Dtsch Med Wochenschr 1977; 102(27): 983-988
DOI: 10.1055/s-0028-1105450
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Östrogentherapie bei Mädchen mit konstitutionellem Hochwuchs

Erfolg und Wirkungsweise* Oestrogen treatment of girls with increased growthK. v. Puttkamer, J. R. Bierich, F. Brugger, W. Hirche, D. Schönberg
  • Universitäts-Kinderklinik Tübingen (Direktor: Prof. Dr. J. R. Bierich)
* Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
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Publication Date:
07 April 2009 (online)

Zusammenfassung

41 Mädchen in der Pubertät wurden wegen konstitutionellen Hochwuchses durchschnittlich 22 Monate lang mit konjugierten Östrogenen behandelt. Die Medikation erfolgte fortlaufend; in der zweiten Zyklushälfte wurde 5 Tage lang ein orales Gestagen hinzugesetzt. Die zu erwartende durchschnittliche Erwachsenengröße der Patientinnen betrug 186,5 cm; die gemessene Endgröße betrug dagegen 179,2 cm. Somit wurde eine mittlere Reduktion der Erwachsenengröße um 7,3 cm erzielt. Bei Mädchen, bei denen die Behandlung schon vor der Menarche eingeleitet worden war, waren die Resultate durchschnittlich um 2 cm besser als bei den später behandelten. Unerwünschte Nebenwirkungen traten während der Therapie kaum auf. Die Indikation zur Therapie sollte streng gehandhabt, nur Mädchen mit einer Wachstumsprognose über 183 cm sollten mit Östrogenen behandelt werden. Außerdem muß eine therapeutische Überstimulierung des Endometriums vermieden werden. Die frühere Annahme, die Bremsung des Wachstums durch Östrogene beruhe auf dem vorzeitigen Schluß der Epiphysenfugen, erwies sich als falsch; das Wachstum sistierte oft lange vor dem Epiphysenfugenschluß. Als Ursache wurde eine Verminderung der Somatomedinproduktion ermittelt. Sechs Monate nach Behandlungsbeginn betrug der mittlere Somatomedinspiegel im Serum nur mehr 56,9% des Ausgangswertes. Zugleich war die Wachstumshormonsekretion auf ein Mehrfaches der Ausgangswerte gesteigert, wahrscheinlich im Sinne eines negativen Rückkopplungsmechanismus.

Summary

Forty-one pubescent girls of constitutionally tall stature were given conjugated oestrogens for a continuous period averaging twenty-two months. Oral progestin was also given, daily for five days during the second half of each menstrual cycle. Average predicted height of the girls was 186.5 cm, average final height was only 179.2 cm. In half of the girls in whom treatment had been started before menarche the height reduction was 2 cm greater than in those started after menarche. There were no severe side effects. Extreme care should be taken to limit strictly the indications for this treatment. Only girls with a growth prognosis above 183 cm should be considered. Therapeutic overstimulation of the endometrium must be avoided. Earlier views that the cessation of growth under oestrogen is due to early epiphyseal closure have been shown to be wrong. Growth frequently ceases long before epiphyseal closure. Reduction of somatomedin production was found to be the cause. The average serum somatomedin level fell to 56.9% of basal concentration after six months’ treatment. At the same time, the circadian profile of growth hormone indicated a threefold increase above basal level. This phenomenon probably reflects a negative feedback mechanism between growth hormone and somatomedin.