oder brusterhaltende Therapie. Im Anschluss erfolgen gegebenenfalls eine Strahlentherapie, Chemo-, Hormon- oder Antikörpertherapie. In Studien werden Tumoren von = 20 mm mit dem Ziel einer Tumorverkleinerung mit einer neoadjuvanten Chemotherapie behandelt (2).

Aus dem Blickwinkel der Stressforschung ist die Primärbehandlung als Stressor zu betrachten (3). Zusätzlich zum physischen Distress kann subjektiv wahrgenommener psychischer Distress in diesem Zusammenhang zu negativem physischen und psychischen Befinden führen [4].

Northouse berichtet, dass die Art der primären Operation nicht in Zusammenhang mit der psychosozialen Anpassung steht [5]. Die Ergebnisse dieser Untersuchung von unverheirateten Brustkrebspatientinnen 6 Wochen nach der Operation zeigten, dass die Anpassungsanforderungen dieser Frauen im Wesentlichen von Distressfaktoren wie Schmerz, eingeschränkter Mobilität und Schlaflosigkeit abhingen, wobei die Art der primären Behandlung hierauf keinen Einfluss hatte.

Niessen et al. berichteten ebenfalls, dass sich Patientinnen mit brusterhaltender Therapie und Mastektomie in ihrem emotionalen Befinden und ihrer Lebensqualität nicht unterscheiden [6].

Andererseits wurde beschrieben, dass Patientinnen mit brusterhaltender Therapie eine höhere Lebensqualität und ein besseres Körpererleben (EORTC QLQ-C30) berichteten als mastektomierte Patientinnen. Allerdings waren Patientinnen mit Mastektomie weniger ängstlich im Vergleich zu Patientinnen mit brusterhaltender Operation. Die Art der Operation hatte keinen Einfluss auf die wahrgenommene Belastung (7-9).

Nach dem transaktionalen Stressmodell nach Lazarus haben psychosoziale Ressourcen und persönliche Einstellungen eine große Bedeutung, für den Umgang mit belastenden Ereignissen (10). Ob eine Situation als stressvoll erlebt wird und ob die einsetzende Erregung sich körperlich negativ umsetzt, hängt von vielfältigen modulierenden Einflussfaktoren ab. Das verfügbare Repertoire von Coping-Strategien spielt hier ebenso eine Rolle wie die Verfügbarkeit von sozialen Netzen oder bestimmte individuelle Persönlichkeitseigenschaften.

In diesem Zusammenhang kann das, von Antonovsky im Rahmen seines salutogenetischen Konzeptes erläuterte Kohärenzgefühl, auch in Hinblick auf supportive Maßnahmen in der Psychoonkologie zum ganzheitlichen Verständnis beitragen. Der Autor geht dabei von der Tatsache aus, dass Stressoren omnipräsent sind. Dennoch überleben viele Menschen mit einer hohen Stressorbelastung und kommen sogar gut damit zurecht. Die Konfrontation mit einem Stressor resultiert in einen Spannungszustand, mit dem das Individuum umgehen muss. Ob das Ergebnis pathologisch sein wird, neutral oder gesund, hängt von der Angemessenheit der Spannungsbearbeitung ab. Damit wird die Frage der Faktoren, die die Verarbeitung von Spannung determinieren, zur Schlüsselfrage der Gesundheitswissenschaften. Zum adäquaten Umgang mit Stressoren bedarf es generalisierter Widerstandsressourcen. Darauf baute Antonovsky das Konzept des Kohärenzgefühls auf. Gelingt es den zahllosen Stressoren, mit denen jeder Mensch fortlaufend konfrontiert ist, einen Sinn zu geben, so entwickelt sich durch diese sinnhafte Erfahrung mit der Zeit ein starkes Kohärenzgefühl. Dies ist eine globale Orientierung, die das Maß ausdrückt, in dem man ein durchdringendes, andauerndes aber dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass die eigene interne und externe Umwelt vorhersagbar ist und dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, wonach sich die Dinge so entwickeln werden, wie vernünftigerweise erwartet werden kann. (11). Psychosoziale Ressourcen wie Selbstwirksamkeitserwartung, Optimismus und Pessimismus, die im SWOP-Fragebogen (s.u.) erfasst werden, sowie soziale Unterstützung geben Hinweise auf die Bewältigungskapazitäten in belastenden Situationen. In Bezug auf die soziale Unterstützung bei Brustkrebspatientinnen ist vor allem die Partnerschaft von Bedeutung. Die Unterstützung durch einen Partner wird als positiver Faktor für die Krankheitsverarbeitung gesehen (12,13).

Die perioperative Behandlungsphase beinhaltet, neben der Belastung durch die Diagnosestellung, die Belastung durch die Operation an sich mit individuell unterschiedlich ausgeprägten Ängsten hinsichtlich des noch zu erwartenden histologischen Befundes und der dementsprechenden weiteren Behandlung. Goerling et al. berichten in einer Untersuchung zum psychosozialen Betreuungsbedarf bei stationären Tumorpatienten bei ca. 40% der Patienten Bedarf an Unterstützung, welcher bei Frauen höher eingeschätzt wurde. Unsicherheiten hinsichtlich des Operationsergebnisses forderten einen höheren Betreuungsbedarf (14). Die Autoren weisen im Hinblick auf die Prävention psychischer Komorbiditäten auf eine frühe psychoonkologische Diagnostik und Intervention hin.

Ziel der vorliegenden Studie ist es, die subjektiv wahrgenommene psychische Belastung und die wahrgenommenen Ressourcen von Brustkrebspatientinnen in der perioperativen Phase, 1-2 Tage nach der Operation, zu untersuchen.

Außerdem soll überprüft werden, ob die Art der Operation (Mastektomie vs. BET) und psychosoziale Ressourcen mit der Stressbelastung in der Akutbehandlungsphase zusammenhängen. Darüber hinaus soll untersucht werden, ob belastete Patientinnen häufiger Gesprächsbedarf haben als weniger belastete Patientinnen.

Literatur

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