Dtsch Med Wochenschr 1950; 75(35): 1124-1129
DOI: 10.1055/s-0028-1117628
Therapie

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Studien zur Wirkung des Cortisons (Compound E) und des adrenocorticotropen Hormons (ACTH)

Ludwig Heilmeyer, Joachim Frey, Ludwig Weissbecker, Gerold Buchegger, Helmut Kilchling, Herbert Begemann
  • Medizinischen Universitätsklinik Freiburg (Direktor: Prof. Dr. Heilmeyer)
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Publication Date:
29 May 2009 (online)

Zusammenfassung

In einem Behandlungsversuch mit Cortison bei einer fieberhaften exsudativen Lungentuberkulose ließ sich eine entzündungswidrige Wirkung des Cortisons mit Verminderung der Eosinophilen und der Blutsenkung sowie fraglicher Beruhigung der Temperatur unter Rückgang der vorher gesteigerten 17-Cetosteroid-Ausscheidung erkennen. Eine künstlich gesetzte Formalinehtzündung der Haut wurde durch Cortison ebenfalls deutlich abgebremst. Daraus ist die Unspezifität der antirheumatischen Wirkung des Cortisons klar ersichtlich. Das Mittel greift wahrscheinlich in einen größeren Regulationsvorgang ein, der viele Funktionen umfaßt. In einem 2. Versuch bei einer vorher sehr therapieresistenten chronischen Polyarthritis wurden deutliche Gegenregulationen gegen die entzündungshemmende Cortisonwirkung am Verhalten der klinischen Erscheinungen, der Blutsenkung, des Blutbildes und der Ausscheidung der verschiedenen Hormonfraktionen sichtbar. Die Therapie mit Cortison beim Rheumatismus ist somit eine unspezifische und nicht ätiotrope. Sie greift in einen beim Gelenkrheumatismus — aber sicher auch bei vielen anderen Erkrankungen — in Gang gesetzten Mechanismus des Hypophysennebennierenrindensystems ein. Nach Absetzen des Mittels stellen sich aber die Ausgangsverhältnisse wieder her.

In 2 ACTH-Versuchen konnten die Angaben der amerikanischen Autoren Pearson, Eliel, Rawson, sowie Farber, Schwachmann, Toch, Downing, Kennedy und Hyde hinsichtlich des Rückgangs akuter Leukosen und chronisch lymphadenotiseher Tumoren voll bestätigt werden. Die außergewöhnliche Gewebseinschmelzung bei der akuten Leukose konnte in unserem ACTH-Falle auch an Hand der Harnsäureausscheidung festgestellt werden. Im Knochenmark dieser akuten Leukose verschwanden alle „Blasten”, so daß dort zuletzt nur gewucherte Plasmazellinseln vorhanden waren. Das tödliche Ende war deshalb nicht aufzuhalten. Bei der chronischen Lymphadenose des älteren Mannes war der Rückgang der Drüsentumoren bei bestem Wohlbefinden imponierend. Die Wirkung des ACTH auf die Nebennierenrindenfunktion wurde an Hand der Bestimmung der einzelnen Corticoidfraktionen nach Weissbecker und Staudinger kontrolliert. Dabei ergab sich übereinstimmend unter ACTH zunächst nur ein Anstieg der 11-Oxycorticoidfraktion und der 17-Cetosteroide, während die Desoxycorticoidfraktion zunächst nicht reagierte. Im 2. Fall trat nach Absetzen des ACTH ein (gegenregulatorisch bedingter?) Anstieg der DOC-Fraktion ein. Damit stützen unsere Versuche die Ansicht Selyes, welcher nachwies, daß das ACTH vorwiegend die 11-Oxycorticoide aktiviere, unter denen das Kortison das Wichtigste ist. Dieses bringt bekanntlich im Tierexperiment die lymphatischen Organe zum Abbau, während die DOC-Fraktion keinen oder sogar einen leicht antagonistischen Einfluß auf die lymphatischen Organe zeigt. Der Dualismus der 11-Oxy- und der 11-Desoxycorticoide wird also auch durch unsere Versuche unterstrichen.

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