Gesundheitswesen 2008; 70(11): 679-683
DOI: 10.1055/s-0028-1100402
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommunale Gesundheitsberichterstattung in Deutschland: eine empirische Erhebung

Health Reporting at the Community Level in Germany: Results of a SurveyS. Stockmann 1 , J. Kuhn 2 , A. Zirngibl 2 , U. Mansmann 1
  • 1Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • 2Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
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Publication Date:
27 November 2008 (online)

Zusammenfassung

Ziel: Es gibt in Deutschland kaum empirische Forschung zur kommunalen Gesundheitsberichterstattung (GBE). In der „Münchner GBE-Studie” sollten daher Basisdaten über Verbreitung, Themen, Datenquellen und politische Einbindung der kommunalen GBE erhoben werden.

Methode: Alle deutschen Gesundheitsämter wurden schriftlich befragt. Die Daten wurden elektronisch ausgelesen, in einem SAS-Datensatz zusammengefasst und uni- sowie bivariat ausgewertet. 223 von 416 Ämtern antworteten auf das Anschreiben (Response: 54%). 195 Fragebögen konnten im Datensatz verwendet werden (auswertbarer Rücklauf: 47%). 79 Ämter beteiligten sich an der Nonresponder-Analyse.

Ergebnisse: Drei Viertel der Gesundheitsämter haben in den vergangenen fünf Jahren Gesundheitsberichte erstellt, die Hälfte hat mindestens einmal jährlich einen Bericht veröffentlicht. In knapp der Hälfte der Ämter ist die GBE in amtsübergreifende Planungsprozesse eingebunden (bei zwei Dritteln ist dies eine Gesundheitskonferenz); bei zwei Dritteln hilft die GBE, Routineaufgaben des Amtes zu erfüllen, vorwiegend bei der Planung von Präventionskampagnen. Ganz überwiegend werden im Amt vorliegende Daten für die GBE verwendet, was sich auch in der Themenpalette niederschlägt: Kindergesundheit sowie Impfen und Infektionskrankheiten sind die häufigsten Themen. Sowohl die politische Resonanz auf die Berichte als auch die gegenwärtige Bedeutung der GBE wird mehrheitlich skeptisch bewertet, während die künftige Bedeutung der GBE positiver gesehen wird. Bei ihren Bemühungen um eine qualifizierte GBE sehen drei Viertel der Ämter Personal- und Geldmangel als die größten Probleme.

Schlussfolgerungen: Die Befunde zeigen, dass die Mehrzahl der Gesundheitsämter der Gesundheitsberichterstattung eine Steuerungsfunktion zuschreibt, deren Realisierung allerdings teilweise noch unzureichend ist. Es wäre sinnvoll, den Funktionsvoraussetzungen und Wirkungsmechanismen der Gesundheitsberichterstattung mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und den politischen Prozess, in den sie einzubinden ist, expliziter zu modellieren.

Abstract

Aim: There is a lack of empirical research on communal health reporting in Germany. The aim of the “Munich Health Reporting Study” was to provide an overview of the spread, topics and data sources of communal health reporting as well as its integration into political decision making processes.

Methods: A questionnaire survey was carried out on all German health authorities. The data were transferred into an SAS data set and examined by uni- and bivariate analyses. 223 of 416 health authorities participated in the survey (response 54%). 195 questionnaires could be included in the analysis (analysable response 47%). 79 health authorities took part in the non-responder analysis.

Results: Three-quarters of health authorities undertook health reporting in the past 5 years, half of authorities published at least one report per year. In nearly half of the surveyed authorities health reporting is integrated into multi-institutional planning processes [in two-thirds of cases this takes place in a so-called “Gesundheitskonferenz” (health round table)]. In two-thirds of health authorities health reporting supports the delivery of routine work, in particular the planning of health promotion and prevention campaigns. The main data sources for health reporting are those data routinely available to health authorities. This is reflected in the range of issues covered with child health, immunisations and communicable diseases being the most common topics. The political impact as well as the current role of health reporting is seen sceptically by the majority, whilst its future importance is judged more positive. In their efforts to undertake high quality health reporting, three-quarters of health authorities consider a lack of funding and staff the biggest problems.

Conclusions: These results show that the majority of health authorities ascribe a strategic function to health reporting, which, however, is not yet sufficiently translated into practice. More attention should be paid to the prerequisites and mechanisms of its effective application. Beyond that, the political process into which health reporting is to be integrated, should be modelled more explicitly.

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Korrespondenzadresse

Dr. J. Kuhn

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