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DOI: 10.1055/s-0028-1088412
Wenn der Mantel reißt – Umgang mit Fehlern
Unter der Fragestellung der Bedeutung für die Kommunikation wird der Umgang mit eigenen Fehlern von Seiten der Behandelnden, Pflegenden, Begleitenden als Einzelperson wie auch als Mitglied eines Teams sowie der Patienten selbst, wenn diese in der (biographischen) Selbstreflexion Fehler thematisieren, analysiert. Zunächst wird geprüft, welche Definitionen des Begriffs Fehler für eine solche Betrachtung tauglich sind. Lange Zeit galt: Fehler ist gleich Abweichung von einer Norm. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) definiert Fehler als einen „Merkmalswert, der die vorgegebenen Forderungen nicht erfüllt“ bzw. als „Nichterfüllung einer Forderung“. Forderungen im Kontext von Palliative Care können sich auf verschiedenen Ebenen und Bereichen ergeben, hierzu gehören u.a. instrumentelle (Kenntnisse und Fertigkeiten, ‘Best Practice'), ethische (Haltung, Gewissen, Verantwortung, Reflexion) und intrasubjektive Forderungen (Fähigkeiten).
Die transdisziplinäre Definition von Martin Weingardt erweitert das Fehlerverständnis: „Als Fehler bezeichnet ein Subjekt angesichts einer Alternative jene Variante, die von ihm – bezogen auf einen damit korrelierenden Kontext und ein spezifisches Interesse – als so ungünstig beurteilt wird, dass sie unerwünscht erscheint.“
Jedoch wird nicht selten erst retrospektiv ein ursprünglich als gut oder richtig eingeschätztes Tun oder Unterlassen als Fehler gewertet. Dabei wird bei der Zurechenbarkeit von Folgen häufig übersehen, dass nicht steuerbare Variablen in die Bewertung mit einbezogen wurden oder ein Lebensentwurf vor dem Hintergrund einer konjunktivischen Lebensbilanz umbewertet wird.
Für den Umgang mit Fehlern gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: Negieren, Bagatellisieren, Verantwortung übernehmen, abweisen oder zuweisen, Reflektieren, transparent machen, als Chance zum Lernen oder zur Verbesserung der Kommunikation zu betrachten. Als am meisten belastender Fehler in Palliative Care wird nach einer Untersuchung von Monika Müller empfunden, dass bei einer Sterbebegleitung „der Anspruch der Palliativmedizin nicht erfüllt“ worden sei, der Mantel gerissen ist. Ist dies nur instrumentell gemeint? Reichte das Bemäntelnde nicht mehr aus, um den Schwindel der Angst vor der Endlichkeit zu überdecken? Zwingt Palliative Care Sterbebegleiter wie die Sterbenden selbst in einen Mantel von Qualitätskriterien für das Sterben, der für manchen zu eng ist und deshalb reißen muss?