NOTARZT 2009; 25(2): 37-40
DOI: 10.1055/s-0028-1090115
Berufspolitik

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Zur rechtlichen Zulässigkeit einer arztfreien Analgosedierung im Rettungsdienst[1]

Teil 2: Analgosedierung mittels Morphin beim akuten KoronarsyndromThe Judicial Legitimacy of an Analgesic-Based Sedation in EMS Without Supervision of a PhysicianPart 2: Analgesic-Based Sedation by Morphine in Case of an Acute Coronary SyndromeK.  Fehn1
  • 1Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht[2]
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Publication Date:
09 April 2009 (online)

Zusammenfassung

Die Analgosedierung mit Morphin durch Rettungsassistenten beim akuten Koronarsyndrom kann rechtlich zulässig sein, sofern diese besonders geschult sind, d. h. Wirkweise und Nebenwirkungen sowie mögliche Komplikationen beherrschen und beurteilen können, ob nicht im Vergleich zur Analgosedierung mit Morphin weniger risikobehaftete Alternativmaßnahmen in Betracht kommen, und in jedem Einzelfall auf konkrete, auch telefonische Anweisung eines Notarztes handeln. In jedem Fall muss die Gabe des Morphins noch vor dem Eintreffen des Notarztes an der Einsatzstelle im Interesse des Patienten unbedingt geboten sein. Der anweisende Notarzt muss stets zur Einsatzstelle nachalarmiert werden und die Richtigkeit der Indikation und der Verabreichung überprüfen. Die rechtliche Verantwortung hierfür verbleibt beim Notarzt, der in diesem Fall erhöhten Sorgfaltsanforderungen unterliegt. Die Vorgaben der BtMVV sind grundsätzlich zu beachten. Unzulässig ist die Analgosedierung mittels Morphin aufgrund einer autonomen Entscheidung von Rettungsassistenten. In diesem Fall können sie sich gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 6 b) BtMG strafbar machen, und zwar auch dann, wenn eine Einwilligung des Patienten vorliegt. Aus rechtlicher Sicht ist zu empfehlen, die Verabreichung von Morphin durch Rettungsassistenten beim akuten Koronarsyndrom vor Eintreffen des Notarztes nicht zu einem Standard Operating Procedure zu machen, sondern als besonderer medizinischer Rechtfertigung bedürfende Ausnahme zu betrachten.

Abstract

An analgesic-based sedation by morphine administrated by paramedics after an acute coronary syndrome can be legally allowed as far as those are particular trained, i. e. are able to control efficacy and adverse reactions as well as possible complications and judge if compared to the analgesic-based sedation with morphine less risky alternative measures come into question, and act in each individual case in accordance to a precise, also telephonic instruction of an emergency physician. In either case the administration of morphine necessarily must be offered before the arrival of the emergency physician in the interests of the patient. The authorising emergency physician always has to be called in disguise to the place of action to control the accuracy of indication and administration. The judicial responsibility remains at the emergency physician who underlies in this case elevated needs of diligence. The conditions set by the BtMVV have to be obeyed principally. The analgesic-based sedation by morphine on the basis of an autonomic decision by paramedics is illegal. In this case they may commit a criminal offence according to § 29 Abs. 1 Nr. 6 b) of German Anaesthetic Act, even though an acceptance of the patient is available. From a judicial point of view it has to be recommended not to make the administration of morphine by paramedics in case of an acute coronary syndrome to be a Standard Operating Procedure, but to treat it only as an exception that needs a special medical justification in every single case.

1 Der vorliegende Beitrag basiert auf einem Rechtsgutachten, das der Verfasser im Auftrag einer Hilfsorganisation erstattet hat.

1 Der vorliegende Beitrag basiert auf einem Rechtsgutachten, das der Verfasser im Auftrag einer Hilfsorganisation erstattet hat.

2 Der Verfasser ist Partner der Sozietät Dr. Schneider & Partner, Frankfurt / Main – Köln – Koblenz, die u. a. auf das Medizinstrafrecht spezialisiert ist. Er ist zudem ordentl. Professor für Strafrecht und öffentliches Recht an der Fachhochschule Köln.

3 Fehn, Der Notarzt 2009; 25: 1–10

4 Adäquate Aus- und Fortbildung der Rettungsassistenten betreffend Wirkweise, Nebenwirkung und Beherrschung von Komplikationen sowie Beurteilung der Notwendigkeit einer Analgosedierung im Vergleich zu weniger risikobehafteten Alternativmaßnahmen, Überwachung der Rettungsassistenten, klare Indikations-, Medikations-, Dosierungs- und ggf. Titrationsvorgaben, Einrichtung eines Call-back-Systems mit der Möglichkeit der Notarzt-Nachforderung und mit konkreten Vorgaben, wann die Rücksprache und Nachalarmierung zwingend sind.

5 Fehn, Der Notarzt 2009; 25: 1 (2), dort II.

6 Vgl. BT-Drucks. 8 / 3551, S. 32; Hügel / Junge / Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht, § 13 BtMG, Rn. 2 und 4, § 2 BtMVV Rn. 1.1 bis 1.5

7 Vgl. Körner, BtMG, 5. Aufl., § 29, Rn. 1257; Joachimski / Haumer, BtMG, § 13, Rn. 7.

8 Vgl. Joachimski / Haumer, BtMG, § 29, Rn. 176 m. w. N.

9 Vgl. hierzu die Ausführungen im 1. Teil des Beitrags.

10 Dabei empfiehlt sich eine Mitteilung der persönlichen Daten über Mobilfunk, Telefon oder soweit vorhanden Digitalfunk, da der analoge BOS-Funk nicht abhörsicher ist und es daher zur Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen oder gar zu einer Straftat gemäß § 203 Abs. StGB kommen könnte.

11 Laufs / Uhlenbruck, a. a. O., § 55, Rn. 7 m. w. N.

12 Vgl. auch die nachfolgenden Ausführungen.

13 Vgl. grundsätzlich zur Amtshaftung bei notärztlichem Behandlungsfehler, Fehn / Lechleuthner, MedR 2000, S. 114 ff.; BGH, MedR 2005, 162; BGHZ 153, 268 ff.; BGHZ 120, 187 (188); BGH, NJW 1991, 2954 (2954 f.). Anzumerken ist, dass die Geltung des Amtshaftungsgrundsatzes für notärztliche Behandlungsfehler in Baden-Württemberg nach den obiter dicta gemachten Anmerkungen in der Entscheidung des Kartellsenats des BGH vom 25.09.2007 (KZR 48 / 05) (www.bundesgerichtshof.de) zweifelhaft sein könnte. Eine solche Auffassung wäre nach diesseitiger Ansicht indes unzutreffend, vgl. auch Fehn, MedR 2008, 203 ff. Träfe sie zu, wäre die Folge ein Anspruch des Notfallpatienten gegen den Notarzt persönlich, der dann – je nach Verschulden – allenfalls in einem zweiten Schritt von seinem Arbeitgeber – dem Rettungsdienstträger – nach den Grundsätzen der betrieblich veranlassten Arbeit einen anteiligen Ausgleich im Innenverhältnis verlangen könnte (vgl. hierzu Fehn / Selen, Rechtshandbuch für Feuerwehr und Rettungsdienst, 2. Aufl., S. 150 ff.).

14 Vgl. nur Laufs / Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl., § 53, Rn. 16.

15 Vgl. BGH, NJW 1979, 1248, 1249; BGH, NJW 1955, 718, 719; Laufs / Uhlenbruck, a. a. O.

16 Fehn, GesR 2007, 385.

17 So etwa im Rahmen des Projekts „med-on-@ix” der Universitätsklinik Aachen u. a., www.med-on-aix.de.

18 Fehn, Der Notarzt 2008, …, II. 5.

19 Eine fahrlässige Tatbegehung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 6 b, Abs. 4 BtMG dürfte in einer solchen Fallgestaltung nicht in Betracht kommen, da die Rettungsassistenten dann um ihr eigenmächtiges Handeln wissen.

Prof. Dr. Karsten FehnRechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht

Dr. Schneider & Partner GbR, Rechtsanwälte

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