Dialyse aktuell 2008; 12(5): 267
DOI: 10.1055/s-0028-1085076
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kinderwunsch bei chronischer Nierenerkrankung – ein Widerspruch?

Stephanie Schikora
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Publication Date:
06 August 2008 (online)

Eine ständige Überwachung der Nierenfunktion, eine engmaschige Blutdruckkontrolle, die Furcht vor Komplikationen, angefangen bei einer Präeklampsie über vorzeitige Wehen bis hin zu einer intrauterinen Wachstumsretardierung – all dies sind Probleme, mit denen sich Patientinnen mit eingeschränkter Nierenfunktion, Patientinnen an der Dialyse bzw. nach einer Nierentransplantation beschäftigen müssen, wenn sie trotz ihrer Erkrankung ein Kind austragen wollen. Immerhin: Noch vor gar nicht allzu langer Zeit war für diese Frauen eine Schwangerschaft nicht möglich. Inzwischen sind dank des medizinischen Fortschritts in der Nephrologie, der Geburtshilfe und der Neonatologie die Prognosen von Mutter und Kind deutlich besser.

Ohne Zweifel jedoch sollte der Schritt gut überlegt sein. Dabei sind zwei grundlegende Fragen zu bedenken: Welche Auswirkungen hat die Nierenerkrankung auf den Verlauf der Schwangerschaft und wie wirkt sich die Schwangerschaft auf den Verlauf der Nierenerkrankung oder auf das Transplantat aus? Mit sinkender glomerulärer Filtrationsrate (GFR) steigt das Risiko für eine komplikationsträchtige Frühgeburt. Darüber hinaus kann auch eine permanente Verschlechterung der mütterlichen Nierenfunktion die Folge sein.

Vergleichsweise wenig Grund zur Sorge müssen sich Frauen mit einer noch relativ guten Nierenfunktion mit einem Kreatininwert unter 1,5 mg/dl machen. Dialysepatientinnen wiederum haben ein hohes Risiko – wenn sie denn schwanger werden, denn eine Schwangerschaft ist angesichts der Infertilität bei terminaler Niereninsuffizenz selten, wenn auch keinesfalls ausgeschlossen. Auch unter optimaler medizinischer Betreuung liege hier die Frühgeburtsrate bei etwa 80 % mit einem mittleren Gestationsalter von 30,5 Wochen, berichtete Prof. Thomas Sitter, München, im letzten Jahr auf dem Kongress der Gesellschaft für Nephrologie. Und auch die Abortrate bis ins letzte Trimenon sei sehr hoch.

Bei stabiler Transplantatfunktion und ohne schwerwiegende Begleiterkrankungen sind eigene Kinder für Nierentransplantierte mithilfe von modernen Immunsuppressiva nicht mehr unmöglich. Allerdings muss die immunsuppressive Therapie unbedingt schon vor Beginn der Schwangerschaft umgestellt sein. Darüber hinaus müssen sich die Frauen der Gefahr einer Abstoßung bewusst sein. Kritischer Zeitpunkt ist dabei die Geburt, da sich der Körper von einer natürlichen Toleranz dem Kind gegenüber auf ein normales Immunverhalten umstellt. Als günstigster Zeitpunkt für eine Schwangerschaft in dieser Situation gelten bislang 18–24 Monate nach der Transplantation, da vor diesem Zeitpunkt mit einer stabilen Funktion der Transplantatniere zu rechnen ist.

Es gibt also viel zu bedenken. Eine endgültige Entscheidung über eine mögliche Schwangerschaft sollten die Frauen daher idealerweise erst nach einer umfassenden Beratung und Gesprächen mit ihren betreuenden Ärzten treffen. Aber auch der Austausch mit anderen Betroffenen, sei es in Selbsthilfegruppen oder in Internetforen, kann der Entscheidung für oder gegen die Schwangerschaft dienlich sein. Im Verein „Junge Nierenkranke Deutschland e. V.” (www.junge-nierenkranke.de) beispielsweise ist das Thema Schwangerschaft unter den weiblichen Mitglieder schon aufgrund des Alters der Mitglieder natürlich immer wieder ein Thema. Oder man besucht eines der Internetforen, die sich mit dem Thema Schwangerschaft und Dialyse beschäftigen. Denn hier trifft man – persönlich oder eben virtuell – Frauen in der gleichen Situation, die von ihren eigenen Erfahrungen berichten können: ihrer Schwangerschaft mit allen Sorgen und Problemen, aber auch den schönen Momenten, oder über ihre Erfahrungen mit einer Adoption. Ende letzten Jahres schrieb eine Teilnehmerin in einem solchen Internetforum: „Wie dringend hätte ich diesen Austausch gebraucht, als ich jünger war und der Wunsch nach einem Kind noch größer. Damals kannte ich das Forum noch nicht und hatte auch niemanden in ähnlicher Situation, der meine Gedanken und Gefühle so gut hätte nachvollziehen können.”

Uns allen bleibt nur zu hoffen, dass Ihre Patientinnen mit Ihrer Hilfe und Unterstützung ihr Risiko richtig einschätzen und eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen.

Stephanie Schikora

Stuttgart

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