Dtsch Med Wochenschr 1952; 77(16): 487-491
DOI: 10.1055/s-0028-1116000
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Funktionsprobleme in der Herz- und Lungenklinik nebst einigen Bemerkungen zur Herz- und Lungenchirurgie1

W. H. Knipping
  • Medizinischen Universitätsklinik Köln (Direktor: Prof. Dr. H. W. Knipping)
1 Vortrag auf Einladung der Societa Lombarda per la lotta contra la Tuberculosi und der Gesellschaft für experimentelle Medizin an der Universität Mailand am 25. 10. 1951 (gekürzt).
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Publication Date:
22 April 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Es werden einige Ergebnisse von etwa 600 intrakardialen Druckmessungen (Bolt, Rink, Stanischeff, Zorn, Wullen) bei der kardialen Ruheinsuffizienz und von einer großen Zahl funktioneller Analysen bei Arbeitsinsuffizienzen des linken und des rechten Herzens (Cor. pulmonale, Bolt, Valentin, Venrath, Rotthoff u. a.) besprochen. Im einzelnen wird auf die speziellen Mitteilungen aus unserem Arbeitskreis verwiesen.

2. Der Stand der intrakardialen Druckmessungen und der diese ergänzenden funktionellen spirographischen Analyse im Wattstufenversuch bis in den Bereich der Vita maxima hinein, also der zentralen, quantitativen Aussage über die Herzleistungsbreite, wird erörtert.

3. Die kardiale Links- und Rechtsruheinsuffizienz und die Arbeitsinsuffizienz des linken und des rechten Herzens sind voneinander zu differenzieren und funktionell quantitativ zu charakterisieren. Einige praktische Konsequenzen für die Herzklinik, für die Chirurgie der Tuberkulose bzw. des Bronchialkarzinoms und für die Operation der Mitralstenose werden besprochen. Die Meßwerte einer erfolgreich von Hoffmann, Köln, operierten Mitralstenose werden demonstriert (Abb. 5). Die funktionsmindernde bzw. funktionsvernichtende Einwirkung z. B. der Lungentuberkulose, thoraxchirurgischer Eingriffe und der Altersfaktoren betrifft so different die drei Angriffspositionen: rechtes Herz, linkes Herz und Lungen, daß diese quantitative funktionelle Differenzierung der drei Ruhe- und Arbeitsinsuffizienzformen vor allem für die weitere Entwicklung der Thoraxchirurgie wichtig und fruchtbar erscheint, ferner für die Nachbehandlung.

4. über die Arbeitsstauung bei Herzkranken und bei operativ gesetzten Links- und Rechtsfehlern (Tierversuche) werden Angaben gemacht.

5. Einige der hier erörterten Erkenntnisse über die Ruhe- und Arbeitsinsuffizienz des Herzens und der oben angedeuteten analytischen Fortschritte ergeben die Möglichkeit, die großen Chancen der Arbeits- und Sporttherapie mehr als bisher in der Herzklinik, vor allem bei den in den unruhigen Großstädten sich sehr ausbreitenden vegetativen Dystonien des Kreislaufes im Sinne von Edens ohne Risiken auszuschöpfen, desgleichen in der Lungenklinik. Unter klaren Kautelen, die aus der exakten Funktionsanalyse im Wattstufenversuch ableitbar sind, ist die Arbeits- und Sporttherapie im gewissen Sinne die großartigste „physikalische Therapie” (s. auch Knipping: Der Sportarzt, 1951, und Knipping u. Ziehes: Arch. Kreisl.-forsch. 1951). Ältere gesunde Personen, die lange Zeit kaum noch an Sport und harte körperliche Arbeit gewöhnt waren, können ohne Gefahr wieder in gute sportliche Form (fit) gebracht werden, wenn das Crescendo der Beanspruchung zweckmäßig ist. Allerdings muß betont werden, daß tiefgreifende Umstellungen der Lebensform auf diesem Sektor jenseits etwa des 50. Lebensjahres nicht ratsam sind. Die bedeutsamen Konsequenzen des „Sportgewohntseins”, bei älteren Personen in gewissen, wenn auch bescheidenen Grenzen, für die Prophylaxe in der Lungenklinik, in der Herzklinik (Schongang des Herzens), in der Hämatologie (Gerinnungsfragen, Mechanismus der Koronarthrombosierung usw., s. Meyerzum Gottesberge, Wirtz u. a.) usw. liegen auf der Hand, werden im allgemeinen aber allzusehr übersehen.