Zeitschrift für Palliativmedizin 2008; 9 - PW_252
DOI: 10.1055/s-0028-1088488

Psychische Betreuung sterbender Patienten auf einer hämatoonkologischen Normalstation

M Kalenicz 1, M Kaluzna-Oleksy 1, H Serve 1, A Böhme 2, P Brück 3
  • 1Uniklinik Frankfurt a. M., ZIM – Med. II – Häma/Onko, Frankfurt a. M.
  • 2Onkologicum, Frankfurt a. M.
  • 3Klinikum der J.W. Goethe-Universität, ZIM – Med. Klinik II – Häma/Onko, Frankfurt a. M.

Fragestellung: Maligne Erkrankungen sind psychisch sehr belastend für die Betroffenen. Die Notwendigkeit der Unterstützung der Patienten zur Verarbeitung besteht insbesondere auch bei terminal Erkrankten. Welche Art psychischer Betreuung der Sterbenden erfolgt auf hämatologischen Normalstationen? Worauf sollten wir in der Betreuung achten? Methoden: Retrospektive Analyse der medizinischen Dokumentation der Patienten, die zwischen 2002 bis 2005 auf hämatologischen Stationen der o.g. Institution behandelt wurden. Einschlusskriterien: Alter >18a, hämatoonkologische Grundkrankheit, Tod während des analysierten Aufenthaltes, stationärer Aufenthalt >1 Tag. Retrospektiv erfasst wurden psychische Probleme und erfolgten Reaktionen, vor allem die Anzahl dokumentierter entlastender ärztlicher und pflegerischer Gespräche und Kontakte mit Seelsorgern und Psychoonkologen. Ergebnisse: Die Studie umfasste 177 Patienten (108Männer, 69 Frauen) im Durchschnittsalter von 59,5a (18–84). In der untersuchten Gruppe traten Depression (38%), Angst (32%), Psychosen (2%) und Suizidalität (3%) auf. Ein Patient beging Selbstmord während des stationären Aufenthalts. Intensivere Gespräche in den letzten 7 Lebenstagen hatten 78% der Patienten mit dem Pflegepersonal und 24% mit Ärzten. 20% (dabei 1 mit Selbstmordgedanken) erhielten keine dokumentierten Gespräche. Nur bei 2 der 5 Patienten, die Suizidalität aufwiesen, sind ärztliche Gespräche dokumentiert. Während des jeweiligen stationären Aufenthalts wurden 22% der Patienten von Psychoonkologen und 9% von Seelsorgern besucht. Schlussfolgerungen: Depression und Ängste sind die häufigsten psychischen Probleme in der skizzierten Situation. Suizidalität ist ein niederfrequentes, aber schwerwiegendes Problem, dessen Beachtung nicht ausreichend erfolgte. Inwieweit hier Dokumentationslücken vorliegen, kann retrospektiv nicht ermittelt werden. Über das Tagesgeschäft hinausgehende Gespräche fanden meist durch das teils fachonkologisch weitergebildete Pflegepersonal statt. Neben einer fehlenden Ausbildung dürfte hier vor allem die Arbeitsbelastung der Ärzte eine Rolle spielen, dass diese nur zu wenigen der Patienten intensiveren Gesprächskontakt suchten. Weiterhin erhält nur eine Patientenminderheit Unterstützung durch Psychoonkologen oder Seelsorger. Somit verbleibt eine deutlich zu hohe Zahl der Patienten, die ihre psychischen Probleme in dieser hochbelasteten Situation überwinden mussten, ohne unterstützende Kommunikation durch medizinisches Personal zu erhalten. Ob ein großer Teil der Patienten der Unterstützung bedurfte oder nachfragte, kann retrospektiv nicht erhoben werden.