manuelletherapie 2009; 13(5): 221-222
DOI: 10.1055/s-0028-1109942
Kongressbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

CRAFTA Kongress 2009 in Nürnberg

C. Voith1
  • 1Physiotherapie-Praxis Christian Voith, Klagenfurt, Österreich
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Publication Date:
05 January 2010 (online)

Vom 2.–3. Oktober 2009 fand im hervorragenden Ambiente und den großzügigen Räumlichkeiten des Hotels Hilton in Nürnberg der 2. Internationale CRAFTA Kongress unter dem Titel Orofaziale Schmerzen und die Integration von Evidenz in die Therapie statt. Vom Programm her versprach es, eine sehr hochkarätige Veranstaltung zu werden und erfüllte bei Weitem die Erwartungen der über 200 Teilnehmer aus 10 Nationen ([Abb. 1]).

Abb. 1 Der Kongresssaal war bis auf den letzten Platz gefüllt (mit freundlicher Genehmigung von Thomas-Riess-Photography).

Nach der Eröffnung durch die Veranstalter Christian Westendorf (FiHH-Agentur) und Prof. Dr. Harry von Piekartz (CRAFTA) ging es an den fachlichen Teil. Der 1. Tag stand unter dem Thema Symptome der orofazialen Region und ihre Auswirkungen auf den gesamten Körper. Schon beim 1. Vortrag wurde klar, dass der praktische Bezug, der sich durch alle Vorträge zog, ein wichtiger Bestandteil sein sollte.

Der Vortrag von Dr. Dean Watson (Australien) Diagnosing headache and migraine – is it clinically relevant? verdeutlichte, dass die Diagnose von Kopfschmerzen – egal welcher Genese – keine Rolle spielen sollte. Vielmehr ging es darum, die Schmerzen durch spezifische Tests zu lokalisieren (Find out what is the source of sensitisation) und dementsprechend zu behandeln. Der praktische Bezug des hervorragenden Praktikers brachte viele neue Erkenntnisse in der Behandlung dieses schwierigen Therapiefeldes.

Im Anschluss gab Dr. Jules Hesse (Niederlande) einen Einblick in Clinical relevance of orthopaedic testing in the craniomandibular and cervical region. Er betonte, zur Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens in der Klinik sei eine gemeinsame Sprache mit dem Patienten wichtig. Die Essenz daraus: Information = Motivation = Compliance.

Nach der Pause zeigte Prof. Dr. Hans J. Schindler (Deutschland) in seinem Vortrag Kraniomandibuläre, muskuläre Dysbalance und deren Einfluss auf andere Teile des Körpers, dass schmerzhafte neuromuskuläre Dysbalancen als wesentliche Risikofaktoren gelten (Komorbiditäten!). Er betonte die Wichtigkeit einer Veränderung des Systems, um den Körper aus einer häufig bestehenden Stereotypie herauszubringen.

Prof. Dr. Alfons Hugger (Deutschland) ließ bei Instrumentelle Funktionsanalyse bei Myoartropathien und orofazialen Schmerzen – Möglichkeiten und Grenzen schon einleitend aufhorchen: Sein Satz „Die Funktionsanalyse darf nicht zur elektrischen Eisenbahn des Zahnarztes werden” war der Beginn eines sehr interessanten Vortrags. Er kam zu dem Schluss, dass die Physiotherapie bei der Behandlung gar nicht so schlecht abschneidet.

Am Ende des 1. Tages gab es dann noch eine Überraschung. Vor seinem Vortrag wurde Prof. Dr. Mariano Rocabado (Chile) – einer der Wegbereiter auf diesem Gebiet – zum Ehrenmitglied der CRAFTA ernannt ([Abb. 2]). In seinem an praktischen Beispielen sehr reichen Vortrag Functional orthopaedic coherences of the cranio-cervico-mandibular region – a clinical update verdeutlichte er neben dem „anterioren Teil” mit dem Kiefergelenk die Existenz eines „posterioren Teils” mit der HWS. Außerdem tat er die Schlafapnoe als neues Feld in der Therapie der kraniofazialen Region auf.

Abb. 2 Prof. Dr. von Piekartz verleiht Prof. Dr. Rocabado die Ehrenmitgliedschaft der CRAFTA (mit freundlicher Genehmigung von Thomas-Riess-Photography).

So schloss sich am 1. Tag der Kreis der Erkenntnis, da sowohl im ersten als auch letzten Vortrag die Bedeutung der oberen HWS (vor allem C 0 / 1 und C 2 / 3 sowie der M. obliquus capitis inferior) betont wurde.

Der Tag klang mit einer Kongressparty aus, bei der es in einer angenehmen Atmosphäre mit sehr guten und reichlichen italienischen Essen und Getränken genügend Möglichkeiten gab, das vorher Gehörte zu diskutieren und zu vertiefen. Außerdem konnte man sich untereinander kennenlernen und austauschen, um den eigenen Horizont zu erweitern.

Frisch ausgeruht startete der 2. Tag unter dem Thema Orofaziale Schmerzen beurteilen, behandeln und managen mit Prof. Dr. Rocabado zu Clinical pain patterns of temporomandibular joint dysfunctions – how to treat in the daily practice! Bei diesem sehr interessanten Vortrag über das Kiefergelenk konnten die Zuhörer seine klinische Erfahrung in jedem seiner Worte spüren. Dabei betonte er auch die Rolle des Kraniums als Knochen zwischen dem Kiefergelenk und der HWS.

Anschließend erklärte Prof. Dr. Jens Türp (Schweiz) in Orofaziales Schmerzmanagment in der Zahnmedizin den Unterschied zwischen nozizeptiven und neuropathischen sowie akuten und chronischen Schmerzen.

Nach einer Pause ergänzte Prof. Dr. Harry von Piekartz (Niederlande) mit Orofaziales Schmerzmanagement in der Physiotherapie anhand der verschiedenen Schmerzmodelle die Schmerzverarbeitung in verschiedenen Körperregionen. Neben Patientenbeispielen erklärte er auch die Problematik der Änderung in der Emotionserkennung bei chronischen Gesichtsschmerzen. Sowohl Prof. Dr. Türp als auch Prof. Dr. von Piekartz betonten die Wichtigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit, um dieses komplexe System zu beeinflussen und zeigten auch Möglichkeiten dafür auf.

Dr. David Butler (Australien), der aufgrund seiner Verdienste im Schmerzmanagement ebenfalls zum Ehrenmitglied der CRAFTA ernannt wurde, beleuchtete mit The neuromatrix paradigm and head and neck pain in sehr humorvoller, lebendiger und informativer Art die Relevanz dieses Themas für die Praxis. Er nahm die Zuhörer mit auf eine sehr anschauliche Reise und brachte ihnen das schwierige Thema Biopsychosocialism sehr nahe.

Nach dem Mittagessen gab es den letzten Block in diesem spannenden Programm. Dr. Claudia Ganzer (Deutschland) zeigte mit Die Interaktion zwischen der orofazialen Region und anderen Körperregionen – ein Fallbeispiel die Zusammenhänge in diesem Bereich auf und stellte dar, wie eine Zusammenarbeit in der Praxis funktionieren kann. Sie schloss mit der Frage: „Wird durch den Befund das Befinden des Patienten erklärbar?”

Last but not least kam nochmals Dr. Dean Watson zu Wort. In Is treating migraine irresponsible? The dilemma! ging er auf die Wichtigkeit der obersten 3 Zervikalsegmente ein. Seine Aussage „The headache brain is sensitised” verdeutlichte die Wichtigkeit der Untersuchung und der spezifischen Behandlung dieser Region bei verschiedenen Kopfschmerzarten.

Abschließend ist festzustellen, dass die Vorträge der Referenten aus 5 Nationen ein sehr hohes Niveau hatten und außerdem viele nützliche Informationen für alle bereit hielten, die sich in der Praxis umsetzen lassen.

Fazit: Den Organisatoren ist es gelungen, eine große Anzahl sehr namhafter Referenten anzubieten, denen es allen gelang, die Verbindung zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der praktischen Arbeit am Patienten herzustellen. Das interessante Programm wurde zudem durch die Präsentation einiger Poster- und Firmenaussteller eingerahmt.

So waren wir uns alle einig, dass sich der Weg gelohnt hat. Wir danken den Organisatoren und freuen uns schon auf den nächsten Kongress am 23. und 24. September 2011 in Berlin.

Christian Voith

PT, OMT

Walther-von-der-Vogelweide-Platz 3

9020 Klagenfurt

Österreich

Email: physiotherapiepraxis.voith@aon.at

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