Dtsch Med Wochenschr 1952; 77(50): 1559-1562
DOI: 10.1055/s-0028-1117298
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Das „Systemkarzinom” am weiblichen Genitale

Ein weiterer Beitrag zur Frage der primären TumormultiplizitätHerbert Huber
  • Univ.-Frauenklinik Kiel (Direktor: Prof. Dr. E. Philipp)
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Publication Date:
05 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Die wesentlichen Ergebnisse der eigenen Untersuchung erlauben zusammenfassend folgende Feststellungen:

1. Es gibt eine primäre Tumormultiplizität als ein rein zufälliges Zusammentreffen mehrfacher Karzinome — gleichzeitig oder in zeitlichem Abstand auftretend. Obwohl zahlenmäßig nicht häufig, ist praktisch doch im Rahmen der klinischen Beurteilung mit einem derartigen Ereignis gelegentlich zu rechnen. Diese Form der primären Tumormultiplizität wird beim Genitalkarzinom im wesentlichen durch die Kombination mit einem extragenitalen Karzinom dargestellt.

2. Daneben gibt es eine gehäufte primäre Tumormultiplizität. von der gewisse Genitalabschnitte bevorzugt betroffen sind. Dabei handelt es sich im wesentlichen um Mehrfachtumoren in Form der Kombination eines Korpus- und Ovarialkarzinoms und der Tumoren paariger Genitalorgane. Diese Tumormultiplizität liegt zahlenmäßig über der theoretischen Erwartung; das besagt, daß über den Zufall hinaus eine Krankheitsursache auf verschiedene Organe gleichzeitig einwirkt und dort die Geschwulstbildung auslöst. Die Beteiligung an dieser multizentrischen Reaktion führte zur Erkennung und Abgrenzung der Systemkarzinome am weiblichen Genitale, denen vor allem die von den Derivaten der Müller schen und Gartner schen Gänge abstammenden Genitalkarzinome zugehören.

Am eigenen Material ergibt sich weiter, daß dem Mammakarzinom als Multiplizitätstumor mit einem Genitalkarzinom gegenüber anderen extragenitalen Karzinomen Besonderheiten zukommen, die wahrscheinlich machen, daß das Mammakarzinom den Systemkarzinomen des Genitale funktionell nahe steht.

3. Das Fehlen einer primären Tumormultiplizität widerspricht der theoretischen Erwartung und spricht für eine ursächliche Gegensätzlichkeit, insbesondere ist offenbar die Seltenheit der Kombination eines Systemkarzinoms am Genitale mit einem lokalen Reizkrebs (Vulva, Vagina, Portio) im wesentlichen durch einen derartigen Antagonismus geschwulstfördernder bzw. geschwulstbildender Faktoren bedingt.