Psychother Psychosom Med Psychol 2009; 59(5): 209-210
DOI: 10.1055/s-0028-1090088
Nachruf

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf auf Dr. Willi Bepperling

Obituary to Dr. Willi BepperlingEkkehard  Gaus
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
06. Mai 2009 (online)

Dr. Willi Bepperling

Am 22. April 2007 ist der langjährige frühere Chefarzt der Esslinger Psychosomatischen Klinik Herr Dr. med. Willi Bepperling nach schwerer Krankheit im Alter von 85 Jahren verstorben.

Es war ihm vergönnt, noch viele Jahre nach Aufgabe seiner Tätigkeit in der Klinik in geistiger und körperlicher Frische zu verbringen und sich seinen vielfältigen Neigungen und Hobbys, z. B. der Musik, zu widmen neben der therapeutischen Arbeit und der Zusammenfassung seiner praktischen Erfahrungen als Psychosomatiker im Krankenhaus.

Willi Bepperling gründete 1961 eine der ältesten noch existierenden Psychosomatischen Abteilungen an einem Allgemeinkrankenhaus in Esslingen am Neckar.

Er hatte zuvor eine breit gefächerte Weiterbildung in der Inneren Medizin, Nervenheilkunde und in der Psychotherapie absolviert und war über die Universitätskliniken in Marburg und Gießen 1951 als Assistenzarzt in die 60 Betten zählende psychosomatische Krankenhausabteilung am Allgemeinkrankenhaus Hamburg-Ochsenzoll, das damals etwa 5 000 Betten hatte, davon 3 000 für psychiatrische Patienten, eingetreten. Die Hamburger Abteilung war 1949 von Prof. Mauz, der aus der Tübinger Psychiaterschule kam und den er zeitlebens als seinen wichtigsten Lehrer bezeichnete, gegründet worden.

Begeisterung für die ganzheitliche Sicht und das Anliegen, die „persönliche Not der Patienten, die sich vorwiegend in leiblichen Funktionsstörungen ausdrückt und oft so schwer zu erkennen ist”, zu erfassen, ermöglichten dort eine Arbeit in einem „dichten psychotherapeutischen Klima und die Entwicklung spezieller psychosomatischer Diagnostik und Therapie”, wie W. Bepperling seine Hamburger Erfahrungen zusammenfasste.

Seine anschließende Tätigkeit an der Universitätsklinik in Münster unter der Leitung von Prof. Mauz ermöglichte mit der Übernahme der Funktion in der Psychosomatischen Ambulanz eine intensive konsiliarische Arbeit, insbesondere durch Kooperation mit der Medizinischen und HNO-Klinik und schließlich auch der Orthopädie und Frauenklinik, wo er sich intensiv mit kurzpsychotherapeutischen Interventionen befasste. In einem Beitrag für das Deutsche Ärzteblatt in jenen Jahren beschrieb er „im Allgemeinen Krankenhaus eine bedenkliche Versorgungslücke. Sie entsteht durch Krankheitsbilder, die durch seelische Momente bedingt oder kompliziert sind”.

So nahm er das Angebot des damaligen Esslinger Internisten an, der an der Mitarbeit eines Psychosomatikers interessiert war vorwiegend für Patienten mit funktionellen Störungen, wie sie damals noch genannt wurden. Ab 1961 begann er, eine psychosomatische Arbeitsgruppe in den Städtischen Krankenanstalten Esslingen aufzubauen mit der schrittweisen Einrichtung einer Spezialstation für psychosomatisch Erkrankte und der Etablierung eines Konsiliardienstes für die anderen Kliniken und Abteilungen. Dieser Prozess gestaltete sich, wie zu erwarten, nicht konfliktfrei, jedoch kontinuierlich.

1969 erhielt die Esslinger Psychosomatik den Status einer selbstständigen Abteilung, die 10 Jahre später um eine Psychosomatische Station für Kinder und Jugendliche in der Kinderklinik erweitert wurde und insgesamt bei seinem Ausscheiden 33 Betten umfasste.

In seiner praktischen Tätigkeit förderte er den Einbezug psychoanalytischen Denkens, aber auch anderer, beispielsweise körperorientierter Verfahren, z. B. der Funktionellen Entspannung nach M. Fuchs.

Seinem Hauptanliegen, der gleichgewichtigen Berücksichtigung körperlicher, seelischer und sozialer Faktoren und der Einführung psychosomatischer Denk- und Behandlungsansätze in den Alltag eines großen Krankenhauses mit über 600 Betten, galt seine ganze Tatkraft, die sich, bei großer Sensibilität für die Bedürfnisse der Patienten, mit politischem Geschick und Durchsetzungsvermögen verband. W. Bepperling erwarb sich auch bleibende Verdienste, indem er, den politischen Zeitläufen voraus, Neugründungen anderer psychosomatischer Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern anregte und förderte.

Er war in seiner aktiven klinischen Zeit regelmäßiger Teilnehmer der Tagungen des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin und richtete die Jahrestagung 1979 in Esslingen aus, die entsprechend seinem beruflichen Lebensmotto unter dem Leitthema „Integration Psychosomatischer Medizin in Klinik und Praxis” stand. Dem Aspekt der Integration psychosomatischer Ansätze in der stationären Krankenversorgung im Konsiliar- und Liaisonbereich widmete sich auch ein von W. Bepperling in seinen letzten Dienstjahren in Gang gesetztes Projekt, das von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert wurde.

Das damals wie heute vorhandene und wohl zunehmende Unbehagen über die Unzulänglichkeit persönlicher Versorgung im Krankenhaus hat er immer, wie er zum 10-jährigen Bestehen der Esslinger Psychosomatischen Abteilung ausführte, auf eine „mangelnde Beachtung der Person im Krankheitsgeschehen” zurückgeführt. Diese Beachtung erfordere auch die ganze Person des Arztes und bei jedem Patienten einen besonderen kreativen Prozess. Vom Psychosomatiker als Arzt hat er Vertrautheit mit der naturwissenschaftlichen Medizin verlangt. Er selbst hat 1951 neben der internistischen Tätigkeit in der Privatstation im histologischen Labor gearbeitet. Seine noch 1979 erhobene Forderung, der psychosomatisch tätige Arzt müsse „in beiden Sätteln sicher” sein, dürfte für manchen Psychosomatiker indes eine Überforderung sein.

Im persönlichen Kontakt bestach er durch Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit und seine gewinnende Art. Er war dabei bis ins hohe Alter interessiert an seinem Fach, um dessen Etablierung er sich verdient gemacht hat, an der Fachgesellschaft, „seinem Krankenhaus” und der Weiterentwicklung seiner von ihm gegründeten und aufgebauten Abteilung.

Dr. med. Ekkehard Gaus

Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin
Klinikum Esslingen

Hirschlandstraße 97

73730 Esslingen

eMail: dr.gaus@klinikum-es.de