Dtsch Med Wochenschr 1952; 77(2): 42-45
DOI: 10.1055/s-0028-1115871
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Über das Sjögrensche Syndrom

W. Beiglböck, H. Hoff (Schluß)1
  • Augsburg-Pfersee, Stadtbergerstraße 80œ/3
1 (Vgl. Dtsch. med. Wschr. 77 [1952], 1: 7—10.)
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Publication Date:
22 April 2009 (online)

Zusammenfassung

Es wird über den Fall von Sjögren schem Syndrom berichtet, bei dem schwere und diffuse entzündliche Gefäßveränderungen in der Muskulatur und Haut durch Probeexzision gesichert wurden und ein thrombotischer Verschluß der Arteria carotis intsinistra vorhanden war, der zu sekundären Liquorveränderungen führte. Im Sternalblut zeigte sich eine bemerkenswerte Linksverschiebung bei eher leukopenischen Werten in der Peripherie, was als Andeutung einer splenogenen Markhemmung bei Vorwiegen des lymphatischen Apparates aufgefaßt wird.

Nach Besprechung der bisher vertretenen Auffassungen über die Ätiologie des Syndroms: rheumatisch-allergische, hormonelle oder avitaminotische Genese, wird versucht, alle 3 Einflüsse im pathogenetischen Geschehen als gegeben zu betrachten, und zwar in folgender Weise: Das Sjögrensche Syndrom ist eine primär rheumatisch (-allergische) Erkrankung mit Befallensein von Organsystemen, die mit dem Stoffwechsel der Mucopolysaccharide in engster Beziehung stehen. Seine Entwicklung wird gefördert, wenn die Gegenwirkung des Cortisons oder des Corpus-luteum-Hormons entfällt. Also bei einer bestimmten hormonellen Unterfunktion, die zugleich das Überwiegen des lymphatischen Apparates (bis zur Entwicklung des Felty - Syndroms) ermöglicht. Die chronisch-rheumatische Entzündung mit ihrer dauernden (und überschießenden) Antikörperproduktion verbraucht Eisen und Vitamine und kann so zu einer sekundären Anämie und Hypovitaminose führen. Der diffuse Gefäßschaden beim Sjögrenschen Syndrom kann als eine Art chronischen Gegenstücks zur Purpura rheumatica aufgefaßt werden, wobei jedoch die Gefäßwand Zeit hat, zelluläre Abwehrreaktionen zu entwickeln. In Hinsicht auf die Systemerkrankung zeigt es hingegen Analogien zu dem akuten Syndrom der Reiterschen Krankheit, die ebenfalls eine Kombination von Gelenk- und Schleimhauterkrankung darstellt.

In dem besprochenen Fall führte die Therapie mit Cortiron, Vitamin B2 und C zu einem bemerkenswerten, aber nicht bleibenden Abfall der Senkungsgeschwindigkeit. Die weitere Behandlung wurde mit ACTH (in Form von Hypophysenimplantationen) durchgeführt, deren Erfolg noch abgewartet werden muß.

Anmerkung bei der Korrektur: Nach Abschluß der Arbeit wurde (Ende Dezember 1950) neuerlich eine Probeexzision aus der Haut histologisch untersucht, mit dem Ergebnis, daß in den getroffenen Stellen die Gefäße durchwegs normale Struktur zeigten, nirgends eine auffällige Wandverquellung oder Aufblätterung der elastischen Fasern sichtbar war. Perivaskuläre Infiltrate wurden nicht gesehen, das Gewebe der Subkutis erschien nun wesentlich näher der Norm als vordem.

Die fortschreitende klinische Besserung hielt bis zum Mai, so lange die Patientin in unserer Beobachtung war, bei Weiterführung der Therapie an. Später teilte sie uns schriftlich mit, daß ihr Befinden zufriedenstellend sei.

Nachträglich wurden uns noch Arbeiten bekannt, die sich über die Beziehungen des Laktoflavins zum Sjögrenschen Syndrom äußern: van Nieuenhuizen, de Haas, beide ref. Klin. Monatsbl. Augenhk. 110 (1945): 640, ferner Lutman - Farata (zit. b. Stepp, Kuehnau, Schröder, Vitamine) und Francesschetti (Schw. med. Wschr. 1942, 601). Aus diesen geht hervor, daß beim Sjögrenschen Syndrom eine Verwertungsstörung des Laktoflavins mehrfach beobachtet wurde. Dieser Befund könnte ohne weiteres auf die Nebenniere weisen, da phosphorylierte B-Vitamine wirksam waren. Diese Beobachtung machten H. Esser u. F. E. Schmengler (Ärztl. Forschg. 5 (1951): I/313) auf deren während der Drucklegung erschienene Arbeit leider nicht mehr ausführlich eingegangen werden kann. Sie kommen von ganz anderen Gesichtspunkten her zu vielfach ähnlichen Auffassungen wie wir. Besonders interessant sind ihre elektrophoretischen Plasmauntersuchungen, die eine hochgradige Steigerung der γ-Globuline zeigen, was zu der oben erwähnten Auffassung hinsichtlich der Überproduktion von Antikörpern sehr gut passen würde.