manuelletherapie 2009; 13(2): 85-86
DOI: 10.1055/s-0028-1109406
Kongressbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Es „ZiPT” wieder – und es lohnt sich!

Bericht vom Treffen der Zukunftsinitiative Physiotherapie (ZiPT)S. Schwarz1
  • 1RKU – Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm
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Publication Date:
28 April 2009 (online)

Am 6. und 7. März 2009 trafen sich 50 Physiotherapeuten zum 7. Treffen der ZiPT in Ulm. Sollte man hingehen? Den Namen hatte ich schon mal gehört, mehr aber eigentlich nicht. Für mich klang er etwas unkonkret, und schließlich kann man nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Aber dann war ich dort und begeistert! Noch Tage später fühlte ich mich aufgetankt und überzeugt von der ZiPT-Idee und dass sich die Teilnahme gelohnt hat.

Wer ZiPT ist, wie sie entstand und was sie will, lässt sich besser (und auch offizieller) auf der Website (www.zipt.de) nachlesen. Was es mit dem Einzelnen zu tun hat, warum es Spaß machen kann und spannend ist, davon soll im folgenden Bericht die Rede sein.

Zunächst erleichterte der Veranstaltungsort die Entscheidung zur Teilnahme: Nach 6 Jahren in Hamburg wurde beschlossen, das Treffen in Ulm auszurichten. Das lockte einige Süddeutsche erstmals hinzu. Noch stärker allerdings zog das Thema der neu ins Leben gerufenen ZiPT-Evening-Lecture: First Contact Practitioner – wollen wir das? die Zuhörer an. Bei diesem Thema und vor allem in der nachfolgenden Diskussion wurde es auch konkreter mit der ZiPT sowie sehr interessant und erlebenswert, und zwar nach meiner Wahrnehmung aus 2 Gründen:

Das Thema (Direktzugang für Patienten zur physiotherapeutischen Behandlung ohne ärztliche Zuweisung) beinhaltet Vieles, was uns Physiotherapeuten zurzeit bewegt und bewegen sollte: Unser berufliches Selbstverständnis: Was kann ich, wie kommuniziere ich das, wie trete ich auf und was kann ich nicht (und zwar jenseits der unter anderem in Internetforen leidig zu erlebenden Arroganz, wir oder ich könnten selbstverständlich alles, andere dagegen wenig). Unsere Berufspolitik: Wie bringt man eine gute Idee unter die Leute, und zwar am besten unter diejenigen, die Entscheidungen treffen und welche Stolperfallen drohen dabei? Effizienz unserer Therapie: Wenn ich selbst Therapie „anordnen” kann: wie viel und was braucht mein Patient wirklich? Macht es nicht sowieso am meisten Spaß, zügig dort zu helfen, wo es mir und dem Patienten sinnvoll und effizient möglich ist und nicht zu behandeln, weil es das Rezept abzuarbeiten gilt oder eben 3-mal pro Woche Therapie stattfinden soll? Nicht nur nach Vorgaben aus Indikationsschlüssel/Frequenz und wirtschaftlichen Praxisinteressen zu behandeln! Kann sich gute Therapie auch stärker qualitativ als quantitativ beweisen? Muss und soll Selbstständigerwerden nicht auch eine größere Effizienz mit sich bringen? Fragen über Fragen! Unsere Wirtschaftlichkeit im Denken und Handeln bei gleichzeitiger ethischer Werteorientiertheit (hat nicht jeder ein Recht auf meine Therapie?). Unsere Ausbildung: Welche Fähigkeiten braucht der Direktzugang und haben wir diese schon? Wie bekommen und überprüfen wir sie und wie steht es um unsere derzeitigen Schüler? Unsere Dokumentation: Mehr Verantwortung beim Behandeln muss sich auch schriftlich niederschlagen und selbstverständlich in Screenings als risikobewusst beweisen. Kurzfristig könnte unser Therapiebericht dem Arzt bei Regressbedrohung eine partnerschaftliche Hilfe sein. Unsere Qualität: Wie sichern wir sie in und nach Aus- und Fortbildung? Was könnte die akademisierte deutsche Physiotherapielandschaft auch zu diesen Fragestellungen beitragen? Wie können Bachelor-/Master-Arbeiten zugänglich gemacht werden und mehr nutzbringende Arbeiten entstehen? Welche Fragen haben wir, die in alltäglicher Arbeit am Patienten beschäftigten Therapeuten eigentlich an „unsere” Wissenschaftler und Forscher? Es gibt doch so viel zu untersuchen und so viel Energie bei den Studierenden! Die Diskussion profitierte sehr von der großen Zahl motivierter Therapeuten, die engagiert über ihren jeweiligen Tellerrand hinauszublicken bereit waren. Gedankenaustausch zu erleben, in dem jeder offen war, sich ohne untergründige Dominanz und Begrenztheiten von Berufsverbänden, Therapiekonzepten und Wirtschaftskonkurrenz einzubringen. Das war eine Freude!

Manchem geht es doch ebenso: Man hat Ideen, Anregungen und Hoffnungen im Kopf und dann in den Kollegen, Freunden oder auch Patienten nicht immer die gleichermaßen interessierten oder gesprächswilligen Gegenüber. Hier dagegen trafen sich erfahrene Praktiker und junge Akademiker, Vertreter verschiedener Berufsverbände, Lehrer, Schulleiter und Schüler, Kliniktherapeuten und Praxismitarbeiter, Selbstständige und Krankenhausbeschäftigte, Verlagsmitarbeiter und auslandserfahrene Therapeuten, um ihrer gemeinsamen Gedankenwelt freien Lauf zu lassen, kreativ und weiter zu denken und zusammenzutragen, was sich an Erfahrungen und Überzeugungen zur physiotherapeutischen Zukunft in Köpfen und Herzen bewegt. Selten habe ich eine solche Vielfalt der Beiträge bei gleichzeitig so positiver Grundstimmung erlebt.

Alle diese uns gemeinsam elektrisierenden Gedanken noch in praktische Konsequenz münden zu lassen, ist der Auftrag der verschiedenen Arbeitsgruppen, deren Berichte, Neugründungen und Jahresplanungen den 2. ZiPT-Tag füllten. Ich bin gespannt, was dort entsteht.

Schließlich war in den Pausen und beim gemeinsamen Abendessen noch Gelegenheit, mit Einzelnen in Austausch zu kommen, neue Menschen und ihre Gedanken kennenzulernen.

Aus meiner Sicht bietet ZiPT damit eine tolle Gelegenheit, einerseits Ideen in die Welt zu bringen (und nicht nur mit sich selbst zu diskutieren) und andererseits die eigenen Kreativitäts- und Energiespeicher zu füllen. Das Schönste ist: ZiPT ist offen für alle – einfach so. Im nächsten Jahr wieder und bis dahin im Internet und auf den deutschen Physiotherapiekongressen.

Abschließend herzlichen Dank an Ute Repschläger für ihren kenntnisreichen und ermunternden Vortrag, sowie dem gesamten Zukunftsrat für die Organisation des ZiPT-Treffens, insbesondere Florian Schneider vom ulmkolleg für die Bereitstellung der Räume und die Organisation vor Ort; vor allem aber allen Anwesenden und Teilnehmern für eine tolle, gewinnbringende und anregende gemeinsame Zeit – initiativ für unsere Physiotherapiezukunft!

Auf Wiedersehen in Ulm beim 8. ZiPT-Treffen am 5./ 6. März 2010!

Stephan Schwarz

Ulm

Email: schwarzstephan@yahoo.de

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