Zeitschrift für Palliativmedizin 2008; 9 - PW_296
DOI: 10.1055/s-0028-1088532

Arzt in Not?: Erfassung notärztlicher Einsätze bei Patienten im Endstadium einer weit fortgeschrittenen unheilbaren Erkrankung

R Laufenberg-Feldmann 1, T Bengel 1, M Weber 2, C Werner 1
  • 1Klinikum der Johannes Gutenberg Universität, Klinik für Anästhesiologie, Mainz
  • 2Klinikum der Johannes Gutenberg Universität, III.Med, Mainz

Fragestellung: Aufgrund demografischer und sozialer Entwicklungen werden in Deutschland zunehmend Notärzte zu Patienten im Endstadium weit fortgeschrittener unheilbarer Erkrankungen gerufen. Die besondere Ausgangssituation dieser Patienten erfordert beim Auftreten akuter lebensbedrohlicher Symptome eine von den Standards abweichende Versorgung. Ein Dilemma für den Notarzt? Methoden: Der gegenwärtige Status notfallmedizinischer Versorgung wurde prospektiv mithilfe des Notarztprotokolls sowie eines auf die spezielle Einsatzsituation zugeschnittenen Erfassungsbogens erhoben. Folgende Fragestellungen wurden beantwortet: Häufigkeit dieser Einsätze, Symptome und Probleme bei Eintreffen des Notarztes, Vorliegen einer Patientenverfügung und/oder Vorsorgevollmacht, Anteil der stationären Aufnahmen, Gründe der Einweisung oder Nichteinweisung. Ergebnisse: Im Zeitraum von 10 Monaten (Juni 2007 bis April 2008) wurden von den notarztbesetzten Rettungsmitteln 4530 Patienten versorgt. Bei 38 Patienten wurde ein Endstadium weit fortgeschrittener Erkrankungen festgestellt und der Erfassungsbogen ausgefüllt. 18 Patienten wiesen eine Tumorerkrankung auf. Die häufigsten Symptome und Problemstellungen vor Ort waren Dyspnoe (21 Pat.), Herzkreislaufstillstand (8 Pat.) und überforderte Angehörige (15 Pat.). Eine Patientenverfügung lag in 8, eine Vorsorgevollmacht in 10 Fällen vor, ein schriftlicher Notfallplan in keinem Fall. Neun Patienten starben im Beisein des Notarztes. Von den verbleibenden 29 Patienten wurden 13 Patienten (34% des Gesamtkollektivs) stationär eingewiesen. Gründe für eine Einweisung waren der Patienten-/Angehörigenwunsch (8 Fälle) und die fehlende Möglichkeit der Symptomkontrolle vor Ort (6 Fälle). Grund für die Nichteinweisung der verbleibenden 16 Patienten war in 2 Fällen der Patienten-, in 5 Fällen der Angehörigenwunsch und in 8 Fällen der Wunsch beider. Schlussfolgerungen: Überraschend ist die geringe Inzidenz der als terminal krank eingestuften Patienten. Dennoch wird im Großraum Mainz der Notarzt im Durchschnitt ca. 1 x pro Woche zu einem terminal kranken Patienten gerufen. Für ihn ergibt sich vor Ort folgendes Dilemma: Unzureichende Vorinformation, mangelnde palliativmedizinische Erfahrung, schwierige Entscheidung zur Reanimation. Lösungsmöglichkeiten müssten beinhalten: Gezieltere Information durch Leitstelle, Vermittlung palliativmedizinischen Wissens an Notärzte, Vorhaltung der Patientenverfügung, ggf. eines palliativen Notfallplans (Krisenbogen).