Ultraschall Med 2010; 31(3): 221-224
DOI: 10.1055/s-0028-1109810
Titelbild

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Titelbildbeitrag – Vasa praevia – Ein seltenes Ereignis mit weitreichenden Konsequenzen: ein Fallbericht mit Literaturreport

Title Page – Vasa Previa – a Case Report and Review of the LiteratureA. Wöckel, D. Varga, G. Sauer
  • Ulm
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Publication Date:
20 January 2010 (online)

Der Fall

Eine 19-jährige I gr 0 p wurde in der 29. + 4. SSW zur abklärenden Diagnostik und stationären Überwachung in die Klinik eingewiesen. Grund dieser Maßnahme waren seit mehreren Wochen bestehende und in der Intensität zunehmende Schmerzen im mittleren Unterbauch.

Anamnestisch gab die Schwangere einen bis dahin unauffälligen Schwangerschaftsverlauf an. Die Unterbauchschmerzen traten bewegungsunabhängig in ruhender Position auf. Zusätzlich wurde ein Druckgefühl "nach unten" in der inneren Genitalgegend beschrieben. Blutungen oder vaginaler Fluor waren nicht vorhanden.

Bei der allgemeinen klinischen Untersuchung ergaben sich zunächst keine besonderen Auffälligkeiten. Körperlicher Allgemeinzustand und orientierender Allgemeinstatus waren unauffällig. Die äußere Inspektion zeigte einen der Gestationswoche größengerechten Fundusstand. Eine erste orientierende transabdominale Sonografie zeigte eine zeitgerecht und unauffällige Biometrie und Morphologie eines in I. SL liegenden Feten. Die Fruchtwassermenge lag im Normalbereich. Im Bereich des Fundus und der kranialen Uterusvorderwand stellte sich eine unauffällige Plazenta (Grannum I) ohne Anhalt für Lösungszeichen dar. Der Zervikalbereich war transabdominal zunächst nicht einsehbar.

Anschließend erfolgten standardgemäß die vaginalen Untersuchungsverfahren: Eine Spekulumeinstellung zeigte einen unauffälligen Vaginalbefund. Die Portio war erhalten. Der äußere Muttermund in der Spiegeleinstellung geschlossen. Der Vaginal-pH war mit 4,0 im physiologischen Bereich. Es erfolgten zusätzlich Abstriche aus dem Zervikalkanal und dem hinteren Scheidengewölbe zur mikrobiologischen Untersuchung.

In der Vaginalsonografie zeigte sich ein unauffälliger Zervikalbereich. Die Zervixlänge betrug 38 mm ohne Anzeichen einer inneren Trichterbildung. Ebenfalls diagnostiziert wurde ein zwischen dem fetalen Schädel und dem inneren Muttermund liegender Gefäßstrang, der im Farbdoppler eine Blutzirkulation anzeigte. Auf Nachfrage teilte die Patientin mit, dass beim niedergelassenen Facharzt bereits 2 Wochen zuvor die "Nabelschnur vor dem Köpfchen gelegen hätte". Die sonografische Darstellung ähnelte zunächst der Kaliberweite von Nabelschnurgefäßen.

Es erfolgte die stationäre Aufnahme zur Überwachung. Kardiotokogramme waren sämtlich im Normbereich. Serologisch konnten ebenfalls keine Veränderungen im Sinne einer akuten Entzündungsreaktion etc. nachgewiesen werden.

Während der folgenden 2 Tage kam es zu einem Sistieren der Beschwerden. Neben einer Anti-Thrombose- Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin wurden der Patientin keine weiteren therapeutischen Maßnahmen verordnet.

Bei der Abschlussuntersuchung wurde eine erneute Vaginalsonografie durchgeführt. Es zeigte sich ein unveränderter Zervikalbefund. Auch der Gefäßstrang war unverändert im Vergleich zu den Voraufnahmen lokalisiert bzw. positioniert, sodass die Diagnose Vasa praevia bzw. Insertio velamentosa (Abb. [1a-c]) gestellt wurde.

Abb. 1 Der Sagittalschnitt der Vaginalsonografie lässt Gefäßstränge vermuten, welche direkt vor dem inneren Muttermund liegen a. Die TUI- Schichtung (Tomographic Ultrasound Imaging) ermöglicht eine genauere Lokalisierung b. Erst durch Herausarbeiten der Transversalebene wird sichtbar, dass die Gefäße in einem Abstand von ca. 1,5 cm vom zentralen Teil des inneren Muttermunds liegen c.

Fig. 1 Sagittal Plane in transvaginal sonography shows vessels in direct proximity to the inner cervical os a. Tomographic Ultrasound Imaging (TUI) allows exact localisation of the vessels b. Rotation of the Transversal plane shows a distance of 1.5 cm between inner cervical os and Vasa praevia c.

Im weiteren Verlauf wurde die Patientin engmaschig überwacht. In den durchgeführten sonografischen Untersuchungen zeigten sich weiterhin keine Veränderungen dieses Befunds. Die Patientin klagte weiter über gelegentliche Schmerzereignisse, die sich wie bereits zuvor bei längerem Stehen verstärkten.

In der 35 + 0 SSW wurde elektiv eine primäre Sectio nach Misgav-Ladach durchgeführt. Da es nach der Uterotomie und Entwicklung des Kindes zu einer sehr schnellen und spontanen vollständigen Lösung der Plazenta und Eihäute kam, konnte die intrauterine Inspektion und Dokumentation der aberrienden Gefäße nicht mehr erfolgen. Der weitere intra- und postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Sie wurde von einem lebensfrischen Neugeborenen entbunden.

Die abschließende makroskopische Beurteilung der Plazenta und Eihäute bestätigte den sonografischen Befund der Vasa praevia (Abb. [2]). Diese verliefen mit einem Durchmesser von ca. 10 mm frei über weite Teile der inneren Eihäute und lagen in situ knapp vor dem inneren Muttermund. Die Inspektion der Plazenta ergab keine Anomalien hinsichtlich Größe, Struktur etc. Der postoperative Verlauf gestaltete sich unauffällig, sodass die Patientin in gutem Allgemeinzustand und beschwerdefrei in die ambulante Betreuung entlassen werden konnte.

Abb. 2 Plazenta und Eihäute nach Sectio caearea: atypischer Verlauf großkalibriger Gefäßstränge über die freien Eihautflächen.

Fig. 2 Placenta and Fetale Membranes after ceasarian section. Aberrant vessels and their course over the membranes are shown.

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